Durch den medizinischen Fortschritt in der Onkologie haben sich Früherkennung, Diagnostik und Therapie von Krebserkrankungen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Ein positives Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass sowohl die Zahl der Langzeitüberlebenden als auch die Überlebenszeit nach einer erfolgreichen Krebstherapie merklich gestiegen ist. Nach aktuellen Schätzungen des Robert Koch-Instituts (s. Beitrag von V. Arndt, S. Dahm u. K. Kraywinkel in der Rubrik „Epidemiologie“) leben in Deutschland über 4,65 Mio. Menschen, die derzeit an Krebs erkrankt sind oder irgendwann in ihrem Leben an Krebs erkrankt waren. Besonders bemerkenswert ist dabei die hohe Zahl an Langzeitüberlebenden. Deren Zahl wird in den kommenden Jahren auch aufgrund der demografischen Alterung weiter ansteigen.

Auch auf gesundheitspolitischer Ebene hat das Thema „Cancer Survivorship“ in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit erlangt. So sollen nun im Rahmen des Nationalen Krebsplans (NKP) Wissenslücken hinsichtlich der Versorgungssituation von Langzeitüberlebenden einer Krebserkrankung identifiziert und geschlossen werden, um perspektivisch bedarfsgerechte und strukturell schlüssige Versorgungskonzepte entwickeln zu können. Vor diesem Hintergrund hat die Steuerungsgruppe des NKP im Jahr 2018 die Expertenarbeitsgruppe „Langzeitüberleben nach Krebs“ (AG LONKO) eingerichtet, deren Ergebnisse im Laufe dieses Jahres veröffentlicht werden sollen.

Die bereits hohe Zahl an Langzeitüberlebenden wird in den kommenden Jahren weiter ansteigen

Den unbestreitbaren medizinischen Erfolgen bei der onkologischen Behandlung stehen aber häufig auch belastende medizinische, psychische und soziale Folgen für die Betroffenen und ihre Angehörigen gegenüber, z. B.

  • Langzeitnebenwirkungen der Therapie,

  • anhaltende Angst vor einem Rückfall oder Fortschreiten der Erkrankung,

  • nachhaltige Auswirkungen auf die künftige Lebens- und Berufsperspektive (insbesondere bei jüngeren Menschen) oder

  • deutliche Veränderungen des sozialen Umfelds, wie der Verlust des Arbeitsplatzes oder finanzielle Einbußen durch eingeschränkte Arbeitsfähigkeit.

Zu all diesen Aspekten konnten kompetente Autorinnen und Autoren gewonnen werden, die uns einen Überblick über die vielen Facetten von Cancer Survivorship geben. L. Weißer et al. fassen die Studien zu kardiovaskulären Spätfolgen bei Darmkrebspatienten nach Chemotherapie zusammen. Die Gruppe um L. Heinzerling gibt einen Einblick in das noch junge Feld der Spätfolgen nach Immuntherapie. P. Scholz-Kreisel u. D. Wollschläger beschreiben die Ergebnisse der Studien zum Risiko von Folgeneoplasien und kardialen Spätfolgen nach Bestrahlung bei Brustkrebs, Hodgkin-Lymphomen und Lungenkrebs bei Erwachsenen sowie nach pädiatrischen Krebserkrankungen. H. Götze gibt einen Überblick zu den psychischen Spät- und Langzeitfolgen nach Krebs. Zudem diskutiert sie die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von 1000 langzeitüberlebenden Krebspatienten.

Das Thema „finanzielle Toxizität“ gewinnt auch in Ländern mit einem etablierten Sozialversicherungssystem wie Deutschland zunehmend an Bedeutung. S. Lueckmann und ihre Mitautoren haben Arbeiten zur finanziellen Toxizität zusammengefasst. Zudem geben sie in ihrem Beitrag einen Überblick zur Evidenz finanzieller Auswirkungen für Krebspatienten in Deutschland. Jeder dritte Cancer Survivor ist im erwerbsfähigen Alter. Probleme der beruflichen (Re‑)Integration nach Krebs sind das Thema der Arbeit von A. Janßen und ihren Mitautoren.

Viele junge Betroffene sind nach der Akutbehandlung mit den Folgen ihrer Krebserkrankung konfrontiert

Krebserkrankungen im jungen Erwachsenenalter sind mit sehr guten Heilungschancen assoziiert. Aber viele junge Betroffene sind nach der Akutbehandlung mit den Folgen ihrer Krebserkrankung konfrontiert. Aufgrund des noch so jungen Lebensalters gewinnt eine umfassende Nachsorge zunehmend an Bedeutung. Der Beitrag von H. Brock et al. gibt einen Überblick über die somatischen, psychosozialen und sozioökonomischen Folgen einer Krebserkrankung und -behandlung im jungen Erwachsenenalter. Zudem werden die Unterstützungsbedürfnisse der jungen Krebspatienten und die derzeitige Nachsorgestruktur in Deutschland betrachtet.

Survivorship-Care-Programme nehmen einen zunehmend wichtigen Stellenwert hinsichtlich der Linderung oder Vermeidung körperlicher und psychosozialer Folgeprobleme bei Krebsüberlebenden ein. P. Esser u. A. Mehnert-Theuerkauf beschreiben die verschiedenen, v. a. im internationalen Kontext eingesetzten Programme und diskutieren die damit verbundene Wichtigkeit von gesundheitsbezogenem Selbstmanagement. Ein besonderer Aspekt des gesundheitsbezogenen Selbstmanagements, nämlich die Aufrechterhaltung der körperlichen Aktivität nach Krebserkrankung und deren Evidenz bei Cancer Survivors, ist das Thema der Arbeit von T. Schmidt.

Abschließend geben wir auch noch den Betroffenen das Wort. R. Göbel beschreibt mit spitzer Feder das Thema „Survivorship aus Sicht der Betroffenen“.

Schriftleitung und Herausgeber danken allen Kolleginnen und Kollegen für ihre Beiträge zu diesem spannenden Leitthema und wünschen Ihnen, den Leserinnen und Lesern, Erkenntnisgewinn und viel Freude bei der Lektüre.

Für die Schriftleitung

Volker Arndt

Für die Herausgeber

Klaus Höffken