In einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse zu insgesamt 28 randomisierten und kontrollierten Studien (RCT) konnten Katsanos et al. [4] kürzlich nachweisen, dass das Langzeitgesamtüberleben 2 Jahre (12 RCT, 2316 Patienten) bzw. 5 Jahre (3 RCT, 863 Patienten) nach Anwendung eines Paclitaxel-beschichteten Devices zur Behandlung der femoropoplitealen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) signifikant schlechter war als bei Anwendung eines unbeschichteten Devices. Die Einzelergebnisse und statistischen Parameter dieser interessanten Arbeit dürften dabei weniger interessiert haben als die Kernaussage der Autoren: Paclitaxel auf Ballons und Stents erhöht möglicherweise die Sterblichkeitsrate bei Anwendung in der femoropoplitealen Strombahn. Die Anwendung beschichteter Stents oder Ballons zur Behandlung femoropoplitealer Läsionen in den gültigen Praxisleitlinien [1, 3] ist bisher durchaus noch zurückhaltend empfohlen worden und hat dabei primär die technischen Vorteile berücksichtigt, wobei man sich z. B. auf Ergebnisse aus ZILVER PTX RCT oder IN.PACT SFA bezogen hatte [2, 5]. Weniger eindeutig blieben unter anderem die patientenrelevanten Ergebnisse (z. B. Sterblichkeit, Lebensqualität) sowie der Stellenwert für die Behandlung kruraler Läsionen. Die aktuelle Metaanalyse stellt nun erstmals einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der femoropoplitealen Applikation von Paclitaxel-Devices und einer erhöhten Gesamtsterblichkeit nach mehreren Jahren Follow-up her und eröffnet damit eine breite internationale Kontroverse über die Methodik prospektiver Erhebungen, die Qualität von RCT und den Nutzen von Produktregistern. Angesichts der zunehmenden Anzahl von etwa 100.000 Patienten in Deutschland, die jährlich mit peripheren Interventionen revaskularisiert werden (eigene Routinedatenanalysen), erscheint diese Debatte auch für die deutsche Versorgungssituation notwendig und sinnvoll. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der Medical Device Regulation der Europäischen Union (MEDDEV), die kürzlich in Kraft getreten ist und die Nutzung der sog. Real-World-Evidence für Vormarkt‑, Nachmarkt- und andere Produktstudien einführt. Mit dem 2015 in den USA gegründeten Medical Device Epidemiology Network (MDEpiNet) findet gegenwärtig ein intensiver Austausch zur Nutzung von Register- und Routinedatenquellen in der Qualitätsentwicklung und Versorgungsforschung zu Medizinprodukten statt [6]. Nach der Gründung von Zentren in den USA, Kanada, Australien und Japan soll diese Initiative zeitnah auch in Deutschland etabliert werden. Bei einem ersten Gipfeltreffen von Vertretern aus Medizin, Industrie, Kostenträgern, Fachgesellschaften und Politik sollen am 1. November 2019 Lösungen diskutiert werden, wie Real-World-Evidence in der kardiovaskulären Medizin sinnvoll eingesetzt werden kann und welche Perspektiven mit deren Nutzung künftig verbunden sein können (www.mdepinet.de).

Passend zu dieser kontroversen wissenschaftlichen Debatte hat die Arbeitsgruppe um Matthias Trenner aus München einen schönen Übersichtsartikel zu Stärken und Schwächen von Sekundärdatenanalysen zusammengestellt. Professor Hans-Heinrich Trute, renommierter Rechtswissenschaftler und Experte für Gesundheits- und Sozialrecht an der Universität Hamburg, beleuchtet dabei den Stellenwert von Real-World-Evidence im deutschen Sozialrecht und bietet damit einen Einblick in die Perspektive von Rechtswissenschaft und Gesetzgebung. Unsere Arbeitsgruppe aus Hamburg beschreibt die RABATT-Studie, die intelligente selbstlernende Risikoscores zur Behandlung der PAVK an Register- und Routinedaten entwickelt.

Nach der Gründung (2015/USA) expandiert MDEpiNet derzeit nach Kanada, Australien, Japan und Deutschland

Zweifellos befindet sich die gefäßchirurgische Versorgungsforschung und Qualitätsentwicklung derzeit in einer spannenden Ausgangssituation, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden.

Viel Spaß beim Lesen!

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Dr. med. C.-A. Behrendt

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Prof. Dr. E.S. Debus