Wenn es überhaupt etwas Gutes an der „Corona-Pandemie“ gibt, dann ist es die mehrheitliche Einsicht, dass in Krisen wissenschaftliche Erkenntnis und daraus entwickelte Konzepte, Technologien und Prognosen letztlich die einzig belastbare Lösungsstrategie darstellt. In einigen Aspekten wirkt diese Krise derzeit sogar als Katalysator, um Technologien, Regeln und Verhaltensweisen zum längst fälligen Durchbruch zu verhelfen. Wer hat nicht in den vergangenen Wochen bei den nun vollkommen üblichen Video-Treffen darüber nachgedacht, wieviel Zeit man „früher“ auf Dienstreisen mit hohen Kosten- und Umweltauswirkungen verbrachte, weil diese digitalen Treffen „damals“ bestenfalls als schlechte Ersatzlösungen galten. Ebenso verwundert es fast, mit welcher Geschwindigkeit und Konsequenz Unterstützungsprogramme und dazugehörige Verordnungen und Gesetze beschlossen werden können, über die früher Jahre, möglicherweise ohne Beschlussfassung, intensiv und kontrovers diskutiert worden wäre.

Allerdings zeigt uns die Corona-Krise auch, wie sehr Meinungen und nicht evidenzbasierte Behauptungen medial verstärkt wissenschaftsbasierte Ansätze zu konterkarieren versuchen. Sei es, dass die Existenz des Problems generell infrage gestellt wird, sei es, dass vermeintliche Lösungen propagiert werden, die schlicht nicht funktionieren und/oder ethische Grundsätze unserer Gesellschaft verletzen.

So gesehen gibt uns die hoffentlich auf zwei bis drei Jahre beschränkte Corona-Krise eine Ahnung davon, was an gesellschaftlichen Kraftanstrengungen und Diskussionen im Hinblick auf Maßnahmen zur Verminderung des Klimawandels bzw. zur Anpassung an seine Folgen zumindest in den nächsten zwei bis drei Dekaden auf uns zukommen kann.

Bereits heute lassen die absehbaren Auswirkungen des fortschreitenden Klimawandels erwarten, dass selbst bei dem (wahrlich nicht gesicherten) Erreichen der „Pariser Klimaziele“ der Grundwasserschutz und die Grundwasserbewirtschaftung national wie international vor neuen, essenziellen und in relativ kurzen Zeiträumen zu lösenden Herausforderungen steht. Zu nennen sind hier u. a. die z. T. dramatische Veränderung des Grundwasserhaushaltes sowie potenziell auch die Veränderung der Grundwasserqualität in vielen Regionen der Welt. In Kombination mit anderen Faktoren, wie einer steigenden Zahl der Weltbevölkerung mit zudem verändertem Ernährungsverhalten, wird die Deckung des Wasserbedarfs einschließlich des erhöhten Bewässerungsbedarfs in der Landwirtschaft ein Schlüsselfaktor für die Wohlfahrt der menschlichen Gesellschaften in den nächsten Dekaden sein. Ebenso erhöht sich die Gefahr der küstennahen Grundwasserversalzung aufgrund des Meeresspiegelanstiegs und gerade in Städten werden „Wärmeinseln“ zu einem signifikanten Anstieg der Grundwassertemperatur mit derzeit nur bedingt prognostizierbaren Konsequenzen führen. Auch wird die tiefgreifende Transformation der Energieversorgungssysteme in urbanen Gebieten im Moment noch wenig quantifizierbare Auswirkungen auf Grundwassersysteme nach sich ziehen. Ein Beispiel dafür sind u. a. derzeit kontrovers bewertete Konkurrenzen bei der Nutzung des geologischen Untergrundes z. B. als Trinkwasserreservoire und als saisonaler Wärmespeicher zum Heizen und Kühlen.

