Liebe Leserinnen und Leser!

Willkommen bei der ersten Ausgabe von psychopraxis.neuropraxis im Jahr 2022. Unser Leben befindet sich in einem permanenten Wandel. Dies wurde uns allen wohl noch nie so deutlich vor Augen geführt wie in den letzten Monaten. Während der sich langsam vollziehende demografische Wandel schon lange beschrieben und vorhergesagt wird, beginnen seine Auswirkungen sich nun auch im medizinischen Alltag mehr und mehr zu zeigen. Menschen mit chronischen Erkrankungen sind so groß an der Zahl wie nie zuvor. Gerade wir als die im Arbeitsprozess Stehenden und im Leben schon etwas Fortgeschrittenen realisieren mehr und mehr, dass der Anteil derer in unserer Gesellschaft, die Unterstützung brauchen, wächst und wir können uns vor allem langsam alle selbst schon in der Situation sehen, in der auch wir Unterstützung brauchen werden. Und wir merken, dass nicht nur hoch technisierte Leistungen wichtig sind, sondern es vielmehr auch speziell abgestimmte Unterstützung ist, die unser Leben lebenswert macht und unsere Lebensqualität hoch erhält. Diese Unterstützung wird nicht durch eine Berufsgruppe gewährleistet, sondern erfordert ein interdisziplinäres Arbeiten. Mediziner, Psychologen, Pflegekräfte, Sozialarbeiter, Juristen, Angehörige u.v.m. bilden eine derzeit oft noch zufällig zusammengewürfelte Gemeinschaft, die dafür sorgt, dass ein chronisch kranker Mensch selbstbestimmt und mit hoher Lebensqualität leben kann. Diese Bemühungen und Leistungen können unter dem Begriff „palliative care“ zusammengefasst werden, die medizinischen Leistungen und Angebote fallen in den Fachbereich der Palliativmedizin, eine nun in vielen Fächern zur Zusatzausbildung verankerte Spezialisierung.

All das wird aktuell überlagert von einer weltweiten Pandemie durch ein SARS-Virus, wie wir sie in dieser Dimension wohl noch nie hatten. Wir alle, Mediziner, Chemiker, Statistiker, Politiker u.v.m. lernen tagtäglich im Umgang mit dieser Situation, wie sich eine stabil geglaubte Gesellschaft verändert. Wir erleben, wie wichtig nicht nur die medizinische Behandlung der Pandemie ist, sondern wie rasch sich geänderte Lebensumstände auswirken auf unser aller Wohlbefinden. Die Akuterkrankung, die Langzeitfolgen direkt durch die Erkrankung, die Akut- und Langzeitfolgen durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung und – last, but not least – der Schaden, der angerichtet wird, wenn Information nicht allgemein verständlich und präzise unter die Menschen gebracht wird.

In dieser Ausgabe von psychopraxis.neuropraxis informieren wir übergreifend zu beiden Themen. Die Möglichkeiten und Techniken von „palliative care“ versuchen wir in drei ausgewählten Artikeln zu erarbeiten, welche aus Vorträgen im Rahmen des fünften Neuropalliativkongresses (www.sanicademia.eu) in Villach im Oktober 2021 erstellt wurden. Zu häufigen Post-Covid-Folgen gehören psychiatrischerseits die Depression und die Schlafstörungen. Es ist also gerade jetzt, so denken wir, an der Zeit, die schweren, hartnäckigen Verläufe dieser Erscheinungsformen etwas zu thematisieren. Wie sich Verhalten in Pandemiezeiten ändern kann, erörtern wir am Beispiel der Konsumgewohnheiten bei Sucht. Ja – und da wir derzeit deutlich vor Augen geführt bekommen, dass Therapie ohne entsprechende Kommunikation nicht wirklich funktioniert, widmen wir uns auch diesem Thema.

Wie immer hoffen wir, es ist etwas für Sie dabei und wünschen eine anregende und wissensgenerierende Zeit mit psychopraxis.neuropraxis.

Ihr

Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Kapeller