Die Therapie metastasierter Tumorerkrankungen stellt sowohl für Patienten als auch für die an der Behandlung beteiligten Ärzte eine große Herausforderung dar.

Das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten hat sich deutlich gewandelt

Nachdem die Diagnose von Fernmetastasen in der Vergangenheit meistens gleichbedeutend mit einer nur noch palliativen Situation war, für die lediglich (wenig effektive) Chemotherapien zur Verfügung standen, hat sich in den letzten 10 Jahren das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten deutlich gewandelt. Die Fortschritte und aktuellen Entwicklungen, insbesondere für lokale und gezielte Therapien, werden im vorliegenden Heft paradigmatisch für verschiedene metastasierte Tumorentitäten und speziell für Metastasen des kolorektalen Karzinoms und im Skelettsystem erörtert.

Im einleitenden Beitrag von Kubicka wird deutlich, dass in der Systemtherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms das Konzept der ausschließlich chemotherapeutischen Behandlung durch eine individuell auf Molekularbiologie sowie das Ausmaß und die Lokalisation der Metastasen ausgerichtete, individuelle Therapieplanung zunehmend ersetzt wird. Um größere Heilungschancen oder auch längere systemtherapiefreie Intervalle zu erreichen, ist neben der Bestimmung des RAS-Status v. a. bei isolierter Leber- und/oder Lungenmetastasierung die vollständige Entfernung der Metastase(n) durch einen chirurgischen Eingriff und/oder lokale Tumorablation eine wichtige Behandlungsoption geworden.

In diesem Beitrag werden auch die mittlerweile enorme Bandbreite und die Wirksamkeit der modernen medikamentösen Tumortherapie deutlich. Durch die damit verbundenen höheren Ansprechraten wird auch zunehmend der Einsatz von lokalen Therapiemaßnahmen als „Salvage-Therapie“ erst ermöglicht. Diese umfassen neben der operativen Entfernung auch die interventionellen und strahlentherapeutischen Techniken, die vorwiegend meist zuerst beim kolorektalen Karzinom entwickelt und später auf andere Tumorentitäten übertragen wurden. Obwohl Fernmetastasen Ausdruck einer Systemerkrankung sind, haben somit auch lokale Therapieverfahren zunehmend Bedeutung in der Behandlung einiger metastasierter Tumoren gewonnen.

Die überzeugenden Langzeitergebnisse der Resektion von Leber- und Lungenmetastasen haben in den vergangenen Jahren insbesondere die Operation zu einem integralen Bestandteil der Therapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms werden lassen. Wie im Beitrag von Heinrich und Lang dargestellt wird, muss in die Indikationsstellung zur Leberresektion von Metastasen neben der Tumorentität und -biologie sowie der technischen und funktionellen Machbarkeit selbstverständlich auch die zu erwartende Morbidität des Eingriffs und der vermeintliche onkologische Benefit für den Patienten mit einfließen. Dies kann durch verschiedene klinische Scores, in welche u. a. Ausmaß, Lokalisation, Syn- oder Metachronizität und rezidivfreies Intervall mit eingehen, bereits präoperativ abgeschätzt werden. Mit ähnlichen strategischen Konzepten und günstigen Behandlungsergebnissen untermauern Sponholz et al. die Bedeutung der chirurgischen Entfernung von kolorektalen Lungenmetastasen. Bemerkenswert ist, dass nach den vorliegenden Analysen zusätzliche resektable Lebermetastasen oder thorakale Lymphknotenmetastasen per se kein Ausschlusskriterium für die Resektion von Lungenmetastasen darstellen. Allerdings ist ein Rektumkarzinom als Ursache der Metastasierung prognostisch ungünstiger einzustufen als ein Kolonkarzinom.

