Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Gefäßmedizin hat es in den letzten 20 Jahren bekanntermaßen stürmische Entwicklungen gegeben. Nicht nur das Wissen um die Erkrankungen hat sich vermehrt, auch die technischen Möglichkeiten haben sich in der Tiefe und Breite ihrer Anwendung enorm entwickelt. Erfahrungen und perioperatives Wissen haben sich ebenfalls so gesteigert, dass sich in vielerlei Hinsicht ein Paradigmenwechsel in Diagnostik und Therapie ergeben hat. Diese Entwicklung hat nicht nur eine dramatische Veränderung des diagnostischen und therapeutischen Prozederes ergeben, sondern bedingt in logischer Konsequenz auch ein völliges Umdenken in Bezug auf Aus- und Weiterbildung in der Folgegeneration. Die Weiterbildungsordnung vergangener Jahre wird den Anforderungen dieser Veränderungen nicht mehr gerecht. Dies betrifft Inhalte, aber auch Art und Quantität der Tätigkeiten, die zu einem selbstständigen Arbeiten erlernt werden müssen.

Die Weiterbildungsordnung wird den veränderten Anforderungen nicht mehr gerecht

Diesen Paradigmenwechsel, der auch eine Anpassung der Weiterbildungsordnung erforderlich macht, hatten wir bereits im Heft 4/2013 dargestellt. Hiervon sind nicht nur neue, fachliche Inhalte der Weiterbildungsordnung betroffen, sondern auch die Anforderungen an die Weiterbilder und die Weiterbildungsstätten, die den Realitäten angepasst werden müssen.

Die Analyse der aktuellen Rahmenbedingungen für Weiterbildung zeigt, dass nur sehr wenig Transparenz hinsichtlich der Effektivität und der Qualität der Weiterbildung in den unterschiedlichen Weiterbildungsstätten besteht. Klare Vorgaben zu den personellen und infrastrukturellen Anforderungen gibt es nicht und es wird auch nicht klar formuliert, über welche didaktischen und klinischen Fähigkeiten die Weiterbilder verfügen müssen. Weiterhin fehlen klare Vorgaben zur kontinuierlichen Evaluierung des individuellen Lehrerfolges wie auch der Weiterbilder bzw. der Weiterbildungsstätten. Obwohl Qualitätsmanagement in vielen Bereichen der Medizin bereits einen hohen Stellenwert hat, findet es im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung (z.B. „Zertifizierte Weiterbildungseinrichtung“) bislang keine Anwendung. Dabei könnte die Implementierung von QM-Systemen in die ärztliche Weiterbildung durchaus vielversprechend sein und sicherstellen, dass die Weiterbildungseinrichtungen sämtliche Voraussetzungen und Anforderungen erfüllen und sich die lokalen Weiterbildungsstrukturen im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses stetig weiterentwickeln. Welche qualitätsbestimmenden Faktoren die Grundlage für eine innovative Ausbildung darstellen könnten, werden in einem der Beiträge ausführlich diskutiert.

Der aktuelle, gesellschaftliche Diskurs bezüglich der Patienteninteressen und -rechte verlangt moderne Wege zum Erwerb praktischer Fähigkeiten und eine Sicherstellung der entsprechenden Qualifikation bei Abschluss der Weiterbildung. Die Sensibilität bei der öffentlichen Wahrnehmung von Behandlungsfehlern und Fehlindikationen in der Medizin ist in den letzten Jahren, nicht zuletzt auch durch das Internet, stark gestiegen. Ein „learning by doing“ am Patienten wie auch Behandlungsfehler durch mangelnde Qualifikation sind für Patienten nicht hinnehmbar und schaden dem Ansehen der operativen Fachdisziplinen. Ein intensives Training ist somit essenziell und muss dem Ausbildungsstand schrittweise angepasst werden. Dabei müssen nicht alle Fertigkeiten und Lehrinhalte am Patienten selbst vermittelt werden. Eine Vielzahl von Möglichkeiten zum patientenfernen aber dennoch realistischen Lernen haben sich in den letzten Jahren etabliert und reichen von der einfachen Trockenübung des Knotens, über virtuelle Tätigkeiten und Übungen an Simulatoren, bis hin zum mentalen Training. In welcher Art und Weise solche modernen Lehr- und Trainingsmethoden die klinische Weiterbildung effektiv begleiten können, wollen wir ebenfalls mit einem Beitrag darstellen.

Trainingsmöglichkeiten sind dann gut, wenn sie reproduzierbare Ergebnisse ermöglichen. Dazu bedarf es von den Fachgesellschaften erstellter standardisierter Curricula und abgestufter Konzepte, die eine anwenderbezogene Weiterbildung variabel ermöglichen. Wie so ein Konzept, das diese Elemente aufnimmt, aussehen kann, können Sie rein praxisbezogen in einem Beitrag über das System „Vascular International“ nachlesen

Blickt man über die Grenzen Deutschlands hinaus, so wird schnell klar, dass die oben angesprochenen Probleme eine internationale Dimension besitzen und in vielen Ländern lebhaft diskutiert werden. Somit stehen wir deutschen Kolleginnen und Kollegen mit diesem Problem nicht alleine da. Aber wie geht man in anderen Ländern mit dieser Problematik um? Welche Lösungsmöglichkeiten haben exemplarisch Engländer gefunden und welchen Ansatz verfolgt die europäische Gesellschaft, um den jetzigen Anforderungen einer zukunftsorientierten Weiterbildung zu begegnen?

Es ist uns gelungen, renommierte Autoren zu finden, die uns auch hierzu Auskunft geben werden. Armando Mansilha wird in einer zukünftigen Ausgabe von Gefässchirurgie die Sichtweise der UEMS und die Voraussetzungen zu der europäischen Facharztprüfung darlegen. Peter Lawrence wird – ebenfalls in einer späteren Ausgabe – dann auf die Situation in Großbritannien Bezug nehmen.

Mit den Leitthemenbeiträgen dieses Heftes richten wir uns an all diejenigen, die in der Weiterbildung für sich, aber auch für andere einen Schwerpunkt des ärztlichen Auftrags sehen, und es nicht nur als Last, sondern auch als Ehre ansehen, der nächsten Generation Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln. Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. I. Flessenkämper

Prof. Dr. T. Koeppel