Allgemeines

Maligne Erkrankungen gehören zu den weltweit führenden Todesursachen [1]. Ausgangspunkt für die Entstehung von Krebserkrankungen sind komplexe Störungen im Genmaterial. Bedingt durch die lebenslang andauernden Zellteilungen sind spontane Veränderungen im Erbgut häufig. In seltenen Fällen werden krebsbegünstigende genetische Faktoren vererbt. Bekannte externe Einflussfaktoren sind Zigarettenrauchen, starker Alkoholkonsum, übermäßige Einwirkung von Sonnenlicht oder auch Infektionen mit einigen Krankheitserregern wie den humanen Papillomviren (HPV). Drei wesentliche Pathomechanismen spielen eine wichtige Rolle: 1. Onkogene, die das Zellwachstum fördern, 2. Tumorsuppressorgene, die ein unkontrolliertes Zellwachstum unterdrücken, und 3. Reparaturgene, die aktiv werden, wenn Mutationen auftreten und in der Folge der Schaden behoben werden muss. Alle 3 Mechanismen kommen auch in gesunden Zellen vor und regulieren dort das Wachstum und die Differenzierung („Reifung“) der Zellen. Mitunter jedoch versagt das Reparatursystem. Zwischen Onkogenen und Tumorsuppressorgenen entsteht dann ein Ungleichgewicht, das ein unkontrolliertes Wachstum von Zellen nach sich zieht [2]. Krebszellen unterlaufen häufig die Immunabwehr, wachsen invasiv und metastasierend. Oft nutzen sie eine umgebende Entzündungsreaktion als Wachstumsreiz [3]. Der Stoffwechsel wird für das Tumorwachstum angepasst, und es werden in soliden Tumoren neue Blut- und Lymphgefäße gebildet, die die Grundlage der Energieversorgung für die Tumorzellen sichern.

Bei der Behandlung von Krebserkrankungen werden verschiedene Therapieansätze miteinander kombiniert. Direkt gegen den Tumor richten sich eine operative Resektion und die Strahlen- und Chemotherapie. Chemotherapeutika hemmen das Tumorwachstum durch Wirkung auf die Zellteilung. Bei hormonsensitiven Tumoren kommen auch Hormone- bzw. Antihormone zum Einsatz (z. B. Tamoxifen als Antiöstrogen beim Mammakarzinom). Neuere Substanzen führen zu einer Blockade wichtiger Stoffwechselwege innerhalb der Zelle (Signaltransduktionshemmer, z. B. Tyrosinkinaseinhibitoren) oder sind gegen die Gefäßneubildungen im Tumor gerichtet (antiangiogen wirkende Substanzen; [4, 5]). In jüngster Zeit gewinnt auch die immunspezifische Therapie als weitere Säule der tumorspezifischen Therapie immer mehr an Bedeutung. Hierbei werden Immunzellen wieder in die Lage versetzt, die Tumorzellen, die sonst aufgrund verschiedener Fluchtmechanismen der körpereigenen Abwehr entkommen können, zu attackieren [6, 7]. Bei soliden Tumoren kommt oft eine multimodale Therapie, bestehend aus einer chirurgischen Resektion in Kombination mit einer Radio- und/oder Chemotherapie, zur Anwendung. Dabei findet meist nach der initialen Tumorexstirpation eine postoperative „adjuvante“ Therapie statt. Wird bereits vor der Operation eine systemische Therapie durchgeführt, spricht man von „neoadjuvanter“ Therapie. Die Intention einer neoadjuvanten Chemotherapie, auch häufig in Kombination mit einer Bestrahlung, ist die maximale Reduktion des Tumors. In ausgewählten Fällen wird dieses Vorgehen auch gewählt, um überhaupt eine Operationsmöglichkeit zu schaffen [4].

Bei hämatoonkologischen Erkrankungen steht meistens nur eine Polychemotherapie in Kombination mit einer Bestrahlung im Vordergrund.

Einen allgemeinen Überblick über die Prinzipien der modernen Krebstherapie geben Tab. 1 und 2.

Tab. 1 Überblick über moderne therapeutische Verfahren in der Krebstherapie
Tab. 2 Chemotherapeutische Verfahren

Häufige Aufnahmeindikationen

Patienten nach chirurgischer Therapie solider Tumoren werden häufig auf anästhesiologisch-operativen Intensivstationen behandelt. Eine aktuelle Untersuchung der Arbeitsgruppe Intensive Care in Hematologic and Oncologic Patients (iCHOP) der DGHO (Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie)/DGIIN (Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin) zeigte eine Stichtagprävalenz von Krebspatienten auf deutschen Intensivstationen von fast 25 % (Kochanek et al. in press). Ähnliche Zahlen finden sich in internationalen Erhebungen [8]. Hierbei stehen meist eine postoperative Überwachung bei multimorbiden Patienten, unmittelbar perioperativ aufgetretene Organdysfunktionen oder primär chirurgisch bedingten Komplikationen im Fokus der Intensivtherapie [9].

