Eine künstliche Ernährung als medizinische Behandlung wird in den letzten Lebenstagen oft als ungünstig eingestuft. Französische Forscher suchten nun nach Faktoren, durch die die künstliche Ernährung das Lebensende kaum oder sogar positiv beeinflussen kann.

Die künstliche Ernährung dient in der Behandlung von Krebspatienten dazu, Gewichtsverlusten und Unterernährung vorzubeugen. Bei Patienten mit nur noch kurzer Lebenserwartung wird sie aber laut der ESPEN-Leitlinie meist infrage gestellt. Tatsächlich kann eine künstliche Ernährung - enteral oder parenteral - auch hohe Gesundheitsrisiken durch Infektionen sowie respiratorische und metabolische Beschwerden bergen. Qualitativ hochwertige Studien dazu fehlten bislang jedoch.

In einer Studie wurden Daten der "French national hospital database" (2013-2016) retrospektiv ausgewertet, um die künstliche Ernährung am Lebensende zu quantifizieren und maßgebliche Faktoren zu identifizieren. Primärer Endpunkt war die künstliche Ernährung in den letzten sieben Lebenstagen, sekundärer Endpunkt war die künstliche Ernährung in den letzten 31 Lebenstagen.

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© Mathias Ernert, Chirurgische Klinik,Universtitätsklinikum Heidelberg

Künstliche Ernährung am Lebensende scheint eher selten verabreicht zu werden. Einige Faktoren sprechen aber für eine künstliche Ernährung.

Insgesamt wurden Daten von 398.822 Patienten analysiert. Die künstliche Ernährung wurde vor allem bei Kopf-Hals- Tumoren (6,2 %) sowie gastrointestinalen Tumoren (3,2 %) verabreicht. Eine Chemotherapie innerhalb der letzten Tage war im Gegensatz zur Palliativmedizin häufiger mit einer künstlichen Ernährung verbunden (3,9 % vs. 2,2 %). Insgesamt war eine künstliche Ernährung im letzten Lebensmonat beziehungsweise in den letzten sieben Lebenstagen bei Krebspatienten sehr selten (5 % bzw. < 3 %). Möglichweise könnten frühere Studien der Grund dafür sein, da in ihnen eher von einer Belastung durch künstliche Ernährung berichtet worden war. Ebenso empfehlen die Leitlinien den Verzicht auf die künstliche Ernährung bei Komorbiditäten und Metastasen.

Dennoch gibt es einige Faktoren, die für eine künstliche Ernährung am Lebensende sprechen: Anorexie, Kachexie, Stoffwechselstörungen, Mukositis/Stomatitis, Lebererkrankungen, Verdauungsbeschwerden, Atemwegsbeschwer-den und Hautgeschwüre. Hauptsächlich erhielten und profitierten Männer, jüngere Patienten und Patienten mit längerem Krankenhausaufenthalt von einer künstlichen Ernährung. Ebenso bestand ein Zusammenhang zwischen künstlicher Ernährung und dem Vorliegen vieler Komorbiditäten oder Unterernährung.

Fazit: Den Forschern zufolge fehlt es an prädiktiven Faktoren, die für eine künstliche Ernährung sprechen und die für die letzten Lebenstagen entscheidend sind. Weitere Studien müssten die Lebensumstände in den letzten Tagen genauer definieren sowie genannte Faktoren im Zusammenhang mit künstlicher Ernährung erörtern. Genauere Leitlinien und Scores sollen dabei den Ärzten die Entscheidung für oder gegen eine künstliche Ernährung erleichtern und somit die Lebensqualität der Patienten in den letzten Lebenstagen erhöhen.

Baumstarck K et al. Use of artificial nutrition near the end of life: Result s from a French national population-based study of hospitalized cancer patients. Cancer Med 2020;9:530-40