Der Mensch ist ein zerrissenes Wesen. Das ist wohl eines seiner grundsätzlichen Merkmale und gehört zur Fähigkeit, mehr oder weniger frei zu denken und zu entscheiden. Das Privileg in unseren Breiten, dass jedes Kind zumindest eine Basisbildung erhalten soll und bis zum 15. Lebensjahr verpflichtet ist, eine Schule zu besuchen, wird durch eine andauernde Diskussion um Feriengestaltung konterkariert. Dabei geht es ja nicht darum, mit welchen Aktivitäten die Ferien ausgefüllt sein sollen, sondern wann und wieviel Ferien Kinder haben sollen/dürfen. Wenn sich der Bildungsminister öffentlichkeitswirksam wochenlang mit dieser Frage beschäftigt und nun zentral die Ferienordnung festlegen möchte, könnte man doch ein bisschen geneigt sein, dies als Ablenkungsmanöver zu bewerten. Mit Bildung hat das jedenfalls reichlich wenig zu tun. Während in den sogenannten Entwicklungsländern Kinder mit Freude in oft sehr improvisierte und schlecht ausgestattete Schulen gehen, wird hierzulande leider viel zu oft die Pflicht und die Belastung durch die Schule in den Vordergrund gestellt. Nur die ganz Kleinen freuen sich noch meist auf ihren ersten Schultag. Eine Freude, die aus unterschiedlichsten Gründen in der Mehrzahl der Betroffenen schnell verfliegt. Schade.

Sehnen nach den Ferien

Nicht viel anders geht es im späteren Alter: Sind zwar die meisten Menschen eher froh, nicht arbeitslos zu sein, ist der Ruf nach einem zusätzlichen Feiertag zuletzt durch die Karfreitagsdiskussion wieder laut geworden und quälen sich viele Arbeitnehmer von einem Urlaub zum nächsten. Anfängliche Begeisterung im Beruf weicht bei einer beträchtlichen Anzahl der Erwachsenen bedauerlicherweise zunehmender Frustration, Überlastung, Ernüchterung. Flexiblen Arbeits- und Freizeitregelungen steht das sattsam bekannte Beharrungsvermögen der Entscheidungsverantwortlichen gegenüber. Von der Politik kommen dazu Worthülsen, die das Nichts maskieren: Wir wollen, so Kanzleramtsminister Gernot Blümel zur zunächst beabsichtigten Halbtagsregel des Karfreitag, „dass sich möglichst wenig ändert, … Mehrbelastungen für die Wirtschaft sind schwer zu rechtfertigen, … gleichzeitig wollen wir, dass den Leuten, die betroffen sind, möglichst nichts weggenommen wird.“ Kreative Zukunftsgestaltung sieht anders aus. Die nun beschlossene Lösung gehört auch nicht dazu. Freude an der Arbeit haben übrigens überwiegend jene aus den Bürgerkriegsgebieten im Nahen Osten geflüchteten Mediziner, die mittlerweile durchaus zahlreich ihr Medizinstudium nostrifizieren lassen konnten und in österreichischen Spitälern arbeiten. Freude mit diesen Medizinern haben auch die Patienten, weil das Engagement der neuen Ärzte nach der langen und anstrengenden Berufsanerkennung sehr hoch ist. Es ist zu hoffen, dass dies so bleibt.

Duales westliches Denken

Erstaunlich dissonant stellt sich das Handeln des Staats bzw. von dessen Akteuren in unterschiedlichsten Zusammenhängen dar. Die Frage, was mit den österreichischen Staatsbürgern, die geglaubt haben, sich dem „islamischen Staat“ in Syrien oder dem Irak anschließen zu müssen und nun dort in Gefangenschaft sind, hat der Internationale Haftbefehl, den das österreichische Justizministerium für manche dieser Personen ausgestellt haben soll, mehr oder weniger unbeabsichtigt auf juristischer Ebene beantwortet. Hier wird es wohl auch darum geben, Staatsverantwortung zu übernehmen.

Dass derart widersprüchliche Aktionen bei uns oft als Zwiespältigkeit empfunden wird, ist freilich auch Ausdruck des dualen westlichen Denkens, mit dem sich die asiatischen Philosophien meist nicht herumschlagen müssen: Denn es geht um das Eine und dazu gehören eben alle – auch die widersprüchlichen – Teile.

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V. Kienast