Neben diesen „geplanten“ postoperativen Aufnahmen sind Krebspatienten gehäuft auch durch andere akute Notfallsituationen und Komplikationen gefährdet. Aufnahmegründe sind dann entweder spezifische Komplikationen der zugrunde liegenden Krebserkrankung, Komplikationen der konservativen und chirurgischen Krebstherapie oder schwere Organdysfunktionen z. B. durch Infektionen unterschiedlichster Art. Häufige Aufnahmegründe sind in Tab. 3 zusammengefasst. Prinzipiell kann man hierbei direkt tumorassoziierte Erkrankungen von therapieassoziierten Aufnahmegründen unterscheiden, Mischformen sind jedoch häufig.

Tab. 3 Häufige Aufnahmegründe von Krebspatienten auf einer Intensivstation

Tumorassoziierte Erkrankungen

Verdrängungssymptome

Schnell wachsende Tumoren können zur mechanischen Kompression und Verdrängung umgebender Strukturen führen. Bei mechanischer Kompression des Rückenmarks besteht die Gefahr irreversibler Nervenschädigungen mit persistierenden neurologischen Ausfällen. Ursächlich liegen oft paravertebrale, Wirbelkörper- oder Spinalkanalmetastasen, z. B. eines Prostata‑, Lungen- oder Mammakarzinoms, vor. Bei entsprechenden Symptomen wie Schmerz und Lähmungserscheinungen ist neben der unverzüglichen bildgebenden Diagnostik (Computertomographie [CT], Magnetresonanztomographie [MRT]) häufig eine operative Dekompression oder strahlentherapeutische Intervention indiziert. Wenn möglich, sollte vor Therapiebeginn eine Sicherung der Diagnose durchgeführt werden. Flankierend kommen hochdosierte Kortikosteroide zum Einsatz (z. B. Dexamethason). Auf die Gabe von Steroiden muss vor der histologischen Diagnosesicherung bei hämatoonkologischen Erkrankungen, wenn irgendwie möglich, verzichtet werden. Führen Hirntumoren oder zerebrale Metastasen zu lokalen Verdrängungssymptomen, stehen durch Hirndruck oder Hirnödem verursachte Probleme im Vordergrund der initialen Soforttherapie. Neben bildgebender CT, allgemeinen intensivmedizinischen Maßnahmen und einer symptomatischen medikamentösen Hirndrucktherapie kommen bei tumorbedingten Komplikationen hochdosierte Kortikosteroide zum Einsatz. Nach initialer Stabilisierung sollten interdisziplinär neurochirurgische und/oder strahlentherapeutische Optionen geprüft werden. Eine besondere Situation stellt das Vena-cava-superior-Syndrom dar (VCS-S). Durch massive Vergrößerung von Tumormassen im oberen Mediastinum („mediastinales Massensyndrom“ z. B. bei Lymphomen) kommt es zur Kompression von Gefäßen und umgebenden Strukturen wie der Trachea. Die vaskuläre Kompression kann Thrombosierungen auslösen und die Ausbildung von Kollateralkreisläufen begünstigen. Folge ist eine oftmals schnell auftretende und progrediente massive Schwellung und zyanotische Verfärbung im Kopf- und Halsbereich. Im Vordergrund stehen symptomatische Maßnahmen zur Sicherung der Vitalfunktionen und eine Antikoagulation bei venösen Thrombosen. Um eine raumfordernde Wirkung zu beheben, kommen nach Diagnosesicherung strahlen- und chemotherapeutische Verfahren zur Anwendung [10, 11].

