Gerade 81 Jahre alt geworden, starb am 8. Dezember 2018 Professor Dr. med. Hans Ulrich Gerbershagen nach längerer Krankheit und wurde am 17. Dezember in Mainz-Finthen zu Grabe getragen. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin verneigt sich vor einem der herausragendsten Pioniere der Schmerzmedizin. Sein Name wird für immer verbunden bleiben mit dem Beginn der multidisziplinär organisierten Schmerzmedizin in Deutschland, wie wir sie bis heute kennen.

Der gebürtige Nordrhein-Westfale erblickte am 12. November 1937 das Licht der Welt. Er studierte in Wien Medizin und weiter bis zur Promotion in Marburg. Die Ideen zur späteren ersten Gründung einer fachübergreifend integrierenden Schmerzmedizin in Deutschland reiften während seines Internships an der Universität in Seattle/USA. Als es in Deutschland noch nicht einmal Fachärzte für Anästhesie gab, hatte dort der Nestor der Schmerzmedizin, der Facharzt für Anästhesie Professor John J. Bonica („The Management of Pain“), schon die Idee der Institutionalisierung von multidisziplinären „pain centers“ oder „pain clinics“. An der University of Washington School of Medicine/Seattle gründete er die erste derartige Schmerzabteilung; bis 1977 standen in den USA dann schon 175 dieser Zentren. Professor Gerbershagen war mit diesem System gut vertraut, als er 1968 an die Universität Mainz kam, wo er 1971 mit einer lungenphysiologischen Arbeit habilitierte.

Beginn der Schmerzmedizin in Deutschland

Unter Professor Rudolf Frey gründete Hans Ulrich Gerbershagen 1970 an der Universitätsklinik Mainz zunächst den chirurgischen „Blockaderaum“ als erste offizielle „Schmerzambulanz“. Die ersten Schmerztherapeuten nutzten zunehmend auch andernorts im Wesentlichen die diagnostischen und therapeutischen Methoden der Lokal- und Leitungsanästhesie zur Behandlung akuter und chronischer Schmerzen. Folgerichtig war Professor Gerbershagen auch einige Jahre lang Präsident der Akademie für Neuraltherapie diagnostisch-therapeutische Lokalanästhesie e.V. und widmete sich unter anderem der Standardisierung und Lehre in diesen Verfahren.

Aus der Erkenntnis multifaktorieller Ursachen von Schmerzen entwickelte Gerbershagen einen ersten Schmerzfragebogen und das Mainzer Multiaxiale Diagnosesystem (MMDS) für eine standardisierte Schmerzdiagnostik. Offiziell ist die „Mainzer Schmerzklinik“ dann 1972 an der Abteilung für Anästhesie der Universität implementiert worden. Es sollte aber noch weitere zehn Jahre dauern, bis es zur Umsetzung des lange gehegten Plans einer eigenen Schmerzklinik kam.

Im Jahre 1981 beschloss das Landeskabinett von Rheinland-Pfalz die Gründung einer Schmerzklinik im DRK Alice-Hospital zu Mainz. Professor Gerbershagen übernahm die Leitung des nun ersten Schmerzkrankenhauses in Deutschland, der DRK Schmerzklinik Mainz. Zusammen mit Professor Frey hatte er einen teils ausgesprochen steinigen Weg beschritten, bis es endlich soweit war. Professor Gerbershagen emanzipierte die Schmerzmedizin auch institutionell als „pain clinic“ vom Fach Anästhesie, indem er multiprofessionelle Behandlungs- und Diagnostikmethoden integrierte — darunter die Orthopädie, Neurologie, Neurochirurgie, Anästhesiologie Psychotherapie und Physiotherapie. Seine Spezialklinik zur Behandlung akuter und chronischer Schmerzen verfügte über 80 stationäre und 20 teilstationäre Bette sowie eine Ambulanz mit circa 4.000 Patientenvorstellungen pro Jahr. Professor Gerbershagen leitete die Klinik, bis er sie 2004 an Professor Hans-Raimund Casser übergab, um sich in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden.

Ewig mit der Schmerzmedizin verbunden

Gerbershagens Name steht für den Beginn einer in Diagnostik und Therapie fachübergreifenden, multidisziplinären Schmerzmedizin in Deutschland. Das von ihm entwickelte „Mainz Pain Staging System“ (MPSS), eine Stadieneinteilung des Schweregrades chronischer Schmerzen — der „Chronifizierungsgrad nach Gerbershagen“, wie man ihn gemeinhin auch nennt — wird für immer mit seinem Namen verbunden bleiben und ist noch immer im Gebrauch. Professor Gerbershagen gehörte zu den Gründungsmitgliedern der International Association for the Study of Pain (IASP) und der Deutsche Schmerzgesellschaft (DSG) und wurde durch zahlreiche wissenschaftliche Preise sowie das Bundesverdienstkreuz geehrt. Ein Leben gegen den Schmerz! Danke, Hans Ulrich Gerbershagen!