_ Seit März 2017 kann medizinisches Cannabis (Cannabis-Blüten sowie gut definierte Cannabis-Extrakte wie Dronabinol, Nabiximol und Nabilon) in Deutschland auf Betäubungsmittelrezept verordnet werden. Ziel dieser Gesetzesneuerung war es, das Leiden schwerstkranker Patienten zu lindern, berichtete Dr. Marc Seibolt, Schmerztherapeut am Algesiologikum in München. Er kritisierte, dass der Einsatz dieser neuen Therapieoption in der täglichen Praxis häufig durch bürokratische Erstattungsverfahren erschwert wird. So wird derzeit jeder dritte Antrag von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) negativ beschieden, obwohl die Kostenübernahme laut Gesetz die Regel sein sollte. Nicht im Gesetzestext vermerkt sei auch eine Befristung der kassenärztlichen Leistung. Diese „holprige“ Erstattungspraxis führe dazu, dass viele Ärzte ihren Patienten Cannabinoide nur zögerlich verordnen.

Wie Professor Sven Gottschling, Chefarzt am Zentrum für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie in Homburg/Saar, ausführte, kann medizinisches Cannabis bei einem breiten Spektrum belastender Symptome eingesetzt werden: von chronischen Schmerzen und Spastiken über Inappetenz, Übelkeit und Erbrechen bei Krebspatienten bis hin zu psychischen Störungen wie Angst, Unruhe und Schlaflosigkeit.

Die vielfältigen Wirkungen der Cannabinoide beruhen vor allem darauf, dass es fast überall im Körper Rezeptoren für sie gibt. Eine Ausnahme bilde das Stammhirn, erklärte Gottschling weiter, ein Grund dafür, dass eine Überdosierung mit Todesfolge kaum möglich sei. Der Schmerz- und Palliativmediziner bezeichnete Cannabinoide als sehr sichere Medikamente mit guter Langzeitverträglichkeit. So könne man Patienten gerade in der palliativen Situation wirksam mit einem nebenwirkungsarmen Präparat helfen.

Die Studienlage sei zwar noch dünn, sie rechtfertige aber durchaus den individuellen Einsatz bei schwerkranken Patienten, bei denen verschiedene andere Therapien versagt haben. „Cannabis sollte nicht mit der Gießkanne ausgeschüttet werden, sondern mit Augenmaß für ausgewählte Patienten“, urteilte Gottschling abschließend.