Therapieassoziierte Erkrankungen und Mischformen

Respiratorische Insuffizienz

Die respiratorische Insuffizienz stellt den häufigsten Grund für Intensivaufnahmen bei hämatoonkologischen Patienten dar [11, 12]. Hierbei gilt es, malignom- und therapieassoziierte und von der hämatoonkologischen Grunderkrankung unabhängige, pulmonale und extrapulmonale Ursachen voneinander zu differenzieren. Die wichtigste Differenzialdiagnose beim Auftreten einer respiratorischen Insuffizienz beim onkologischen Patienten ist eine infektiöse Pneumonie. Die Inzidenz liegt je nach Studie bei über 60 % [13]. Neben bakteriellen Infektionen durch typische und atypische Erreger müssen auch Viren und Pilze als mögliche Erreger berücksichtigt werden. Neben dem normalen Erregerspektrum der ambulanten und nosokomial erworbenen Pneumonie sind auch Pneumocystis jirovecii und CMV-Viren sowie Aspergillus häufig nachzuweisende Erreger beim Immunsupprimierten. Eine Mehrschicht- oder hochauflösende CT-Thorax-Untersuchung ist beim hämatoonkologischen Patienten die diagnostische Methode der Wahl. Ergänzend zur mikrobiologischen Untersuchung aus nasopharyngealem Aspirat (Influenza A/B, Parainfluenza, RSV, Entero-, Adenoviren), endotrachealer Absaugung (Bakterien, inkl. Tuberkulose, Pilz, Herpes‑/CMV-Virus-PCR), Blut (Bakterien, Pilze) und Serologie (Chlamydia pneumoniae, Mycoplasma pneumoniae, Legionella pneumophila) sowie der Antigenbestimmung aus dem Urin (Streptococcus pneumoniae, Legionella pneumophila) kommt auch einer Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) aus dem Segmentbronchus, der das verdächtige Areal versorgt, gerade auch zur Diagnose einer Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie eine besondere Bedeutung zu. Besteht ein entsprechender klinisch-radiologischer Verdacht (d. h. retikulonoduläre interstitielle Verdichtungen unter Aussparung der Lungenspitze und -basis, LDH-Erhöhung), darf die sofortige Therapie mit hochdosiertem Cotrimoxazol (90–120 mg/kgKG und Tag i.v. für mindestens 14 Tage) nicht verzögert werden. Alternativ kommt bei Kontraindikationen Pentamidin (4 mg/kgKG und Tag i.v.) oder eine Kombination aus Primaquin (30 mg/Tag) und Clindamycin (3-mal 600 mg/Tag) zum Einsatz. Besteht eine Neutropenie und liegen pulmonale Infiltrate vor, die nicht typisch für eine bakterielle Lobärpneumonie oder eine Pneumocystis-Pneumonie sind, muss die initiale Therapie bereits gegen Aspergillus wirksam sein (Voriconazol/Isavuconazol als Mittel der ersten Wahl bzw. ggf. liposomales Amphotericin B). Bei Verdacht auf eine CMV-Pneumonie wird mit Ganciclovir oder Foscarnet behandelt. Hier sollte eine enge Rücksprache mit einem Infektiologen [14, 15] erfolgen.

Zur Sicherstellung der Oxygenierung scheint ein limitierter Therapieversuch mit nichtinvasiver Ventilation (NIV) oder „high-flow oxygen“ (NFNC) gerechtfertigt [10]. Kommt es hierunter jedoch nicht zu einer Besserung oder sogar zu einer Verschlechterung der respiratorischen Situation, sollten binnen kurzer Zeit rechtzeitig eine endotracheale Intubation und invasive Beatmung durchgeführt werden. Eine unnötig herausgezögerte Intubation führt zu einer Prognoseverschlechterung [16].

Sepsis

Patienten mit malignen Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko, eine Sepsis zu erleiden [8]. Aufgrund der anzunehmenden Immunsuppression durch Therapie und Tumorerkrankung ist gezielt auch nach sonst eher seltenen Krankheitserregern zu fahnden. Bei ca. 30 % der neutropenischen Patienten mit einer Sepsis kann eine Bakteriämie nachgewiesen werden. Neben gramnegativen Bakterien (Escherichia coli, Klebsiella-, Enterobacter-Spezies, Pseudomonas aeruginosa, Stenotrophomonas maltophilia u. a.) müssen aufgrund der hohen Zahl von implantierten i.v.-Katheter-Systemen mittlerweile auch grampositive Erreger (Koagulase-negative Staphylokokken, Staphylococcus aureus, inkl. MRSA, Enterococcus-Spezies u. a.) vermehrt in Betracht gezogen werden. Pilzinfektionen mit Candida-Spezies und Aspergillus kommen insbesondere bei Patienten mit einer prolongierten Neutropeniephase vor [17]. Zur Diagnosesicherung und Erregeridentifizierung ist, wie im Abschn. „Respiratorische Insuffizienz“ beschrieben, umfangreiches Material zu gewinnen und aufzuarbeiten. Prokalzitonin (PCT) scheint auch bei neutropenischen Patienten mit Fieber in der Lage zu sein, infektiöse von nichtinfektiösen Ursachen zu unterscheiden. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass bei neutropenischen Patienten die PCT-Induktion reduziert sein kann [18]. Zum Ausschluss schwerer bakterieller Infektion sollten daher niedrigere Grenzwerte (z. B. 0,1–0,25 ng/ml) angesetzt werden bzw. die Dynamik des PCT-Verlaufs beobachtet werden [19]. Gerade bei schweren Verläufen mit massiver Inflammation (auch postoperativ) und/oder Multiorganversagen werden hingegen auch sehr hohe PCT-Werte beobachtet. Eine Steuerung der Länge der antibiotischen Therapie mit PCT kann für diese Patienten derzeit nicht empfohlen werden, da hierzu keine intensivmedizinischen Studien vorliegen.

