Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die vorliegende Ausgabe spannt – dem Konzept des Journals entsprechend – einen weiten psychiatrisch-neurologischen Bogen. Für Erkrankte ist das Wissen um die eigene Erkrankung von hohem Wert, wie der Artikel „Verlauf und Therapie bipolarer Störungen“ von Andreas Erfurth und Kollegen darlegt. Als zweiter Teil einer Serie werden nun die Module V und VI eines von der westfälischen Wilhelms-Universität Münster entwickelten Programms zur Gruppenpsychoedukation bipolarer Patienten vorgestellt. Das Verstehen – auch der medizinischen Aspekte – ermöglicht Autonomie und Eigenverantwortung im Umgang mit der bipolaren Erkrankung und verbessert nachweislich den Verlauf.

Im Artikel „Zusammenhänge zwischen Empathie, therapeutischer Haltung und Wirkeffizienz“ beschreiben Dagmar Steinmair und Henriette Löffler-Stastka die Notwendigkeit, aber auch die Gefahren, von Empathie im psychotherapeutischen Setting und generell im ärztlichen Handeln. Betont wird die Trainingsmöglichkeit, vor allem der wichtigen kognitiven Komponente der Empathie.

Hilde Mayer-Gutdeutsch stellt in „Klopfen mit PEP – nach Michael Bohne zur Reduktion von Alkohol-Craving – ein Fallbeispiel“ die erfolgreiche Anwendung der Prozess und Embodiment fokussierten Psychologie bei Suchterkrankungen vor. Dies ist eine bifokal-multisensorische Methode, bei der nach initialen, esoterisch anmutenden, „energetischen“ Erklärungsmodellen nun eine neurobiologische Grundlage angenommen wird.

Quasi den Scheitel des psychiatrisch-neurologischen Bogens stellt der Artikel „Das funktionelle Querschnittssyndrom – ein Fallbericht“ von Thomas Haider und Lisbeth Notter dar. Trotz ihrer Häufigkeit sind funktionelle Erkrankungen wenig umsorgte Stiefkinder sowohl der Neurologie als auch der Psychiatrie und verbleiben meist im Niemandsland zwischen beiden Fächern. Strukturierte therapeutische Ansätze sind – zumindest hierzulande – nicht verfügbar, eine gewisse Ratlosigkeit ist vorherrschend. Der Fallbericht zeigt exemplarisch, dass auch hier die, oft durchaus heikle und schwierige, Aufklärung des Patienten und das dadurch erlangte Wissen von hoher therapeutischer Wirksamkeit sein können.

Im Artikel „Parkinson-Krankheit und atypische Parkinson-Syndrome. Diagnostische und therapeutische Überlegungen anhand von zwei Fallbeispielen“ von Michael Luschnig wird praxisorientiert die mit zunehmender Erkrankungsdauer schwierige Therapie typischer und atypischer Parkinson-Erkrankungen erläutert. Hervorzuheben sind die im Verlauf der Erkrankung oft notwendigen (und auch meist verträglichen) hohen l-DOPA-Dosen von 1000 mg und mehr, die diffizile und oft neu anzupassende Kombinationstherapie und die rechtzeitige Implementierung kontinuierlicher dopaminerger Therapieformen.

Eine häufige und wichtige Differentialdiagnose zur Parkinson-Erkrankung stellt der idiopathische Normdruckhydrozephalus (iNPH) dar, dem sich Peter Kapeller in seinem Artikel „Normaldruckhydrocephalus – eine behandelbare Form der Demenz?“ widmet. Die klinischen und radiologischen Charakteristika des iNPH werden beschrieben, ebenso aber auch die Problematik des „asymptomatischen iNPH“, den man besser als „Asymptomatische Ventrikulomegalie (AVIM)“ ansprechen sollte und der meist einen radiologischen Zufallsbefund darstellt. Diese Konstellation ist häufig und kann – oft erst nach vielen Jahren – symptomatisch werden. Bei dazu widersprüchlichen Expertenempfehlungen werden beim Zufallsbefund AVIM klinische Kontrollen vom Autor als wichtig erachtet und empfohlen. Eine Therapieindikation besteht nur bei symptomatischen Patienten, welche sich mittels Shunt-Implantation zu einem hohen Prozentsatz klinisch verbessern.

Christian Lechner und Romana Höftberger beleuchten in „Immunmediierte Bewegungsstörungen. Antikörper, Chorea Sydenham, PAN(DA)S und OMS im Fokus“ aus klinischer und neuropathologisch-immunologischer Sicht dieses wichtige differentialdiagnostische Spektrum. Die beschriebenen Erkrankungen bieten ebenfalls oft ein buntes Neben- bzw. Miteinander an neurologischer und psychiatrischer Symptomatik – womit sich nun der thematische Bogen zum Kreis schließt.

Eine interessante Lektüre wünscht,

Ihr Helmut Rauschka