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Er kam von Wien nach Eberswalde und übernahm die Verantwortung als Pflegedienstleiter für das GLG Martin Gropius Krankenhaus: Raphael Schubert, 30 Jahre alt, ausgebildet im Wiener Rudolfinerhaus, mit Erfahrungen als Pflegeleiter im stationären wie im ambulanten Bereich. Nun leitet er insgesamt 491 Pflegekräfte, darunter 60 Auszubildende.
256 vollstationäre Betten, 110 Tagesklinikplätze und 148 Plätze in der Forensischen Klinik und 36 Plätze für die sozialpsychiatrische Rehabilitation bietet das moderne Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik, Neurologie und ambulante Versorgung in Eberswalde. Das Aufgabenspektrum für den Pflegedienstleiter ist somit sehr breit und komplex. Der Einstieg erfolgte in einer Zeit besonderer Herausforderungen — fast punktgenau mit dem Beginn der ersten Phase der Corona-Pandemie und in einem Jahr, das die WHO zum „Jahr der Pflegenden und der Hebammen“ erklärte hatte, um auf die besondere Bedeutung dieser Berufsgruppen aufmerksam zu machen. Im Interview erzählt Raphael Schubert, wie er die Zeit erlebte und welche Erfahrungen ihm heute, nach fast einem Jahr, besonders wichtig sind.
Worin liegen die Schwerpunkte Ihrer jetzigen Arbeit?
RAPHAEL SCHUBERT: Ich bin im März 2020 im Grunde zeitgleich mit dem ersten Lockdown und den ersten Verschärfungen aufgrund der Corona-Pandemie hierhergekommen. Das war beruflich wie auch privat eine große Herausforderung. Privat, da ein Umzug inmitten eines Lockdown gar nicht so einfach ist. Und beruflich, da viele Themen, die in „normalen Zeiten“ Schwerpunkte wären, hintangestellt wurden. Das zentrale Thema seit meinem Beginn ist klarerweise Covid-19. Als Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie sind wir zwar kein Covid- Schwerpunktkrankenhaus und somit nicht für die Betreuung von Covid-Patientinnen und -Patienten zuständig. Es bringt aber viele andere Herausforderungen mit sich. Einerseits verschärfte Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie richtigerweise gesetzt wurden und viele psychiatrische Erkrankungen bzw. Symptomatiken. Andererseits, sind die Möglichkeiten der Behandlung und Betreuung von psychisch-kranken Menschen zurzeit eingeschränkt. Hier gilt es als Fachkrankenhaus weiterhin, auch in der Krise für die Patientinnen und Patienten da zu sein und alle Leistungen, die notwendig sind, anzubieten. Ein anderer Schwerpunkt ist ganz sicher die Personalsituation. Die Pflege in Deutschland ist „ausgehungert“. Zwar ist es aktuell wieder im Trend, die Pflege hoch zu loben. Aber nur durch Klatschen oder schöne Worte wird sich nichts ändern. Hier gilt es, auch in kleinem Rahmen, Maßnahmen zu setzen, um die Bedingungen zu verbessern. 2021 werden außerdem die großen politischen Reformen — Pflegepersonaluntergrenzen und PPP-RL — zwingend umzusetzen sein. Neben Covid-19 wird hier ganz sicher ein Schwerpunkt liegen.
Was bedeutet die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung für das GLG Martin Gropius Krankenhaus?
Grundsätzlich das Gleiche wie für alle Häuser — eine Verbesserung. Eines der Probleme der Pflege ist die Unübersichtlichkeit der Ausbildungen. Es gibt von ungelernten Pflegehilfskräften bis hin zu dreijährig spezialisierten Ausbildungsmodellen verschiedene Wege, um Pflegekraft zu werden. Das ist in meinen Augen ein Problem. Hier sollte Klarheit herrschen. Pflegekräfte sind Personen, die eine dreijährige generalistische Ausbildung absolviert haben. Danach muss es die Möglichkeit geben, sich auf einem Gebiet zu spezialisieren. Gleichzeitig mit der Reform der Ausbildung, sollte auch eine Klarheit der Aufgaben einhergehen. Dies ist leider nicht passiert. Insofern ist es in Häusern immer noch so, dass man hochspezialisierte Pflegekräfte mit einer sehr guten Ausbildung hat, die aber auch Essen austeilen oder Betten machen müssen. Das sind auch ehrenwerte Aufgaben, die dazu gehören, damit es einem Patienten gut geht. Aber für Pflegefachkräfte ist dies, meiner Meinung nach, angesichts ihres sonstigen Arbeitspensums frustrierend. Hier bräuchte es mehr unterstützendes Personal, um Ressourcen zu schaffen. Dann würde es auch den „Pflegemangel“ nicht in diesem Ausmaß geben. Pflege sollte sich auf die Kernarbeit konzentrieren.
Im vergangenen Jahr wurden für verschiedene Medizinbereiche Pflegepersonaluntergrenzen festgelegt, unter anderem auch für die Neurologie. Wegen der Corona-Pandemie wurden diese vorübergehend ausgesetzt. Welche Erfahrungen haben Sie damit bisher gemacht und wie sehen Sie die weitere Entwicklung, welche Herausforderungen ergeben sich, wo liegen Vorteile, wo Probleme?