Systemische Pilzinfektionen können ebenfalls zu erhöhten Konzentrationen von PCT führen. Häufig erreichen die gemessenen Werte jedoch nicht die Höhe wie bei einer bakteriellen Sepsis. Daher sollte bei klinischem Verdacht auf eine Sepsis und nur moderat erhöhtem PCT oder auch bei unter Therapie nichtabfallendem PCT an eine Pilzinfektion gedacht werden [20]. Bei Autoimmunerkrankungen besitzen signifikant erhöhte PCT-Konzentrationen eine ausreichende Genauigkeit für systemische Infektionen, unabhängig davon, ob eine immunsuppressive Therapie oder Kortikosteroide eingesetzt werden [21]. Ebenso führen auch Tumorerkrankungen nicht zu einer relevanten PCT-Erhöhung, solange nicht sekundäre Infektionen oder eine systemische Inflammation hinzutreten. Lediglich für das C‑Zell-Karzinom der Schilddrüse sind erhöhte PCT-Konzentrationen beschrieben [22], sowie in seltenen Fällen beim kleinzelligen Bronchialkarzinom.

Insbesondere beim neutropenischen Patienten mit Fieber ist therapeutisch die unverzügliche Verabreichung eines geeigneten Antibiotikums von herausragender Bedeutung [15]. Empfohlen wird bereits initial eine Therapie mit Meropenem, Imipenem/Cilastatin oder Piperacillin/Tazobactam. Bei Verdacht auf eine Infektion mit resistenten Erregern muss die Therapie dem Resistogramm gemäß angepasst werden. Entfiebert der Patient nach 72 h nicht unter der initialen antimikrobiellen Therapie, oder vermutet man eine längere Neutropeniephase, sollte mittels eines Dünnschicht-CT des Thorax eine mögliche Pilzinfektion ausgeschlossen werden. Falls pilztypische Infiltrate vorliegen, so wird ein schimmelpilzwirksames Antimykotikum (Voriconazol/Isovuconazol, liposomales Amphotericin B) zusätzlich verabreicht. Die initiale intensivmedizinische Therapie unterscheidet sich auch beim hämatoonkologischen Patienten nicht von den allgemeinen Grundsätzen der Sepsisempfehlungen der Surviving Sepsis Campaign (SSC) aus dem Jahr 2016 [23, 24]. Materialgewinnung, zeitnahe Antibiotikatherapie, wenn möglich Fokussanierung und Stabilisierung der Vitalfunktionen haben oberste Priorität. Die grundsätzliche Gabe von G‑CSF beim neutropenischen Patienten, z. B. im Rahmen einer Sepsis, führt nicht zu einer Senkung der Mortalität und kann bei pulmonalen Infektionen sogar zu einer Verschlechterung der respiratorischen Situation führen (exogenes „engraftment syndrome“). Die Gabe von G‑CSF oder auch anderen Wachstumsfaktoren sollte daher nur im Rahmen von Studienprotokollen erfolgen.

Tumorlysesyndrom

Kommt es spontan oder durch eine Therapie zu einem massiven Tumorzellzerfall, werden große Mengen von intrazellulären Substanzen wie Kalium, Phosphat und Harnsäure freigesetzt. Werden die Ausscheidungskapazitäten überschritten, drohen Elektrolytstörungen sowie metabolische Entgleisungen. Die Ausfällung von Kalziumphosphat kann ein akutes Nierenversagen begünstigen. Besonders gefährdet sind Patienten mit schnell proliferierenden Tumoren oder mit großer Tumorlast und einer eingeschränkten Nierenfunktion. Somit tritt ein Tumorlysesyndrom gehäuft bei hämatologischen Neoplasien wie aggressiven Lymphomen und akuten lymphatischen Leukämien auf. Bei soliden Tumoren ist es seltener. Meist entsteht ein Tumorlysesyndrom erst nach Beginn der Therapie. Gefährdet sind insbesondere auch Patienten mit Lymphomen, die Kortikosteroide erhalten. Hier kann es unmittelbar nach Therapiebeginn zur Freisetzung großer Mengen intrazellulärer Substanzen kommen. Entwickeln sich ein akutes Nierenversagen, zerebrale Krampfanfälle oder Herzrhythmusstörungen, spricht man von einem manifesten Tumorlysesyndrom. Warnhinweise (sog. laborchemisches Tumorlysesyndrom) ergeben sich insbesondere aus erhöhten Werten für Laktatdehydrogenase, Phosphat, Kalium und Harnsäure sowie erniedrigten Kalziumwerten. Prophylaktisch ist eine adäquate Hydrierung sicherzustellen. Bei hohem Risiko sollten mehrmals täglich Laboruntersuchungen erfolgen und die Diurese engmaschig überwacht werden. Patienten mit manifestem Tumorlysesyndrom müssen intensivmedizinisch überwacht werden, und Elektrolytstörungen müssen, ggf. auch durch frühzeitigen Einsatz von extrakorporalen Nierenersatzverfahren, korrigiert werden. Eine Harnalkalisierung ist heute obsolet, um nicht die Ausfällung von Kalziumphosphat zu begünstigen. Zur Harnsäuresenkung kommt Allopurinol/Febuxostat oder bei hohem Risiko i.v.-verabreichte Rasburicase zum Einsatz. Rasburicase wandelt Harnsäure in das gut wasserlösliche Allantoin um, das ausgeschieden werden kann. Bei Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel ist Rasburicase kontraindiziert [11, 25, 26].

