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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich freue mich, Ihnen als Herausgeber dieses Heftes einen Überblick über wichtige Kompressionssyndrome geben zu können. Neben dem Dank an die Autoren der einzelnen Beiträge möchte ich mich in diesem Editorial jedoch auch inhaltlich der Thematik im Überblick widmen.

Vaskuläre Kompressionssyndome sind insgesamt seltene Krankheitsbilder, und ihre Symptomatik ist nur selten so spezifisch, dass der Behandler vor dem Eingriff exakt weiß, welche Struktur das primär auslösende Agens für die Beschwerden ist. Das macht die Behandlung zu einer Herausforderung – entsprechend sind ausbleibende oder nicht ausreichende Behandlungserfolge nicht selten. Es wundert daher nicht, dass viele dieser Krankheitsbilder zentralisiert in Einrichtungen behandelt werden, die sich auf diese Erkrankungen fokussiert haben. Leider sind die Mitteilungen aus der Literatur jedoch so spärlich, dass die wissenschaftliche Evidenz mehr ein eminenzbasiertes Wissen ist, als dass dieses auf fundiert erhobenen kontrollierten Daten gründen würde. Unnötig daher auch zu erwähnen, dass Leitlinien zur Diagnostik und Therapie zum einen spärlich und zum anderen auf sehr niedrigen Empfehlungsgraden beruhen – Sie werden es in dem CME-Artikel zu dieser Thematik am Ende des Heftes lesen. Beispielhaft sei hier der Beitrag von Herrn Prof Scholbach und Prof Sandmann genannt, den wir bewusst in dieses Heft platziert haben: diese Arbeit basiert – obwohl sehr elaboriert und gründlich erhoben, mit Ernsthaftigkeit und intensiv bearbeitet – ausschließlich auf Erfahrungen zweier Mediziner: der eine Pädiater, der sich auf die sonographische Diagnostik intestinaler Kompressionssyndrome spezialisiert hat und hier auch eigene Ultraschallprogramme zur Beurteilung der funktionellen Bedeutung entwickelt hat, der andere – Sie kennen ihn alle – seit vielen Jahren emeritierter Ordinarius für Gefäßchirurgie, der an unterschiedlichen Einrichtungen eigene neue Erfahrungen in der operativen Therapie dieser Syndrome machte. Bisher sind die Erkenntnisse aus dieser Tätigkeit von Anderen nicht nachvollzogen, geschweige denn bestätigt worden. Aus diesem Grund hätte ich gerne einen kritischen Kommentar zu dieser Arbeit platziert – aber alle angefragten Kolleginnen und Kollegen haben abgesagt. Dies ist natürlich nicht mangelndem Willen oder Interesse geschuldet, fast alle haben zunächst Bereitschaft signalisert. Es könnte aber Hinweis dafür sein, dass die erforderliche Nachhaltigkeit in der Beurteilung dieser Arbeit schwer erreichbar ist. Nehmen Sie diese Arbeit daher als einen ernsthaften Denkanstoß: die intellektuelle Auseinandersetzung mit den möglichen anatomischen Ursachen, ihren funktionellen Auswirkungen sowie die Gedanken zur Behandlung sollten Anlaß zum Nachdenken geben – ohne von vornherein die hier präsentierten Überlegungen und Erfahrungen gleich pauschal und unreflektiert in die ewigen Jagdgründe zu verdammen. Sie sehen: ich wollte Ihnen diese Auseinandersetzung bewusst nicht vorenthalten – bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil; wissenschaftliche Journale sind dazu da, wissenschaftlichen Diskurs zu führen!

Wissenschaftliche Journale sind dazu da, wissenschaftlichen Diskurs zu führen!

Ganz anders stellt sich die Situation beim Dunbar-Syndrom als dem wohl am besten – auch vergleichend – erforschten Syndrom der intestinalen Kompressionssyndrome, beim Poplitea-Entrapment und auch bei den thorakalen Kompressionssyndromen dar. Diese allesamt sehr schönen Übersichten bleiben daher unkommentiert.

Dieses Heft soll Ihr Augenmerk auf diese seltenen Erkrankungen schärfen – in dem Bewusstsein, dass hier aus Platzgründen bei weitem nicht alle vaskulären Kompressionssyndome dargestellt werden konnten. Die exakte Anamnese kann wichtige Hinweise liefern und Ihnen Hilfestellung für die adäquate bildgebende Diagnostik geben. Die immer invasive und in aller Regel konventionell chirurgisch durchzuführende Therapie muss präoperativ so gut wie möglich spezifiziert werden. Die äußerst genaue Diagnostik ist also neben der operativen Expertise und exakten Kenntnis der Anatomie entscheidend für den Therapieerfolg. Machen wir uns in diesem Zusammenhang auch noch einmal klar, dass es sich hier in der Regel um junge Patientinnen und Patienten handelt, die oftmals auch sportlich aktiv sind: Es geht hier um die Wiedergewinnung von vielen Jahren Lebensqualität.

Kompressionssyndrome sind also trotz ihrer Seltenheit ein wichtiger Teil unseres Faches. Sie werden beim Studium der Beiträge mit Sicherheit wichtige neue Erkenntnisse erhalten. So wünsche ich Ihnen eine interessante Lektüre und danke an dieser Stelle nochmals allen Autorinnen und Autoren für Ihre Bereitschaft, an diesem Heft mitzuwirken.

Mit herzlichen Grüßen aus Hamburg,

Ihr Sebastian Debus