Realität und Fiktion verschwimmen, das eigene Ich wird als fremd erlebt, die Wahrnehmung ist verzerrt und das Denken verändert sich: Etwa ein Prozent der Weltbevölkerung erkrankt im Laufe ihres Lebens an Schizophrenie. Über die Erkrankung gibt es immer noch viele falsche Vorstellungen.

„Die weit verbreitete Annahme, dass Schizophrenie-Patienten gefährlich sind und häufiger Gewalttaten begehen, ist falsch.“

Zumeist tritt die Erkrankung erstmals im jungen Erwachsenenalter auf. Wahnideen, Verfolgungsängste, Halluzinationen und Angst zählen zu den typischen Symptomen, aber jede Schizophrenie-Erkrankung verläuft anders. Allgemein existieren jedenfalls zahlreiche und oft falsche Vorstellungen über die Schizophrenie, wie Prof. Dr. Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie an der MedUni Wien, feststellt.

Zu den häufigsten „Mythen“ zählt die Annahme, dass Schizophrenie eine Spaltung der Persönlichkeit bedeutet. Erkrankte können jedoch an einer Vielzahl von Symptomen leiden, die sie für ihr Umfeld plötzlich ganz fremd und unberechenbar erscheinen lassen, erklärt Wancata. Der Schweregrad der Symptome bei der Erst-Psychose lässt jedenfalls keine prognostischen Aussagen zu, ob es sich um ein einmaliges Auftreten handelt, wie dies bei 20 bis 30 Prozent der Menschen der Fall ist, oder die Erkrankung chronisch wird, was bei ebenfalls 20 bis 30 Prozent vorkommt. Bei den restlichen Betroffenen kommt es immer wieder zu Rezidiven. Schizophrenie ist heute sehr gut behandelbar, wenn auch bei chronischen Verläufen noch nicht heilbar. Die medikamentöse Behandlung muss mit einer individuell abgestimmten Kombination von Psychotherapie, Soziotherapie und anderen therapeutischen Verfahren wie Ergotherapie etc. kombiniert werden.

Die Ursachen der Schizophrenie sind noch nicht geklärt, sie sind allerdings, wie Wancata betont, keine Folge von Erziehungsfehlern. Aber die Familie muss im Fall einer Chronifizierung lernen, damit umzugehen, so wie bei anderen chronischen Erkrankungen auch. Besonders wichtig ist die Kommunikation mit Schizophrenie-Erkrankten. Die weit verbreitete Annahme, dass Schizophrenie-Patienten gefährlich seien und häufiger Gewalttaten begehen, sei falsch. Eine erhöhte Gewaltneigung bei einem sehr kleinen Teil der Betroffenen stehe meist mit zusätzlichen anderen Erkrankungen wie Alkohol- oder Drogenabhängigkeit in Zusammenhang. Weitaus öfter werden Menschen mit Schizophrenie aber selbst Opfer von Gewalttaten.

Frühe medikamentöse Behandlung hilft

Schizophrenie führt zu keiner Minderung der Intelligenz, bei chronisch Erkrankten können wiederholte psychotische Episoden jedoch die kognitiven Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit oder Konzentration beeinträchtigen. Eine möglichst frühe geeignete medikamentöse Behandlung kann daher Funktionalität und Lebensqualität weitgehend erhalten. Diese kann auch stationäre Aufenthalte aufgrund schwerer akuter Psychosen weitgehend vermeiden, sind aber als Langzeittherapie verlässlich anzuwenden.

Behandlungsangebote für Betroffene und der Einsatz moderner Therapiekonzepte, die auf die besondere Situation des Patienten möglichst gut Rücksicht nehmen, können die Lebensqualität deutlich verbessern. Die modernen, nebenwirkungsärmeren antipsychotischen Medikamente helfen, Rückfälle zu vermeiden — wenn sie kontinuierlich genommen werden. Depot-Präparate, die nicht täglich eingenommen werden müssen, sondern im Abstand von mehreren Wochen gespritzt werden, unterstützen, so Wancata, eine kontinuierliche Langzeittherapie und können den Patienten Rückfälle in psychotische Zustände mit den damit verbundenen Krankenhausaufenthalten ersparen.