Toxische Nebenwirkungen einer Krebstherapie

Wichtig zur differenzialdiagnostischen Einordnung ist hierbei eine sorgfältige (Fremd‑)Anamnese über die Art und Dauer einer eingeleiteten Tumortherapie, verwendete Substanzen und Adjuvanzien (Steroide) sowie eine evtl. Beteiligungen an klinischen Untersuchungen. Hier sollte das Studienzentrum als Ansprechpartner kontaktiert werden, um genaue Informationen über die verabreichten Substanzen zu erhalten.

Nervensystem

Chemotherapeutika und lokale Bestrahlungen weisen zahlreiche neurotoxische Effekte auf. Die Patienten sind dadurch für Neuropathien und Enzephalopathien prädisponiert. Im perioperativen Kontext sollte dies in die Differenzialdiagnosen eines Delirs einbezogen werden. Parästhesien werden häufig nach Vincristintherapie berichtet. Hochdosierte Steroidtherapien fördern eine Myopathie [4].

Kardiovaskuläres System

Kardiotoxische Wirkungen sind v. a. für die Anthrazykline (z. B. Doxorubicin, Idarubicin) beschrieben worden. Sie schädigen die Kardiomyozyten durch Radikalbildung. Klinisch kommt es häufig früh nach Therapiebeginn zu Arrhythmien, QT-Zeit-Verlängerungen und Herzinsuffizienzzeichen. Eine anthrazyklininduzierte Kardiomyopathie kann auch spät einsetzten und chronifizieren. Die Chemotherapeutika Fluoruracil und Capecitabin sind mit ischämischen Nebenwirkungen assoziiert, hingegen können Paclitaxel und Thalidomid zu schweren Bradykardien mit der Notwendigkeit einer Schrittmachertherapie führen. Viele Tumorerkrankungen prädisponieren zur Entwicklung von thrombembolischen Ereignissen. Werden Angiogenesehemmer (sog. EGF- und VEGF-Inhibitoren) eingesetzt, kommen Lungenembolien genauso wie ventrikuläre Funktionsstörungen häufiger vor. Auch eine Strahlentherapie des Mediastinums geht nicht selten mit myokardialen Fibrosierungen und ischämischen Komplikationen einher. Diagnostisch wegweisend ist hier v. a. eine Echokardiographie [4].

Respiratorisches System

Durch Bestrahlungen im Kopf-Hals-Bereich können Fibrosierungen im Bereich der Trachea auftreten, die das Atemwegsmanagement deutlich erschweren. Darüber hinaus können zahlreiche Chemotherapeutika und/oder Bestrahlung zu Lungenschädigungen führen. Am bekanntesten ist die radikalvermittelte Toxizität durch Bleomycin. Bis zu 20 % der Patienten entwickeln im Verlauf eine Pneumonitis. Sekundäre Fibrosierungen können noch Jahre später entstehen. Die pulmonalen Schädigungen durch Bleomycin werden durch erhöhte inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen begünstigt, sodass mit den niedrigsten möglichen Konzentrationen im Rahmen einer perioperativen Versorgung oder Intensivtherapie zu arbeiten ist. Eine Steroidgabe kann den Verlauf günstig beeinflussen [4]. Auswirkungen auf das respiratorische System sind auch häufige Nebenwirkungen einer Strahlentherapie und auch Bestandteil der „immune-related adverse events“ (irAE) moderner individualisierter Krebstherapien [27].

Nierenfunktion

Viele Chemotherapeutika sind nierentoxisch. Eine sorgfältige Überwachung der Retentionsparameter, Hydrierung und Vermeidung weiterer nephrotoxischer Medikamente ist daher wichtig. So prädisponiert Cisplatin z. B. zu Niereninsuffizienz und Hypomagnesiämie. Eine Besonderheit von Cyclophosphamid ist die Induktion eines Syndroms der inadäquaten ADH-Ausschüttung (SIADH) durch einen direkten Effekt auf die Nierentubuli sowie eine hämorrhagische Zystitis [4].

