Beschädigte, nicht mehr voll funktionstüchtige Produkte können in vielen Fällen noch repariert werden. Reparieren ist auf dem besten Weg — wieder — zu einem Stilmittel der Gestaltung zu werden und es birgt durchaus handfeste und philosophische Aspekte: Als Wertschätzung gegenüber Bestehendem, als Ausdruck des achtsamen Umgangs mit der Umwelt, als wirkungsvolles Mittel, um Kosten zu sparen, und als Verbindung von der Vergangenheit in die Zukunft.

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Farbe für durchgescheuerte Socken

Photo: © Marco Montalti / Getty Images / iStock

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Beschädigtes wird im Kintsugi veredelt.

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Im Volkskundemuseum wird ein Kachelofen restauriert — auch zum Zuschauen

Photo: © Christa-Knott_Volkskundemuseum Wien

Wertschätzung für das Fehlerhafte

Österreichs Literaturnobelpreisträge für Literatur 2019, Peter Handke, macht es schon lange — und sicher nicht des Geldes wegen: Er stopft fadenscheinig gewordene Stellen seiner Hemden, bewusst auffällig mit buntem Garn. Man habe ihn, so heißt es, bereits darauf angesprochen, von welchem Designer er diese Hemden beziehe. Der vermeintliche Makel wird zum Schmuck. In gleicher Weise funktioniert die japanische Technik des Kintsugi, bei dem zerbrochene Keramik- oder Porzellanschalen kunstvoll mit Klebstoff und Gold- oder anderem edlen Pulver, wie Silber oder Platin zu einem wertvollen Dekorationsstück wieder zusammengesetzt werden. Diese Technik stammt aus dem ästhetischen Prinzip des Wabi-Sabi aus dem 16. Jahrhundert, das die Einfachheit und die Wertschätzung der Fehlerhaftigkeit preist. Das wussten bis vor wenigen Jahrzehnten auch die meisten Menschen in westlichen Gesellschaften, bis die eingeläutete Konsumwut auf schnelllebige Produkte und eine kontinuierliche Erneuerung anstelle der Wiederherstellung setzte.

Nun aber geht es zurück zu den Wurzeln. Und der neue Begriff lautet: Visible Mending, also die sichtbare Reparatur von Kleidung. Wurde Bekleidung früher zumeist “unsichtbar” geflickt, so werden Löcher, Risse oder Flecken heute mit einfachen Stick- und Stopftechniken kreativ repariert. „Konsumierst du noch oder reparierst du schon?” lautet daher das Motto für das re:pair festival, das bis 6. November erstmals im Wiener Volkskundemuseum stattfindet, mit mehr als 100 Veranstaltungen an 22 Tagen.

Auch die Medizin repariert

Reparatur-Initiativen, die in den vergangenen Jahren in verschiedensten Bereichen entstanden sind, sind Kooperationspartner des Reparaturfestivals, internationale Expertinnen, Aktivistinnen und Künstlerinnen präsentieren ihre Projekte, und Besucher erhalten Anregungen und Anleitungen in zahlreichen Workshops, wo sie beispielsweise lernen können, Socken, Pullover oder Hosen zu stopfen, kleinere Reparaturen an Haushaltsgeräten selbst zu erledigen, den kaputten Fahrradreifen zu flicken oder das Messer zu schleifen. Dazu gibt es Workshops, Vorträge und Spaziergänge im Bezirk zu kleinen Werkstätten, sowie einige Filme, wie beispielsweise „Die Lebenden reparieren”, der sich mit dem Thema Organspende poetisch anhand einer tragischen Familiengeschichte auseinandersetzt. Schließlich ist auch die Medizin ein Feld, in dem ziemlich viel repariert wird”.