Die sichere Lagerung radiotoxischer Abfälle in tiefengeologischen Formationen und deren bestmögliche Isolierung von der Biosphäre ist eine der dringendsten Herausforderungen der Gesellschaft und wird insbesondere auch die Umwelt- und Geowissenschaften in den nächsten Dekaden intensiv beschäftigen. Betroffen sind Volkswirtschaften, die weiterhin Kernenergie nutzen oder sogar ausbauen, aber auch solche, die aus der Kernenergie ausgestiegen sind. Daher werden die Aktivitäten zur Suche und Einrichtung von geologischen Tiefenlagern weltweit vorangetrieben, insbesondere für hochradioaktive Abfälle (HAA). Die einzelnen Länder befinden sich in unterschiedlichen Stadien des Standortauswahlprozesses und nur in wenigen ausgewählten Ländern sind bereits Standorte identifiziert worden. Mit dem Entwicklungsstadium des Standortauswahlprogramms einhergehend sind neue Methodenentwicklungen, die in diesem Themenheft dokumentiert sind und von denen das deutsche Programm profitieren kann. Es ist jedoch noch kein Standort für ein HAA-Endlager in Betrieb.

Im Jahr 2017 hat in Deutschland die Suche nach einem geologischen Endlager für hochradioaktive wärmeentwickelnde Abfälle unter neuen Vorzeichen begonnen. Das Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle regelt das Standortauswahlverfahren (Standortauswahlgesetz – StandAG vom Mai 2017). Ausgehend vom gesamten Bundesgebiet werden die zu erkundenden Standortregionen anhand der im Gesetz festgelegten Kriterien und Anforderungen ermittelt. Erst im Zuge des Standortauswahlverfahrens kann nach Anwendung all dieser Kriterien und Anforderungen festgelegt werden, welche Regionen in Deutschland als untersuchungswürdig gelten. In Deutschland kommen für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle die Wirtsgesteine Steinsalz, Tonstein und Kristallin in Frage. Für die Durchführung des Standortauswahlverfahrens ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zuständig. Nicht politische Erwägungen sollen dabei entscheidend sein, sondern die geologische Eignung. Denn eine der wichtigsten Prämissen lautet: „Geologie geht vor“. Der generelle Verfahrensablauf wird von Schafmeister (2023) in diesem Themenheft dargestellt.

Nach den gesellschaftspolitischen Fehlentwicklungen der Vergangenheit wird die Suche nun transparent durchgeführt, was ausdrücklich eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung einschließt. Derzeit befindet sich der Suchprozess in der ersten Phase, in der ca. 46 % der Landesfläche aufgrund geologischer Überlegungen ausgeschlossen wurden und die restlichen 54 % weiter auf Standortregionen für die übertägige Erkundung eingegrenzt werden. In dieser Phase der Standortsuche werden vor allem die geologischen Gegebenheiten betrachtet. Fluidbewegungen und damit verbundene mögliche hydrogeochemische Wechselwirkungen werden berücksichtigt, sind aber für die verschiedenen Wirtsgesteinsformationen in den diskutierten Tiefen noch nicht hinreichend erforscht und bekannt. Im Zuge der weiteren lokalen Eingrenzung möglicher Standortregionen werden diese jedoch zunehmend an Relevanz gewinnen.

Mit diesem Themenheft „Hydrogeologische Aspekte der Endlagerung radioaktiver Abfälle“ in der Zeitschrift Grundwasser haben wir versucht, einen breiten Überblick über die in der hydrogeologischen Fachwelt erzielten Forschungsergebnisse bzw. Strategien im Zusammenhang mit der Endlagerung radioaktiver Abfälle zu geben. Dabei kristallisierten sich zwei Schwerpunktthemen heraus: die Modellbildung, deren Zielsetzung die Sicherheit eines Endlagers hinsichtlich der Eigenschaften der Wirtsgesteine, möglicher geotechnischer Barrieren und schließlich bzgl. des Nuklidtransportes mit dem Grundwasser behandeln Behrens et al. (2023). Kolditz et al. (2023) stellen in diesem Zusammenhang die Open-Source-Plattform OpenWorkFlow vor. Speziell bezogen auf mögliche Wasserwegsamkeiten im Wirtsgestein Kristallin erarbeiten Osten et al. (2023) die hydraulischen Eigenschaften in spröden Scherzonen. Der zweite Schwerpunkt behandelt den Einsatz stabiler Isotope zur Charakterisierung von Porenwässern (Ertl et al. 2023) speziell auch in geringdurchlässigen Gesteinen (Eichinger et al. 2023).

Die Rückmeldungen auf den Aufruf zu diesem Themenheft zeigten, dass derzeit viele neue Erkundungsmethoden und Erkenntnisse zur geologischen und hydrogeologischen Einordnung möglicher Endlagerstandorte noch erarbeitet werden, woraus sich speziell im deutschen Konzept des Vergleichs von Wirtsgesteinen neue Fragestellungen ergeben. Dabei darf nicht unerwähnt bleiben, dass viele der Forschungsarbeiten in Untertagelaboratorien mit deutscher Beteiligung oder die Arbeiten zu natürlichen Analoga, die Einblick in die komplexen physikalischen und chemischen Prozesse auf den relevanten Zeitskalen geben, nicht Eingang in dieses Themenheft gefunden haben. Daher möchten wir abschließend anmerken, dass dieses Themenheft mit seinen publizierten Arbeiten nicht repräsentativ für die Vielzahl an BMWi/BMWK- und BMUV-geförderten Projekten unter Einbindung der Hochschullandschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft ist, sondern nur einen kleinen Ausschnitt darstellt, aber bei den Leserinnen und Lesern das Interesse für das Thema wecken soll.