Nebenwirkungen der Antikörper- und Immuntherapien

Die modernen Krebstherapien beinhalten immer öfter zielgerichtete Interventionen durch spezifische Antikörper gegen Tumorzellantigene wie das B‑Lymphozyten-Antigen CD20 und den „epidermal growth factor receptor“ (Rituximab, Cetuximab), angiogenetische Faktoren wie „vascular endothelial growth factor“ (Bevacizumab) oder durch Hemmung der Tyrosinkinase (Imatinib). Inhibitoren wurden mittlerweile für eine Vielzahl von hämatologischen und auch soliden Tumoren entwickelt und können vom Patienten oral eingenommen werden. Neueste Entwicklungen beinhalten die bispezifischen Antikörper (BAB), speziell modifizierte und auf Tumorantigene ausgerichtete T‑Zellen („chimeric antigen receptor“, CAR) und Immun-Checkpoint-Inhibitoren [7]. Diese modernen zielgerichteten Substanzen führen zur Elimination der Tumorzellen durch Aktivierung des Immunsystems oder Reduktion der Immuntoleranz des Tumorgewebes. Generell sind diese gut verträglich, es können jedoch auch schwere Nebenwirkungen auftreten. Das Nebenwirkungsprofil dieser neueren Substanzen unterscheidet sich von denen einer klassischen Chemotherapie. Klinisch stehen Symptome einer systemischen Inflammationsreaktion (SIRS), einer respiratorischen Insuffizienz mit Pneumonitis, zentralnervöse Symptome und kardiovaskuläre Komplikationen im Vordergrund. Aufgrund der Vielzahl an eingesetzten Substanzen und der komplexen immunologischen Wirkungen und Interaktionen ist frühzeitig ein versierter Hämatoonkologe in die interdisziplinäre Behandlung einzubeziehen [27]. Einen schnellen Überblick zu möglichen Nebenwirkungen von Chemotherapeutika ermöglichen Internetressourcen, wie die Webseite des National Cancer Institute [28].

„Cytokine-release syndrome“

Therapiebedingte systemische Inflammationsreaktionen treten oft zu Beginn einer Therapie mit Antikörpern oder CAR-Zellen auf, sodass eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zu einer echten anaphylaktischen Reaktion schwierig sein kann. Die Therapie ist dabei jedoch ähnlich. Auch Schmerzsyndrome und Fieber kommen vor [27]. Hierbei spielen extreme Anstiege von Interleukin-6 pathophysiologisch eine besondere Rolle. Die Mehrzahl der Patienten spricht gut auf eine symptomatische Therapie mit Antihistaminika, Kortikosteroiden und eine antipyretische Therapie an. Schwere und potenziell tödliche „cytokine-release syndromes“ (CRS) kommen v. a. im Rahmen einer Therapie mit CAR-T-Zellen vor. Hypotensionen konnten bei 40 %, Hypoxien bei 15 % der mit CAR-T-Zellen behandelten Patienten beobachtet werden. Bei durch ein CRS vital bedrohten Patienten nach CAR-T-Zell-Therapie wird nach Empfehlungen des National Cancer Institute auch ein Therapieversuch mit einem monoklonalen IL-6-Rezeptor-Antikörper (Tocilizumab) empfohlen. Die Therapie des CRS schwächt die Effizienz einer Immuntherapie und sollte daher dringend unter Einbeziehung eines Hämatoonkologen erfolgen [27].

„Immune-related adverse events“

Hierbei handelt es sich um die Nebenwirkung einer Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren wie dem Anti-CTLA-4-Antikörper Ipilimumab und den Anti-PD-1-Antikörpern Nivolumab und Pembrolizumab. Diese werden heute zur Therapie von metastasierten malignen Melanomen, Lungen- und Nierenzellkarzinomen eingesetzt. Häufig kommt es im Rahmen eines irAE zu Diarrhö, Hepatitis, Kolitis und Endokrinopathien (z. B. Schilddrüse, Hypophyse). Das zeitliche Auftreten und Art der Nebenwirkungen variieren stark in Abhängigkeit von den eingesetzten Substanzen (Übersicht unter [29]). Schwere bzw. lebensbedrohliche Nebenwirkungen wie Perforationen im Gastrointestinaltrakt oder eine respiratorische Insuffizienz und Pneumonitis treten unter Ipilimumab häufiger auf als unter Nivolumab und Pembrolizumab. Betroffen sind v. a. auch Patienten unter einer Kombinationstherapie aus Ipilimumab und Nivolumab. Bei entsprechendem Verdacht ist neben allgemeinen intensivmedizinischen Maßnahmen eine sorgfältige Anamnese über Art und Dauer des eingesetzten Checkpoint-Inhibitors sowie die weitere tumorspezifische und adjuvante Therapie essenziell. Differenzialdiagnostisch sind vorbestehende Autoimmunerkrankungen und Infektionen zu berücksichtigen. Die spezifische Therapie sollte wieder gemeinsam mit einem Hämatoonkologen eingeleitet werden und beinhaltet neben dem Absetzen der Checkpoint-Inhibitoren eine immunsuppressive Therapie mit Kortikosteroiden und ggf. auch weiteren Substanzen wie Mycophenolat und Tacrolimus bei ausbleibendem Therapieerfolg im Verlauf [27, 29].

Interstitielle Pneumonitis

Neben einer Infektion können auch verschiedene moderne Krebstherapien eine interstitielle Pneumonitis auslösen. Sie tritt in bis zu 15 % der Behandlungsfälle auf. Schwere Fälle sind insbesondere für Therapien mit Phosphoinositol-3-Kinase-Inhibitoren (PI3K) wie Idelalisib und vereinzelt auch unter Checkpoint-Inhibitoren beschrieben worden. Die zugrunde liegende Pathophysiologie ist noch nicht vollständig verstanden, aber therapiert wird hauptsächlich symptomatisch durch allgemeine intensivmedizinische Maßnahmen und Kortikosteroide [27, 29].

