Auch wenn sich in den vergangenen Jahren bezüglich Besuchszeiten im Krankenhaus und speziell auf der Intensivstation einiges getan hat, in vielen Fällen werden die Besucher immer noch als störend empfunden. Hilflosigkeit und daher auch massive Einschränkungen gibt es für Kinder als Besucher auf Intensivstationen. Für den Umgang mit dieser Thematik bedarf es dringend mehr Offenheit, bessere Fortbildung und interdisziplinär erarbeitete Richtlinien, stellen Maria Brauchle, Tanja Wildbahner und Damian Chr. Dresbach fest.

Der Besuch von Kindern als Angehörige auf Intensivstationen (ICU) tut nicht nur dem Kind, sondern auch dem Angehörigen gut und er kann dem Kind oft auch die Ängste nehmen, die es in der Ungewissheit über das tatsächliche Geschehen in seiner Phantasie aufbaut. „Nicht-Wissen erzeugt Horrorszenarien im Kopf“, stellen Brauchle et al. fest. Aber: „Das Pflegepersonal steht den Besuchen von Kindern auf ICUs generell skeptisch gegenüber.“ Da geht es um hygienische Bedenken aber auch die Sorge, ob die Atmosphäre der ICU mit den schwer kranken Personen und den zahlreichen technischen Geräten dem Kind zugetraut werden kann. Aber die Möglichkeit, Fragen stellen zu können und den Verwandten zu sehen, verbessert das Verständnis des Kindes über die tatsächliche Situation. Kinder sind weniger ängstlich und hilflos und fühlen sich besser im Familienverbund zugehörig, wenn sie Teil der Besuchsrituale sind.

Fragen stellen ist gewünscht

Auf das Kind abgestimmte Kommunikation vor, während und nach dem Besuch ist eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen. So sollen die Kinder gut vorbereitet zu dem Angehörigen kommen, um ihnen eventuelle Ängste zu nehmen und sie auch zu ermutigen, Fragen zu stellen. Ebenso wichtig ist, nach dem Besuch einen Ansprechpartner zu haben, um das Erlebte zu verarbeiten. Hier kommt es auch auf das Alter des Kindes und seine Entwicklungsstufe an. Gezielte Kommunikation, Aufklärung und Nachbetreuung ermöglichen, dass der Besuch von Kindern nicht nur keinen Schaden anrichtet, sondern im Gegenteil zu einem besseren Ergebnis des Patienten beitragen kann. In jedem Fall muss der Besuch freiwillig erfolgen und darf nicht zu einer von außen erwünschten Verhaltensweise werden.

Dies ist in unserer Zeit besonders wichtig, betonen die Autoren, weil „es vielen Kindern heutzutage an Erfahrungen fehlt, die das Leben kontrastreich machen. Die Grunderkenntnis, dass es im Leben nicht nur Gesundheit, Nehmen, Stärke und Freude gibt, sondern auch Krankheit, Alter und Trauer ist zahlreichen Kindern fremd. „ Daher fehlen vielen Kindern auch erlernte Mechanismen, um traurige, schreckliche und frustrierende Erlebnisse zu bewältigen.

Motivationsschub für den Patienten

Für den Patienten kann der Besuch der Kinder ein enormer Motivationsschub sein. In jeder Altersstufe können sie mit ihrem Vertrauen, ihrem Optimismus und ihren Worten die ganze Familie gerade in einer derartigen Ausnahmesituation aufmuntern und damit die sich oft ausbreitende Niedergeschlagenheit durchbrechen. Pflegepersonen sollten hier Interesse an den Routinen der Familie zeigen, empfehlen Brauchle et al. Denn durch eine gute Betreuung ist es auch möglich, „dass sich die betroffene Familie näherkommt und die gemeinsamen Erfahrungen und das Miteinbinden der Kinder zu einem stärkeren Zusammenhalt innerhalb der Familie führen.“

Angst und Unwissenheit beim Personal

Das Personal auf ICUs zeige hinsichtlich des Besuchs von Kindern bei ihren schwer kranken Angehörigen primär Angst, Unsicherheit und Unwissenheit. Einer der Gründe dafür ist das mangelnde Wissen über ein tatsächlich vorhandenes Infektionsrisiko und über eine eventuelle psychische Belastung der Besucher. „Ohne dieses Wissen ist aber eine professionelle Begleitung von Kindern als Angehörige auf Erwachsenen-ICUs nicht möglich“, konstatieren Brauchle et al. Daher sollten diese Aspekte in der Fachweiterbildung bei der Pflege und im Weiterbildungsangebot bei Ärzten ausgebaut und mit möglichen Weiterbildungen vorangetrieben werden. Denn es zeigt sich, dass nur ein adäquates Wissen des Personals zur Betreuung von Kindern als Besucher auf ICUs die potenziellen Vorteile sowohl für die Angehörigen als auch den Patienten bringt.

Die Grunderkenntnis, dass es im Leben nicht nur Gesundheit, Nehmen, Stärke und Freude gibt, sondern auch Krankheit, Alter und Trauer ist zahlreichen Kindern fremd.