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Südlich von Bristol liegt das Weston-super-Mare Grand Pier, das immer wieder durch Feuer in Mitleidenschaft gezogen — und immer wieder neu aufgebaut wurde.

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Stege, Landungsbrücken, Piers — ob am See, am Fluss oder am Meer. Oft sind es ganz einfache aber in vielen Fällen auch sehr aufwendig und liebevoll gestaltete Wege, die vom Land je nach Wasserpegel über das Wasser führen, und sie stellen eine faszinierende Verbindung der Elemente dar. Sie laden zum Träumen ein. Von Abenteuern, Romanzen, von Lust und Katastrophen. Sie können auch zur Reflexion der eigenen Grenzen anregen — oder dazu, diese ein bisschen weiter hinauszuschieben. Und sie bieten handfeste Unterhaltung.

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St. Anne’s-on-the-Sea in der Nähe von Blackpool bietet eines der prächtigsten und bekanntesten Piers Großbritanniens.

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Großbritannien als Insel, aber auch als ehemaliges Imperium, hat eine ganz besondere Beziehung zu seinen Piers. Nicht zuletzt deshalb nimmt sich die National Piers Society als nicht gewinnbringende Organisation seit 1979 der Pflege und der Öffentlichkeitsarbeit für die zahlreichen speziellen Bauwerke rund um die Insel und auch den Norden der Nachbarinsel an. Obwohl: Es waren schon mehr. Laut Angaben der Gesellschaft sollen etwa 100 solche Stege existiert haben, davon wurden etwa die Hälfte dem Verfall preisgegeben und sie sind verschwunden. Damit dieses Schicksal nicht noch mehr Wege über das Wasser trifft, sammelt die National Piers Society einerseits Mitglieder, die die Botschaft mehr oder weniger aktiv weitertragen, und tritt mit Veranstaltungen, Informationsmaterial, Vorträgen und ähnlichem in der Öffentlichkeit auf, um Interesse zu wecken.

Unterhaltung im Seebad

Das traditionell innige Verhältnis der Briten zu ihren Piers spiegelt sich in der vielfältigen Gestaltung der einzelnen Vertreter. Sie sind jedenfalls meist in die vielen und immer noch sehr beliebten und oft irgendwie skurrilen Seebäder integriert. Piers an den Küsten der Britischen Inseln sind meist nicht nur einfache Stege. In vielen Fällen sind sie Träger für verschiedenste Bauwerke, die ein gemeinsames Ziel haben: das Vergnügen. Pavillons mit bis zu 2000 Sitzplätzen für Konzerte, Theater und für Cabaret, Riesenräder, Spielhallen, sogar eine Bowlingbahn und natürlich Geschäfte und Restaurants schließen sich an und um die Piers zu Zentren der Lustbarkeiten zusammen — und das schon teilweise seit mehr als 100 Jahren. Manche dieser Konstruktionen hatten usprünglich Längen von mehr als 300 Metern, großteils sind sie aus Holz gebaut, weswegen immer wieder Teile der Gebäude und auch der Stege dem Feuer zum Opfer fielen — immer wieder entsteht in der Folge Neues.

Werden und Vergehen

Eines der prächtigsten und bekanntesten Piers Großbritanniens ist St. Anne’s-on-the-Sea in der Nähe von Blackpool im Nordwesten Englands, das 1885 eröffnet wurde und durch eine markante Nachbildung eines Tudor-Bauwerks betreten wird. Das Weston-super-Mare Grand Pier in Westengland südlich von Bristol wurde 1904 zum ersten Mal eröffnet und blickt ebenfalls auf eine bewegte Geschichte von Verwüstungen durch Feuer und Wiederaufbau zurück. Zuletzt wurde es 2011 von Prinzessin Anne nach einer Restaurierung wiedereröffnet. Sogar mit einem Leuchtturm ausgestattet ist das Roker Pier in Sunderland in Nordostengland. Dessen Vorläuferkonstruktion wurde bereits im frühen 18. Jahrhundert begonnen, an seinem heutigen Platz wurde es aber schließlich gemeinsam mit dem rot-grauen Granitleuchtturm 1903 eröffnet. Vor dem drohenden Verfall konnte es schließlich gerettet werden und ein Restaurierungsprojekt wurde 2018 abgeschlossen.

Ob im UK oder anderswo, ob raffiniert ausgestaltet oder einfach und bodenständig — die Wege über das Wasser bieten ausgezeichnete Gelegenheiten den Alltag ein bisschen hinter sich zu lassen.

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Der markante Leuchtturm von Roker Pier in Nordostengland ist weithin sichtbar.

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