Störungen der Angiogenese

Eine Therapie mit antiangiogenetischen Substanzen wie Bevacizumab, Aflibercept und Ramucirumab wird häufig bei Patienten mit soliden Tumoren des Gastrointestinaltrakts durchgeführt. Neben kardialen Nebenwirkungen wie myokardialen Ischämien, Herzinsuffizienz, systemischem und pulmonalem Hypertonus sowie schweren thrombembolischen Ereignissen sind v. a. auch Perforationen im Gastrointestinaltrakt und Wundheilungsstörungen beschrieben worden [30, 31].

Neurologische Komplikationen

Milde neurologische Symptome wie Tremor oder Ataxie treten unter den neuartigen zielgerichteten Therapien häufig auf; schwere Verläufe mit Hirnödem und zerebralen Krampfanfällen kommen insbesondere unter einer CAR-T-Zell-Therapie vor. Epileptische Anfälle können zu jedem Zeitpunkt während der Therapie auftreten. Differenzialdiagnostisch sind neben bakteriellen ZNS-Infektionen auch eine Herpesvirusenzephalitis sowie eine Toxoplasmose, aber auch Blutungen und andere zerebrovaskuläre Ereignisse auszuschließen. Steht eine Therapienebenwirkung im Verdacht, die Symptome zu verursachen, kommen neben flankierenden allgemeinen intensivmedizinischen Maßnahmen bei schwerer Symptomatik ebenfalls wieder hochdosierte Steroide zum Einsatz (z. B. Dexamethason 4‑mal 10 mg/Tag i.v.). Aufgrund der deutlichen Abschwächung der Therapieeffizienz durch Steroide sollte frühzeitig ein Onkologe hinzugezogen werden [27, 29].

Patienten nach allogener Stammzelltransplantation

Bei Patienten nach allogener Stammzelltransplantation kann eine Vielzahl von infektiösen und nichtinfektiösen Problemen auftreten. Hierzu zählen auch eine diffuse alveoläre Blutung und die Bronchiolitis obliterans. Kommt es im Rahmen einer Notfallbehandlung zur Aufnahme auf eine operative Intensivstation, ist daher zeitnah Kontakt zu dem Stammzelltransplantationszentrum aufzunehmen. Eine initiale symptomatische Notfall- und Intensivbehandlung unterscheidet sich nicht vom Vorgehen bei anderen Patienten. Differenzialdiagnostisch ist immer auch eine Graft-versus-Host-Erkrankung anzusehen, bei der das Gewebe des Patienten vom „neuen“ Immunsystem als „fremd“ erkannt und angegriffen wird, was eine Vielzahl von Symptomen hervorrufen kann. Die Therapie besteht aus einer von einem spezialisierten Zentrum festzulegenden Immunsuppression [32].

„Engraftment syndrome“

Im Rahmen der Leukozytenerholung nach Aplasie kommt es bei einigen Patienten noch einmal zu einer akuten und teils massiven Verschlechterung der respiratorischen Situation. Dies ist Folge eines Teils des unkontrollierten Einschießens von neutrophilen Granulozyten in die Lunge. Nach Ausschluss von infektiologischen Ursachen kann die Gabe von Kortison sinnvoll sein [12].