Aus beiden chirurgischen Beiträgen wird auch deutlich, dass ebenso Patienten mit einer anderen Tumorentität (z. B. neuroendokrine Tumoren, Sarkome) von einer Metastasenresektion der Leber oder Lunge profitieren können, sodass diese in selektionierten Fällen zuverlässig durchgeführt werden kann und angewandt werden sollte.

Alternativ können bei lokalisierter Metastasierung Ablationen und lokale Maßnahmen von Leber- und Lungenmetastasen durch die interventionelle Radiologie durchgeführt werden. Die langjährigen und umfangreichen Erfahrungen der Frankfurter Arbeitsgruppe werden hierzu von Vogl et al. ausführlich dargestellt und resümiert. Auch die Strahlentherapie spielt seit vielen Jahren eine wichtige Rolle in der Therapie von Hirn- und Knochenmetastasen.

Eine Radiatio kann auch zur Behandlung von Leber- und Lungenmetastasen eingesetzt werden

Durch technische Neuerungen kann eine Radiatio heutzutage auch zur gezielten stereotaktischen Behandlung von Leber- und Lungenmetastasen eingesetzt werden. Die aktuellen Optionen und die Wertigkeit der Verfahren für Oligometastasen an multiplen Lokalisationen und die hierfür jeweils zu berücksichtigenden Selektionskriterien werden im Beitrag von Riesterer und Guckenberger abgehandelt. Schließlich widmet sich die Arbeit von Link den aktuellen tumorbiologischen Erkenntnissen im Zusammenspiel metastasierender Tumorzellen und den von diesen produzierten Zytokinen und Wachstumsfaktoren mit osteoplastären und osteoklastischen Zellen als „Teufelskreis der Knochenmetastasierung“. Hieraus werden die sich ergebenden therapeutischen Möglichkeiten zusätzlich zu Strahlentherapie und orthopädisch-onkologischer Chirurgie abgeleitet. Die moderne medikamentöse Therapie von Knochenmetastasen kann die komplikationsfreie Zeit signifikant verlängern und bei Bedarf von lokalen (Strahlen-)Therapien, insbesondere zur Schmerzkontrolle, ergänzt werden.

Die Prognose metastasierter Tumorerkrankungen hat sich deutlich verbessert

Aus den Beiträgen der verschiedenen Fachdisziplinen dieses Hefts wird deutlich, dass sich die Prognose metastasierter Tumorerkrankungen deutlich verbessert hat. Die Therapie der Wahl bei metastasierten Tumorerkrankungen stellt prinzipiell die Systemtherapie dar. Heutzutage sollten jedoch bei einer lokalisierten Metastasierung lokale Therapieverfahren, durch die eine hohe lokale Tumorkontrolle erzielt und die systemische Toxizität der Chemotherapie vermindert werden kann, stets evaluiert und – wenn möglich – angewandt werden. Ist bei umschriebener Metastasierung eine Resektion der Metastasen nicht möglich oder sinnvoll, sollte der Einsatz ablativer Verfahren evaluiert werden. Bei gutem Ansprechen sollte auch während einer (palliativ intendierten) Systemtherapie regelmäßig die Resektabilität verbliebener Metastasen überprüft werden. Aufgrund der Fülle an Therapieoptionen und dem Fehlen eines direkten Vergleichs der lokalen Therapiemaßnahmen kommt dem interdisziplinären Tumorboard die entscheidende Rolle in der Planung der individuellen Therapie eines Patienten zu. Hierfür ist die Beteiligung aller verfügbaren entsprechend qualifizierten Behandlungspartner an diesem Board essenziell.

Die Beiträge dieses Hefts zeigen außerdem, dass eine Vielzahl an klinischen Studien notwendig ist, um die Wertigkeiten der lokalen Therapieverfahren untereinander und im Vergleich zur Systemtherapie noch besser und differenzierter zu definieren. Auch hierzu möchten die Autoren in diesem Heft anregen. Es gibt noch viel zu klären!

Für die Schriftleiter des Schwerpunktthemas

H. Lang

Für die Herausgeber

P.M. Schlag