_ Seit März 2017 kann Cannabis auf Kassenkosten verordnet werden. Wer das tut, muss einigen medizinischen und pharmakologischen Fallstricken ausweichen.

In vielen Leitlinien wird Cannabis als Therapeutikum geführt. Dazu zählen etwa eine US-Leitlinie zur Antiemesis und mehrere Leitlinien der Deutschen Schmerzgesellschaft (DGS), so Professor Sven Gottschling, Chefarzt am Zentrum für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie vom Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg.

In der Cannabinoid-Therapie sieht er Fertig- oder Rezepturarzneimittel — wie Nabinol oder Dronabinol — gegenüber Blüten deutlich im Vorteil: Blüten müssten erhitzt werden, damit sich die Tetrahydrocannabinol (THC)-Säure der Pflanze in das aktive THC umwandelt. Bei der Inhalation von THC sei vor allem die „Begrüßungsdosis“ im Vergleich zur oralen Einnahme sehr hoch. Das sei der Kick, den Freizeitkonsumenten wünschten. „Der Patient bekommt so 10–15 mal mehr als man ihm geben will. Ich habe starke Zweifel, ob das sinnvoll ist“, kritisierte Gottschling.

Auf einer von Bionorica ethics unterstützten Veranstaltung stellte der Palliativmediziner Studien vor, in denen Wirkung und Wirksamkeit von THC/Dronabinol beschrieben wurde. Die adjuvante Therapie mit Dronabinol führte in einer Studie bei Patienten mit chronischen Schmerzen etwa zu einer deutlich stärkeren Verringerung der Schmerzintensität als Placebo. In der zweiten Phase der Studie erfolgte eine kontinuierliche Schmerzreduktion bei gleichzeitig sinkender Nebenwirkungsrate [Narang S et al. J Pain 2008;9:254-64]. In einer anderen Studie mit 170 Patienten mit chronischen Schmerzen habe die Add-on-Therapie mit Dronabinol die Zahl der Ko-Analgetika von im Mittel 4,2 auf 1,0 gesenkt, ebenfalls sank die Schmerzintensität [Weber J et al. Anesthesiol Res Pract 2009; pii: 827290].

Dosierung und Titrierung von Cannabinoiden müssten individuell erfolgen. „Niedrig starten, langsam steigern“, riet Gottschling. Die Nebenwirkungen medizinischer Cannabinoide seien bei einschleichender individueller Dosis meist mild und klängen im Laufe der Therapie ab. „Die Suchtgefahr ist sehr gering“, betonte er. Zudem seien die Risiken in der Regel auf inhalative Anwendungen begrenzt.

Die Webseite zum Expertenkonsens „Medizinischer Einsatz von Cannabinoiden“: www.cannabinoid-colleg.de

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„Niedrig starten, langsam steigern“ — so lässt sich Cannabis sicher verabreichen.

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