Aufnahmestrategien und Aufnahmekriterien

Durch die Diagnose Krebs wird die intensivmedizinische Prognose vieler Patienten häufig falsch eingeschätzt [12]. In der 2009 publizierten SOAP-Studie konnte gezeigt werden, dass die Überlebensraten der Intensivaufenthalte von Patienten mit soliden Tumoren mit der von Patienten ohne Tumorerkrankung vergleichbar sind (20 vs. 18 %). Patienten mit einer hämatologischen Grunderkrankung zeigten allerdings im Jahr der Untersuchung (2002) schwerere Krankheitsverläufe mit gehäuftem Auftreten von septischen Verläufen, akutem respiratorischen Versagen, akuter Nierenschädigung und einer letztlich erhöhten Gesamtmortalität von 42 %. In aktuellen Studien unter einem modernen und frühzeitigem Intensivmanagement sind die Überlebensraten für Patienten mit soliden Tumoren, verglichen mit Patienten mit einer hämatologischen Grunderkrankung, ähnlich [33, 34]. In den beiden Arbeiten von Azoulay et al. [33, 35] gelang der Vergleich von Tumorpatienten vs. Nichttumorpatienten und der Relativierung, dass Intensivpatienten mit maligner Grunderkrankung per se ein ungünstigeres Outcome zeigen (Abb. 1, Mortalität von Krebspatienten über die Jahre). Der generellen Ablehnung oder Skepsis, einen Krebspatienten auf eine Intensivstation aufzunehmen, wurden somit klare Gegenargumente geliefert. Ein besseres Überleben zeigen Patienten in Remission ihrer malignen Grunderkrankung und bei einer frühzeitigen Intensivverlegung innerhalb der ersten 24 h. Dahingegen zeigen Krebspatienten eine erhöhte Mortalität mit fortgeschrittenem Lebensalter, schlechtem physiologischen Status, allogener Stammzelltransplantation, respiratorischem Versagen (ARDS), multiplem Organversagen, kardiopulmonaler Reanimation und einer Organinfiltration durch das Malignom oder dem Vorliegen einer invasiven Aspergillose. Restriktive Aufnahmekriterien von Krebspatienten stellten sich häufig als fehlerhaft heraus, und eigentlich notwendige Therapien wurden entweder gar nicht oder zu spät eingeleitet. Selbst erfahrene Intensivmediziner und Hämatoonkologen bzw. spezialisierte Krebszentren schätzten die Situation, ob ein kritisch kranker Krebspatient von einer intensivmedizinischen Behandlung profitiert, in nahezu der Hälfte der Fälle nicht korrekt ein [33, 35]. Ebenso gilt es aber auch, nichtsinnvolle therapeutische Eskalationen bei malignen Grunderkrankungen zu vermeiden. Die Definition eines erreichbaren Therapieziels, sei es kurativ oder palliativ, ist daher eine Grundvoraussetzung, bevor eine Indikation zur Durchführung einer bestimmten medizinischen Maßnahme gestellt werden kann [36]. Im Positionspapier der Sektion Ethik der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv und Notfallmedizin (DIVI) werden diese Aspekte klar artikuliert: Wird ein kurativer Therapieansatz verlassen, müssen zwingend sämtliche diagnostischen, therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen überprüft werden. Erste Grundvoraussetzung für die Einleitung einer Therapie ist die bestehende medizinische Indikation. Bei der Indikationsstellung sind die Grundsätze Menschenwürde, Autonomie, Fürsorge, nicht schaden und Gerechtigkeit zu beachten. Nichtindizierte Maßnahmen dürfen nicht angeboten werden. Besteht nach ärztlicher Entscheidung die Indikation zur Durchführung einer bestimmten Maßnahme, muss als zweite Grundvoraussetzung der Patient dieser Maßnahme zustimmen bzw. sein Wille ermittelt werden. Die Maßnahmen müssen im Verlauf immer wieder reevaluiert werden, und ggf. muss auch eine Therapiezieländerung vorgenommen werden [37].

Abb. 1
figure 1

Entwicklung der Mortalität von internistischen, invasiv beatmeten Krebspatienten. (Mod. nach [38])

Die Festlegung eines erreichbaren Therapieziels und somit auch die Beratung des Patienten oder der Angehörigen während der Willensbildung bzw. Willensermittlung hängen maßgeblich von der gestellten Prognose für den jeweiligen individuellen Patienten ab. Diese Prognosestellung ist häufig schwierig und mit vielen Unsicherheiten behaftet.

Um eine Untertherapie, aber auch unnötige und nichtsinnvolle Übertherapien bei diesen Patienten zu verhindern, kann das in Abb. 2 dargestellte Triage-Modell helfen. Dieses entspricht auch einer Empfehlung einer internationalen Expertenkommission aus dem Jahr 2011 [32, 35]. Nachdem die Prognosestellung auch in erfahrenen Zentren mit großen Unsicherheiten behaftet ist, erscheinen eine frühe initial unlimitierte intensivmedizinische Versorgung und verlaufsgereichte Beurteilung nach 3 bis 5 Tagen in vielen Fällen gerechtfertigt [39]. Ist die Indikation hierfür gestellt worden, gilt es jedoch, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese auch dem Patientenwillen entspricht. In Abhängigkeit von den lokalen Gegebenheiten kann es auch erforderlich sein, einen Patienten auf die Intensivstation aufzunehmen, um in einer nicht mehr kurativen Situation eine adäquate Symptomkontrolle zu erzielen („palliative trial“).

Abb. 2
figure 2

Aufnahmekriterien unter Berücksichtigung der Langzeitprognose. GvHD „graft-versus-host disease“. (Mod. nach [35])

Fazit für die Praxis

  • Intensivmediziner, egal welcher Fachrichtung, sollten generell über ein Grundverständnis für die pathophysiologischen Veränderungen durch maligne Erkrankungen sowie über die Wirkmechanismen moderner onkologischer Therapien verfügen.

  • Grundsätzlich sollte jedem Krebspatienten die Aufnahme auf einer Intensivstation ermöglicht werden. Die primäre Versorgung unterscheidet sich nicht wesentlich von nichtonkologischen Patienten. Mithilfe des oben aufgeführten Triage-Modells kann es gelingen, Krebspatienten entsprechend zu versorgen. Dabei kann auf der einen Seite notwendiges Intensivmanagement rasch umgesetzt werden, aber auf der anderen Seite werden auch unnötige und z. T. quälende lebensverlängernde Maßnahmen unterbunden.

  • Die Komplexität in der Behandlung von Krebspatienten erfordert im Verlauf eine gemeinsame, interdisziplinäre Versorgung durch Anästhesiologen/Intensivmediziner, chirurgische Fachdisziplinen und Hämatoonkologen.