Es ist Aufgabe der Rechtsprechung, die Lebenswirklichkeit nach Recht und Gesetz zu beurteilen oder mit den Worten des ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs (BGH), Prof. Günter Hirsch, die Gesellschaft nicht wie sie ist, sondern wie sie nach Recht und Gesetz zu sein hat, widerzuspiegeln.Footnote 1

Das Spannungsverhältnis zwischen „gelebter“ Praxis, die häufig als Rechtswirklichkeit wahrgenommen wird und den gesetzlichen Anforderungen kennzeichnet das Gesundheitswesen. Häufig sind es ökonomische Gründe, die für das Abweichen der Lebenswirklichkeit von den rechtlichen Vorgaben verantwortlich sind. Das belegen die beiden aktuellen Entscheidungen des BGH zum „Honorararzt als Wahlarzt“Footnote 2 und des Bundessozialgerichts zur BAA-RichtlinieFootnote 3. In beiden Fällen geht es um Fragen der Vergütung medizinischer Leistungen.

Honorararzt ist kein liquidationsberechtigter Wahlarzt

Der BGH hatte zu entscheiden, ob ein Honorararzt berechtigt ist, die von ihm stationär erbrachten operativen Leistungen als Wahlarzt zu liquidieren. Zu dieser in Fachkreisen kontrovers diskutierten Frage gab es bisher keine abschließende höchstrichterliche EntscheidungFootnote 4. Nunmehr ist die Frage entschieden. Der Honorararzt ist kein Wahlarzt, weil er nicht zu dem Kreis der in § 17 Abs. 3 S. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) abschließend aufgezählten Arztgruppen zählt: iudex locuta, causa finita. Operative Leistungen, die der Honorararzt aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit dem Krankenhaus stationär erbringt, sind keine Wahlleistungen. Weder das Krankenhaus noch der Honorararzt selbst können mit dem Patienten hierüber eine gesonderte Vergütung vereinbaren.

Erfüllt der Honorararzt mit der Behandlung des Patienten die medizinische Hauptleistung, so handelt es sich um keine von einem liquidationsberechtigten Krankenhausarzt veranlasste Nebenleistung. Die Liquidationsberechtigung der „Wahlarztkette“ hilft nicht weiter.

Befürworter des Liquidationsrechts beriefen sich auf § 2 KHEntgG. Wenn der Gesetzgeber durch die Änderung des § 2 KHEntgG es auch externen Ärzten ermöglicht, Krankenhausleistungen zu erbringen, so müssten die nicht im Krankenhaus angestellten Ärzte ebenso wie die fest angestellten Ärzte berechtigt sein, ihre Leistungen als Wahlärzte liquidieren zu dürfen. Der BGH lässt diese Argumentation nicht gelten: Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich eindeutig, dass lediglich allgemeine Krankenhausleistungen von nicht im Krankenhaus angestellten Ärzten erbracht werden dürfenFootnote 5. Deshalb sei nach dem Willen des Gesetzgebers das Wahlleistungsrecht nach wie vor den im Krankenhaus fest angestellten Ärzten vorbehalten.

Das Wahlleistungsrecht bleibt den im Krankenhaus fest angestellten Ärzten vorbehalten

Für die Zukunft bedeutet die BGH-Entscheidung, dass von den erhofften Vergütungschancen des Honorararztes als Alternative zum „klassischen“ Belegarztsystem nicht viel übrig bleibt. Damit wird die allseits geforderte und für die medizinische Versorgung außerhalb der Ballungsgebiete notwendige „Verzahnung der Sektoren“ erschwert.

Keine Vergütung einer Krankenhausbehandlung bei Verstoß gegen Qualitätsrichtlinien

Das BSG hat mit seinem aktuellen Urteil vom 01.07.2014 die Qualitätssicherungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum Bauchaortenaneurysma (QBAA-RL)Footnote 6 scharf geschaltet, indem es feststellt, dass die Vergütung nicht lediglich gemindert wird, sondern vollständig entfällt, wenn das Krankenhaus die Anforderungen der QBAA-RL auch nur teilweise nicht erfüllt.

Den Nachweis, dass die Voraussetzungen der QBAA-RL erfüllt werden, hat das Krankenhaus gegenüber den Krankenkassen vor Ort im Rahmen der jährlichen Pflegesatzverhandlungen zu führen und die Erfüllung der sachlichen und personellen Anforderungen in einer Konformitätserklärung (Anlage 2 zur QBAA-RL) zu versichern.

Der MDK ist berechtigt, vor Ort eine Qualitätssicherungsprüfung nach § 275 Abs.4 SGB V durchzuführen und anhand von Unterlagen die Angaben des Krankenhauses in der Konformitätserklärung zu überprüfen.

Da sich das BSG als Revisionsinstanz nur mit Rechtsfragen befasst, hat es den Rechtsstreit an das Hessische Landessozialgericht zurück verwiesen, damit geklärt wird, inwieweit das Krankenhaus die Voraussetzungen der §§ 4 und 5 der QBAA-RL im Zeitpunkt des Eingriffs, für den die Vergütung verlangt wird, erfüllt hat.

Fazit für die Praxis

Konsequenz der Entscheidung des BSG:

  • In Zukunft ist davon auszugehen, dass bereits das Abweichen von einer der in der QBAA-RL genannten personellen oder organisatorisch infrastrukturellen Anforderungen ausreicht, um den Anspruch auf Vergütung der elektiven Versorgung des Bauchaortenaneurysmas vollständig auszuschließen.

  • Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allenfalls dann denkbar, wenn den gesetzlichen Krankenkassen bzw. dem MDK im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen das Defizit gegenüber den Anforderungen aus der QBAA-RL bekannt war und gleichwohl die elektive Versorgung von Patienten mit Bauchaortenaneurysma in die Pflegesatzvereinbarung aufgenommen wurde.