Beginnen, bevor das Fass überläuft

Ein zentraler Bestandteil der KVT bei Migränepatienten ist die Psychoedukation. Dabei könne, so Liesering-Latta, etwa das Diathese-Stress-Modell erklärt werden: Durch das Zusammenspiel von Diathese — das heißt erhöhte Reizsensitivität sowie gestörte Habituation — und Stress durch innere und äußere Reize komme es zur Überschreitung der Migräneschwelle und eine Attacke werde ausgelöst. Liesering-Latta beschreibt das anhand des Bilds vom überlaufenden Fass. Dabei gehe es darum, den Aufmerksamkeits- und Lernfokus auszuweiten und nicht nur die Faktoren zu beachten, die unmittelbar vor der Attacke stehen, etwa ein extremer Wechsel von An- zu Entspannung, sondern auch all das, was das Fass nach und nach füllt: Eine ständig erhöhte Grundanspannung, unregelmäßige Mahlzeiten, Schlafmangel, reizintensive Situationen, Hektik, Aufregung, Angst oder Ärger. Während der KVT erkunden die Betroffenen, welche dieser Faktoren sie verändern können, um das Volllaufen frühzeitig zu entschleunigen, etwa durch regelmäßige Pausen und Entspannungsübungen.

Beachtliche Effektstärken

In Studien zur Behandlung der Migräne hat die KVT eine Reduktion der Krankheitsaktivität um rund 40 % und beachtliche Effektstärken von etwa 0,5 erzielt. Auch die kopfschmerzassoziierten psychischen Beeinträchtigungen und Symptome gingen unter der Behandlung zurück. Die positiven Effekte der KVT waren stabil und noch nach Jahren nachweisbar. Wesentliche Wirkfaktoren waren dabei die Steigerung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung und der Abbau katastrophisierender Gedankenschleifen. Menschen unter schweren Alltagsbelastungen, mit depressiven Symptomen und maladaptivem Bewältigungsverhalten profitieren Liesering-Latta zufolge besonders von einer KVT.