Die Onkologie wird durch die epidemiologische Entwicklung und den medizinisch-technischen Fortschritt in naher Zukunft der Sektor mit den höchsten Ausgaben und den höchsten Wachstumsraten im deutschen Gesundheitssystem sein. Wir werden dadurch an finanzieller Atemnot in der Onkologie leiden. Mehr denn je muss hinterfragt werden, wie die medizinische Machbarkeit und die steigenden Kosten mit dem gesellschaftlichen Ziel einer maximalen Gesundheitsvorsorge und -versorgung in Übereinstimmung zu bringen sind. So sind die Ausgaben für die Onkologie nach Gundermann et al. allein im Zeitraum von 2002 bis 2008 um 4,4 Mrd. EUR angestiegen Bei Steigerungsraten von über 5% pro Jahr kann aus ökonomischer Sicht wahrlich von einem Wachstumsmarkt gesprochen werden.

Onkologische Arzneimittel haben den größten Anteil an den Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). So ist es nicht verwunderlich, dass die Frage nach der Finanzierbarkeit und dem Nutzen neuer onkologischer Therapien sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich im Vordergrund steht. Für den ambulanten Bereich möchte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) das Problem mit Nutzenbewertungen lösen. Bisher wurden bereits einige dieser Bewertungen publiziert, wobei nach Guntinas noch nicht eindeutig geklärt ist, welchen Stellenwert sie für den Versorgungsalltag gewinnen werden. Auch bleibt für ihn abzuwarten, welche Bedeutung die vom IQWiG geplanten Kosten-Nutzen-Bewertungen für onkologische Arzneimittel überhaupt bekommen werden. Anders gelagert ist die Entwicklung im stationären Bereich mit seinem Diagnosis-Related-Groups(DRG)-System. Hier war die Einführung von Zusatzentgelten (ZE) und Innovationsentgelten (NUB) für die Onkologie maßgeblich. Beide Kriterien sind für Thalheimer unverzichtbare Bestandteile der stationären Vergütung sowie für eine Abbildung der Aufwände notwendig. Damit sind für die Zukunft aber nicht alle Probleme im stationären Bereich gelöst. Als Aufgabe wird bleiben, neben neuen Applikationsformen von sich bereits auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln auch eine molekulargenetische Diagnostik im DRG-System sachgerecht abzubilden.

Onkologische Arzneimittel haben den größten Anteil an den Arzneimittelausgaben der GKV

Ärzte sind verpflichtet, für ihre Patienten alles zu unternehmen, was der Wiederherstellung der Gesundheit und der Lebensverlängerung dient. Andererseits sind sie immer stärker gefordert, die Konsequenzen ihrer Entscheidungen bei der Verwendung der Ressourcen im Gesundheitswesen zu verantworten und zu begründen. Nicht nur medizinische, sondern auch ethische und ökonomische Aspekte gewinnen dabei zukünftig an Bedeutung. So sollten sich zum Beispiel Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit und Preissetzung neuer onkologischer Arzneimittel für Ludwig et al. nicht an den Gesetzen der freien Marktwirtschaft, sondern viel mehr am evidenzbasierten Nachweis des patientenrelevanten Nutzens orientieren. Vielleicht können aber auch die von Oberender et al. vorgeschlagenen personalisierten Versorgungsangebote und die Erprobung von Innovationen im Rahmen von Selektivverträgen mit einigen Leistungserbringern einen Beitrag zur gewünschten Qualitäts- und Kostenverbesserung leisten.

Unter der Prämisse, dass Ressourcen in der Onkologie immer limitiert sein werden, muss erreicht werden, mit bestehenden Mitteln ein maximales Ergebnis zu erzielen. Es kann aber nach Ausschöpfung aller Rationalisierungsreserven bei begrenzten Ressourcen der Zeitpunkt kommen, dass nicht mehr alle möglichen Leistungen erbracht werden können. Ziel wird es nach Knoepffler dann sein, ethische Gesichtspunkte so herauszuarbeiten, dass durch eine Priorisierung das Prinzip der Menschenwürde und die damit verbundenen Grundrechte gewahrt bleiben. Dies wird eine Aufgabe sein, der sich die Gesellschaft zukünftig unzweifelhaft stellen muss, um eine verdeckte Rationierung in der Onkologie zu vermeiden. Die Mittel sind leider nicht unbegrenzt.

Dieses Themenheft wurde zusammen mit dem zu Beginn des Jahres verstorbenen Professor Dr. Peter Oberender geplant und konzipiert. Das deutsche Gesundheitswesen hat mit ihm einen Wegbereiter der Zukunft verloren. Für uns war es eine Ehre, mit dem Nestor der Gesundheitsökonomie in Deutschland dieses Thema bearbeiten zu dürfen, und eine Verpflichtung, dieses Heft auch in seinem Sinne fertig zu stellen. Wir hoffen, dass uns Letzteres gelungen ist und die Leser nach Studium nicht nur einen Eindruck über die aktuelle gesundheitsökonomische Diskussion in unserem Land gewonnen haben, sondern sich auch aktiv daran beteiligen können.

Prof. Dr. Michael Hartmann

Für die Schriftleiter des Schwerpunkthefts

Prof. Dr. Klaus Höffken

Für die Herausgeber