Ich sehe die Pflegepersonaluntergrenzen als einen guten Schritt in die richtige Richtung. Man hat erkannt, dass im Prozess der Heilung in einem Krankenhaus auch ausreichend Pflegepersonal benötigt wird. Die Pflege leistet einen immensen Anteil an der Gesundwerdung eines Patienten. Nur durch Teamarbeit — medizinisch, pflegerisch, therapeutisch — gelingt die bestmögliche Behandlung. Hier muss die Pflege aber auch das Selbstvertrauen haben, um die Wichtigkeit des Berufs klarzumachen. Die Untergrenzen sind auch ein Instrument, um den Beruf aufzuwerten, zu zeigen, dass die Pflege nicht alles machen kann, sondern sehr wohl als Fachkraft im interdisziplinären Team eine zentrale Rolle spielt.
Aber die Voraussetzungen sind schwierig. Die Politik weiß, dass es kaum Personal gibt. Durch die Untergrenzen gibt es, „überraschenderweise“, auf einmal auch nicht mehr Personal. Im Umkehrschluss bedeutet es auch, dass Patientinnen und Patienten dann nicht in dem Haus behandelt werden können, da kein Personal da ist. Aber eine Erkrankung und eine notwendige Behandlung kann man sich in aller Regel nicht aussuchen. Man kann als Patient meist auch nicht sagen: Dann komme ich in den nächsten Wochen, wenn genug Personal zur Verfügung steht. Das ist ein Spannungsfeld, das natürlich intensiv ist. Aber hier gilt es umso mehr, wie zuvor angesprochen, Maßnahmen zu setzen, damit man Personal nicht nur findet, sondern auch halten kann. Das wird zwingend auch dafür sorgen, dass manche Häuser auf der Strecke bleiben. Ob das im Endeffekt gut ist, wird die Zeit zeigen. Aber grundsätzlich heißt nicht „mehr Betten“ gleich „mehr Qualität“. Gut ausgebildetes Personal, das gute Arbeitsbedingungen hat — das heißt „mehr Qualität“. Das wird sicher auch ein zentraler Punkt der nächsten Jahre werden.
Was waren die wichtigsten Etappen Ihrer Ausbildung, welche Erfahrungen sind Ihnen für Ihre heutige Arbeit besonders nützlich?
Ich habe in Wien ein Bachelorstudium der Gesundheits- und Krankenpflege im Rudolfinerhaus absolviert. Das ist ein Haus mit viel Tradition, aber gleichzeitig auch mit einem besonderen Blick für Fortschritt und Entwicklung in der Pflege. Vieles, was mich heute als Pflegekraft ausmacht, habe ich dort gelernt. In der Suchthilfe hatte ich das Glück, mit großartigen Kolleginnen und Kollegen und Vorgesetzten zu arbeiten. Dort habe ich gelernt, was es heißt, Projekte auch in einem politisch schwierigen Umfeld umzusetzen und für positive Veränderungen in einem Bereich einzustehen.
„Gleichzeitig mit der Reform der Ausbildung, sollte auch eine Klarheit der Aufgaben einhergehen. Dies ist leider nicht passiert.“
„Die Pflege leistet einen immensen Anteil an der Gesundwerdung eines Patienten.“
Welche Umstände haben Sie nach Eberswalde geführt?
Ich war davor Pflegeleiter der Suchthilfe Wien, habe im dortigen Ambulatorium schon als Pflegeperson gearbeitet und in weiterer Folge als Leitung auch viel gestaltet. Das war eine überaus schöne Zeit und eine fantastische Arbeit. Aber ich wollte mir selbst eine neue Herausforderung gönnen. Da war der Wechsel zurück in den klinischen Bereich und die Leitung eines Krankenhauses der richtige Schritt.
Was hat Sie letztendlich bewogen, hier Ihren Lebensmittelpunkt zu finden?
In Eberswalde hatte ich sofort das Gefühl, dass die handelnden Personen Motivation haben, das Haus, aber auch das System, nicht zu erhalten, sondern zu gestalten.
Wenn Sie drei Punkte anführen könnten, die besonders für das Arbeiten und Wohnen in Eberswalde sprechen, welche wären das?
Etwas, das ich besonders gerne habe ist, dass unser Haus ein sehr traditionsreiches Haus ist. Viele Kolleginnen und Kollegen sind schon lange hier tätig, oft schon in zweiter oder dritter Generation. Man spürt deutlich, dass alle an einem Strang ziehen und das Haus auch für die nächsten Generationen spannend und arbeitswert halten wollen. Außerdem ist die Umgebung sehr lebenswert. Besonders in Zeiten von Lockdowns ist es viel wert, rundherum Natur, Seen und Wald zu haben. Und für Großstadtmenschen wie mich, ist die Nähe zu Berlin natürlich wunderbar.
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IM GLG MARTIN GROPIUS KRANKENHAUS FREUT MAN SICH über Pflegekräfte, die aus Österreich nach Eberswalde kommen — um sich hier einmal auszuprobieren, Erfahrungen zu sammeln oder auch für ein Auslandspraktikum für eine begrenzte Zeit.
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Gericke, A. Pflegedienstleiter in einer besonderen Zeit. ProCare 26, 8–10 (2021). https://doi.org/10.1007/s00735-021-1417-3
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