Heuer trat tritt die aktualisierte Verordnung (VO) für Säuglingsanfangs- und Folgenahrung in Kraft. Als Grundlage wurden allerdings lediglich Studien bis zum Jahr 2013 herangezogen. Die Ergebnisse berücksichtigen daher, so einige Experten, nicht den aktuellsten Erkenntnisstand. So sind Prebiotische Ballaststoffe (GOS/FOS) und Arachidonsäure (ARA) weiterhin nur optionale anstatt obligatorische Zutaten.

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Die Orientierung der Zusammensetzung von Folgemilchnahrungen am komplexen Vorbild Muttermilch für Babys, die aus welchen Gründen auch immer nicht gestillt werden, soll einen möglichst hochwertigen Ersatz und eine optimale Versorgung der Säuglinge mit den benötigten Nährstoffen für eine gesunde Entwicklung sicherstellen. Die neue delegierte Verordnung (VO) bezüglich Säuglingsanfangsund Folgenahrung trat nun am 22. Februar 2020 in Kraft, für hypoallergene (HA) Nahrung folgt eine neue Verordnung ein Jahr später.

Die wichtigsten Änderungen betreffen die Höchstwerte für Protein, den Zusatz von Docosahexaensäure (DHA), weitere Zusätze sowie das Verbot von Nährwertund gesundheitsbezogenen Angaben auf Säuglingsanfangsnahrung ausgenommen DHA und Laktose. So wurden die Höchstwerte für Protein teils drastisch um bis zu 30 Prozent gesenkt. Mindestmengen bzw. Höchstwerte für Linolsäure sowie einige Vitamine und Mineralstoffe wurden in der aktuellen Verordnung angepasst und der Zusatz von DHA ist künftig verpflichtend. Hersteller dürfen weitere Zutaten beifügen, die einen nachgewiesenen Nutzen haben (z. B. Pro-/Syn-/Postbiotika, synthetische HMOs sowie ARA).

Proteinwerte immer noch zu hoch

Eine zu hohe Proteinzufuhr im Säuglingsund Kleinkindalter ist mit einem erhöhten Body Mass Index im Kindesalter assoziiert. Dementsprechend wurde der Höchstwert für Protein in Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen nun gesenkt. Allerdings, so Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer, Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, Universitätsklinikum St. Pölten, seien die Maximum-Werte immer noch sehr hoch, wenngleich sie ein Schritt in die richtige Richtung seien. Der nun verpflichtende Zusatz von DHA sei, dem Vorbild der Muttermilch folgend, sinnvoll, stellt Prof. Dr. Walter Mihatsch, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, Helios Klinikum, Pforzheim (D) fest, allerdings wäre auch die ebenfalls mehrfach ungesättigte Fettsäure Arachidonsäure (ARA) wesentlich: „DHA und ARA sind beide in Muttermilch enthalten. Im Gehirn von Säuglingen findet man sogar mehr ARA als DHA.“ Eine Aufnahme in die Verordnung wäre daher sinnvoll.

Optionale Zugabe von prebiotischen Ballaststoffen

Muttermilch fördert aufgrund ihrer bifidogen wirkenden Humanen Milch-Oligosaccharide (HMOs) die Entwicklung und Funktion der kindlichen Darm-Mikrobiota. Dieser Effekt kann in Säuglingsnahrung durch die Zugabe von speziellen Ballaststoffen erreicht werden. Die Verordnung erlaubt die Zugabe, speziell die in über 30 Studien geprüfte Kombination aus 90 % kurzkettigen Galacto-Oligosaccharide und 10 % langkettigen Fructo-Oligosacchariden (scGOS/lcFOS (9:1) mit max. 0,8 g/100 ml. „Mit dieser Mischung lässt sich die Darm-Mikrobiota der so ernährten Säuglinge jener von gestillten Kindern annähern“, erklärt Prof. Dr. Bernd Stahl, Leiter der Nutricia-Muttermilchforschung und der Analytik und Associate Professor of Glycobiology am Department of Pharmaceutical Science an der Universität Utrecht (NL). „Diese spezielle scGOS/lcFOS (9:1)-Mischung ist eine gute Annäherung an die Funktion der Humanen Muttermilch-Oligosaccharide. GOS/FOS sind aus meiner Sicht eine wünschenswerte Zutat, die aus medizinischen Gründen begrüßenswert ist“, betont Zwieauer.

Unterschiede in den Produkten

Es war noch nie so einfach wie heute, Säuglinge, die nicht gestillt werden können, aufgrund der Fortschritte in der Entwicklung von Ersatznahrungen sehr gut zu ernähren. Allerdings, so Zwiauer „sind auch künftig nicht alle Säuglingsmilchen gleichwertig. Denn es gibt Firmen, die ihre Produkte über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus mit weiteren wünschenswerten Nährstoffen ergänzen. Spezifische Unterschiede sind vorhanden und wird es weiterhin geben.“ Säuglingsnahrung von einem Unternehmen, das Forschung betreibt, sollte bevorzugt verwendet werden.“