Einen „Schnappschuss“ vom Leben US-amerikanischer Migränepatienten zu machen — das ist das Ziel der Studie „observational survey of the epidemiology treatment and care of migraine“ (OVERCOME), die im Sommer 2018 von Eli Lilly initiiert wurde. Neben Untersuchungen dazu, welche Medikamente Migränepatienten einnehmen oder wo und wie sie überwiegend behandelt werden, widmet sich ein Teilbereich der Studie der Frage, welchen Stigmatisierungen Migränepatienten ausgesetzt sind. „Stigmatisierung ist ein sozialer Prozess, in dem Klassen von Individuen Objekte von Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung werden können“, definierte Dr. Robert Shapiro, Neurologe am Larner College of Medicine in Burlington, USA, „und Migränepatienten sind ihr in ähnliche starker Weise ausgesetzt wie Epileptiker.“

Was Menschen ohne Migräne über ihre an Migräne leidenden Mitmenschen denken und von welchen Faktoren dies abhängt, wurde in einer repräsentativen Umfrage erhoben, an der 2.000 Nicht-Migräniker in einem Durchschnittsalter von 48 Jahren teilgenommen hatten. Den Teilnehmern wurden elf Fragen gestellt, unter anderem danach, wie oft Migränepatienten ihrer Meinung nach ihre Leiden dramatisieren, zum Problem für Kollegen und Vorgesetzte werden oder sich beruflichen oder privaten Verpflichtungen entziehen.

„Migräne lässt sich leicht behandeln“

Am häufigsten äußerten Menschen ohne Migräne die Überzeugung, dass Migränepatienten „ihre Migräne leicht behandeln können“ (45,4 %) und „ihre Migräne verstecken“ (39,1 %). Mehr als ein Drittel (35,5 %) glaubte gar, dass Migränepatienten „einen ungesunden Lebensstil pflegen“ und damit in gewisser Weise selbst für ihr Leiden verantwortlich sind. Je mehr Menschen mit Migräne die Befragten kannten, desto öfter gaben sie an, dass die stigmatisierenden Behauptungen zuträfen. Dies seien alarmierende und Besorgnis erregende Ergebnisse, mahnte Shapiro. „Offensichtlich besteht die Vorstellung, dass viele Migränepatienten ihre Symptome übertreiben oder sich nur sozialer Verpflichtung entziehen möchten“.

Gleichzeitig gaben überhaupt nur 45 % der Befragten an, jemanden mit Migräne zu kennen, berichtete Shapiro. Und nur 4 % der Befragten wüssten von einem Kollegen mit Migräne. Das seien erstaunlich niedrige Zahlen angesichts der Migräneprävalenz in den USA, gab er zu bedenken; nehme man nämlich Migräne und Medikamentenübergebrauchskopfschmerz — die beide einen ähnlichen Phänotyp hätten — zusammen, so erleiden laut Berechnungen der Global-Burden-Disease-Study 2017 immerhin 22 % der US-Bevölkerung pro Jahr eine Migräne. Für die Zukunft wünscht sich Shapiro daher weitere Untersuchungen dazu, wie sich stigmatisierende Vorstellungen in der Bevölkerung bilden, sowie Programme, um diese zu bekämpfen.