Die Therapie chronischer Wundheilungsstörungen stellt im Zeitalter knapper Finanzmittel ein großes medizinisch-ökonomisches Problem dar. Man rechnet in Deutschland mit 2,5–3 Mio. Menschen, die an chronischen Wunden leiden. Die Behandlung dieser Patienten kostet das Gesundheitswesen ca. 4–5 Mrd. € jährlich. Die indirekten Kosten (u. a. Krankheitstage, Rehabilitation, Prophylaxe) kommen zu dieser Rechnung noch hinzu. Die meist monate- bis jahrelange Leidensgeschichte der Patienten wird von täglichen, oft schmerzhaften Verbandswechseln bestimmt. Ein dauerhafter Therapieerfolg bleibt dabei – definitionsgemäß – in der Regel aus.

Dies führt zu Frustrationen bei Patienten und Therapeuten. Der betroffene Patient steht im Abseits von Medizin und Gesellschaft. Die unzureichenden Vergütungsmöglichkeiten der Therapie chronischer Wunden runden das Bild ab.

Dabei haben chronische Wunden meist eine vaskuläre Ursache – die Behandlung fällt somit in unser ureigenstes Fachgebiet!

Chronische Wunden haben meist eine vaskuläre Ursache

Die medizinische Behandlung orientiert sich zunehmend an den konsentierten Leitlinien der beteiligten Fachgesellschaften. Da das Management chronischer Wunden ein interdisziplinärer und interprofessioneller Prozess ist, gestaltet sich die Erstellung konsentierter Leitlinien in diesem Bereich äußerst schwierig. Demzufolge existieren weitgehend ausschließlich entweder Leitlinien einzelner Fachgesellschaften (i. e. Phlebologie), zu definierten Behandlungen (i. e. VAC-Therapie) oder lokale Leitlinien zur internen Verwendung. Zusammenfassend lässt sich grundsätzlich jedoch feststellen, dass neben der lokalen Behandlung von chronischen Wunden zuvor eine genaue Ursachenabklärung erforderlich ist. Lokale, allgemeine, medikamentöse und mechanische Faktoren, die die Wundheilung beeinträchtigen (s. oben), müssen so weit wie möglich ausgeschaltet werden. Auch die Ulkuslokalisation lässt Rückschlüsse auf die Genese zu (Dekubitalulkus an der Ferse). Erst wenn die prädisponierenden Faktoren für die Entstehung einer chronischen Wunde so weit wie möglich ausgeschaltet sind (Revaskularisation beim arteriellen Ulkus, Varizenoperation beim venösen Ulkus, Druckentlastung etc.), kann eine lokale Wundbehandlung (s. unten) sinnvoll durchgeführt werden.

Die Grundsätze in der Wundbehandlung haben durch die Entwicklung von Okklusionsverbänden ihren Niederschlag erfahren, die in sämtlichen Leitlinien Erwähnung finden. Erreicht wird mit derartigen Verbänden ein semiokklusives Milieu, sodass die Wunde zwar atmen, aber keine Feuchtigkeit abgeben kann. Hierdurch werden die Forderungen an eine feuchte Wundbehandlung in optimaler Weise erfüllt. Zusätzliche Forderungen an moderne Wundauflagen sind: keine Abgabe von Fremdstoffen, keine Sensibilisierung, atraumatische Entfernbarkeit und ökonomische Effizienz. Diese passiven Wundauflagen werden ergänzt durch aktive und interaktive Wundauflagen. Interaktive Wundauflagen besitzen Wirkstoffe, die ihrerseits einen speziellen Effekt auf den Heilungsprozess besitzen (z. B. Antibiotikum, Antiseptikum, Geruchsabsorber). Hierzu zählen auch Auflagen, die Flüssigkeit in die Wunde abgeben können. Die jüngste Generation von Wundauflagen enthalten Wachstumsfaktoren, Enzyme oder Proteinasen, um die Wundheilung zusätzlich aktiv zu stimulieren.

Neben diesen Auflagen finden Verbandssysteme Verwendung, die das Gewebe in der Wunde selbst vitalisieren und so ein günstiges Milieu für eine heilende Wunde schaffen. Hierzu zählen unter anderem die Madentherapie, die Vakuumtherapie und die Elektrostimulation, die in dem von A. Larena et al. beschriebenen Ansatz intelligent mit der feuchten Wundbehandlung verknüpft ist. Alle diese Verbandsformen sind – abgestuft eingesetzt – sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich verfügbar. Die moderne Wundbehandlung stellt den Therapeuten somit vor ein reichhaltiges Armamentarium von Verbandsstoffen und technischen Hilfsmitteln, die aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften differenziert zum Einsatz kommen müssen.

Die moderne Wundbehandlung stellt den Therapeuten ein reichhaltiges Instrumentarium von Verbandsstoffen und technischen Hilfsmitteln zur Verfügung

Neben diesen lokalen Wundbehandlungsansätzen wurden weitere Techniken entwickelt, die im Rahmen interdisziplinärer Therapiekonzepte interessante Alternativen aufzeigen – der Beitrag von W. Lang et al. gibt einen eindrucksvollen Einblick in zukunftsweisende chirurgische Möglichkeiten. Alle diese Anstrengungen müssen das Ziel haben, die seit 20 Jahren geforderte Reduktion der Amputationsrate um 50% (St.-Vinzenz-Deklartion) zu erreichen – eine Forderung, die bis heute in Deutschland statistisch bei weitem nicht umgesetzt ist!

Der differenzierte Einsatz erfordert neben eingehendem Sachverstand eine langjährige Erfahrung in der Behandlung chronischer Wunden, idealerweise in einer medizinischen Zentrumsstruktur. Integrierte Versorgungsformen könnten eine ideale Möglichkeit zur breiten regionalen Realisierung dieser Ziele darstellen. Die Therapie chronischer Wunden in eigens hierfür spezialisierten Zentren kann eine wichtige Voraussetzung für den Therapieerfolg darstellen. Studien aus dem In- und Ausland konnten schlüssig belegen, dass durch eine Spezialisierung eine deutliche Effizienzsteigerung der Therapieverläufe erreicht werden kann – mit einer Reduktion der Amputationsraten um über 80%!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben dieses Heft bewusst unter dieses Schwerpunktthema gestellt: Wir haben in der Behandlung chronischer vaskulärer Wunden einen großen Handlungsbedarf!

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

Prof. Dr. E. S. Debus

Schriftleiter