Die Bewältigung dieser skizzierten mannigfaltigen und dringlichen hydrogeologischen Aufgaben, die die Forschung, die Wirtschaft und die Verwaltung im Kontext des Klimawandels national und international in den nächsten Jahren herausfordert, wird dabei in großem Maße von der Entwicklung und Umsetzung konzeptioneller und methodischer Fortschritte in der Hydrogeologie und thematisch verwandten Fachgebieten abhängen. Parallel können dabei aber auch innovative transdisziplinäre Kooperationen bei der Bewirtschaftung von Grundwasservorkommen entstehen, die neue Betätigungsfelder (u. a. bei der Raumplanung des geologischen Untergrundes) und neue wirtschaftliche Wertschöpfungsketten bei einem zukünftig optimierten Grundwasserschutz schaffen.

Mit dem vorliegenden Themenheft wird nun zum einen das breite Spektrum der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen des Klimawandels auf die Grundwasserbewirtschaftung und den Grundwasserschutz auf nationaler Perspektive aufgezeigt. Zum anderen werden anhand von konkreten Fallbeispielen innovative konzeptionelle und methodische Lösungsansätze für verschiedene Aufgabenstellungen aufgezeigt. So diskutieren Henning und Hilgert, Hermann et al., Fliß et al. und Möhler et al. für die mehr regionale Skala, ob und mit welchen Auswirkungen und Unsicherheiten der fortschreitende Klimawandel sich auf die Grundwasserbewirtschaftung in Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Süddeutschland und Sachsen-Anhalt auswirken können. Bender et al. leiten in einem generelleren Ansatz die Auswirkungen, den Handlungsbedarf und die Lösungsansätze für Deutschland ab. Ergänzt werden diese Artikel um Aspekte der Versalzung von küstennahen niedersächsischen Grundwasserleitern infolge des Klimawandels (Gonzalez et al.) und die Prognose der Auswirkungen von Starkregenereignissen in urbanen Gebieten (Schütze et al.).

Deutlich wird bei allen Beiträgen, wie interdisziplinär die heutige „Hydrogeologie“ aufgestellt ist und welche große Bedeutung numerische Modelle als Prognosewerkzeug bei der Bewältigung der zukünftigen Aufgaben zum Grundwasserschutz und zur Grundwasserbewirtschaftung bekommen haben. Die Artikel zeigen, dass eine unverzichtbare Basis für naturwissenschaftlich-technisch basierte Präventionsstrategien die Digitalisierung des (auch oberflächennahen) geologischen Untergrundes ist. Ebenso bedeutend wird die Weiterentwicklung und gegebenenfalls auch die Standardisierung und fachübergreifende Kopplungsfähigkeit von numerischen Simulationsprogrammen sein. Deren Prognosefähigkeit hängt stark von einer koordinierten Fortentwicklung hydrologischer und hydrogeologischer Datenbanken und von großräumigen und trotzdem hinreichend zeitlich und räumlich auflösenden Monitoringsystemen ab. Nur auf dieser Basis sind die komplexen Wechselwirkungen des Grundwasserdargebotes und des vielfältigen Grundwasserbedarfes vor dem Hintergrund von Wetterphänomenen und Klimaveränderungen belastbar vorherzusagen und technologische Lösungskonzepte zu entwickeln.

Leistbar wird dies nur durch den Einsatz bedeutender finanzieller Mittel sein, und es bedarf der Unterstützung durch eine weiter intensivierte Ausbildung und Forschung. Allerdings liegt darin auch eine große Gelegenheit, den heute zwar immer wieder beschworenen aber ehrlicherweise nur bedingt erfolgreichen Grundwasserschutz der letzten Jahrzehnte auf eine technologisch, methodisch und regulativ optimierte Basis zu stellen, um zukünftig eine wirklich nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung zu erreichen.

In einer Krise liegt eben immer auch eine Chance und hoffentlich kann dieses Themenheft Anregungen geben, wie diese ergriffen werden kann.