Die Zahlen der an Diabetes 2 Erkrankten steigen weltweit Lebensstil-bedingt weiter an. Die Folgeerkrankungen, die sich aus einer schlecht kontrollierten Blutzuckereinstellung ergeben, sind sowohl für den Einzelnen als auch für das Gesundheitssystem beträchtlich. Zu beachten sind allerdings auch mögliche medikamentöse Nebenwirkungen der Behandlung. Das Gefahrenpotenzial einer Unterzuckerung bildet im Oktober unter dem Motto „Unterzucker muss NICHT sein“ einen Informationsschwerpunkt bei Ärzten und Apothekern. Patienten sollen besser geschult werden.

Schätzungsweise bis zu 645.000 Personen sind in Österreich an Diabetes Typ 2 erkrankt, davon dürfte ein Viertel bis ein Drittel nicht diagnostiziert sein. Ärzte schätzen, dass etwa zehn Prozent aller Diabetiker im Laufe eine Jahres eine hypoglykämische Episode erleiden — mit Zittern, Schweißausbrüchen, Schwindelgefühlen, Schwäche, Reizbarkeit und Kopfschmerzen und Bewusstlosigkeit als meist gefürchteter Folge. Eine Umfrage der Spectra Marktforschung ergab, dass sich 60 Prozent der Typ 2-Diabetiker an eine Hypoglykämie-Episode erinnern, dies also auch erkennen. Als Auslöser dafür nennen sie jedoch meist das Auslassen des Frühstücks oder einer anderen Mahlzeit sowie körperliche Anstrengung und Stress. Medikamente werden als Auslöser nicht wahrgenommen. Etwa 70 Prozent der Diabetes-Patienten würden sich jedenfalls wünschen, mit ihrem Arzt häufiger oder ausführlicher über das Thema Hypoglykämie zu sprechen, berichtete Dr. Walter Winterberger von Spectra bei der Präsentation des aktuellen Informationsschwerpunkts. Denn jeder zweite Diabetes-Patient ist über ein mögliches Auftreten einer Unterzuckerung mehr oder weniger stark besorgt. Der Grund, warum das Gespräch dennoch nicht aktiv gesucht wird: Die Patienten möchten den Arzt damit nicht unnötig aufhalten oder sie getrauen sich schlichtweg nicht. Umgekehrt gaben tatsächlich nur 20 bis 30 Prozent der befragten Ärzte an, fallweise mit ihren Diabetes Typ 2-Patienten über Hypoglykämie zu sprechen. Aber auch die Ärzte sehen Bedarf nach intensiverer Patientenaufklärung — hätten aber gerne mehr Zeit dafür, so die Umfrageergebnisse.

Unterzucker als Nebenwirkung

Zwei Substanzgruppen, die in der Diabetestherapie eingesetzt werden, können eine Unterzuckerung auslösen: Sulfonylharnstoffe und Insulin, stellte Prof. Thomas Wascher, Vorsitzender der Österreichischen Diabetesgesellschaft (ÖDG) fest. Daher „sollte man sich bei oralen Antidiabetika gut überlegen, wann man Sulfonylharnstoffe einsetzt“, so Wascher, diese seien heute nur mehr in absoluten Einzelfällen gerechtfertigt. Allerdings werden in Österreich derzeit noch 23 Prozent der oralen Antidiabetika aus dieser Substanzgruppe verordnet. „Das ist relativ hoch und historisch gewachsen.“ Der Einsatz von Insulin lasse sich ab einem gewissen Krankheitsstadium freilich nicht vermeiden, allerdings seien hier der Zeitpunkt des Therapiebeginns und die Patientenschulung essentiell: „Rechtzeitig, nicht frühzeitig“, sollte die Strategie lauten.

Für eine optimale Patientenschulung setzt sich das Disease Management Programm (DMP) „Therapie aktiv“ ein, das von den österreichischen Sozialversicherungsträgern und den Ärztekammern getragen wird. Das Programm soll durch eine umfassende Schulung des Patienten und eine engmaschige Betreuung die optimale Versorgung gewährleisten. Die Patienten lernen dadurch Akutkomplikationen und Langzeitschäden zu vermeiden, ihre Medikation optimal einzunehmen und den Arzt aufzusuchen, wenn sich Fragen ergeben. Die jüngste Evaluierung der Sozialversicherungsträger ergab, dass Patienten mit dem DMP pro Jahr zweieinhalb Tage weniger oft wegen Komplikationen oder Folgeerkrankungen im Spital sind als die Vergleichsgruppe ohne DMP. Österreichweit beteiligen sich derzeit 1183 Ärzte am Therapie aktiv-DMP mit 45.326 Patienten.

Gefährliche Konzentrationseinbußen in Verkehr und Beruf

Richtiges Handeln im Falle einer bedrohlichen Unterzuckerung des Typ 2-Diabetikers kann gefährliche Situationen vermeiden. Auch darauf soll die aktuelle Hypoglykämie-Sensibilisierung hinweisen. Im Straßenverkehr oder bei einer ganzen Reihe von Berufen, in welchen die geistige und körperliche Aufmerksamkeit wichtig ist, kann eine hypoglykämisch bedingte Konzentrationseinbuße zu Selbst- und Fremdgefährdung führen. „Das Spektrum von Berufsfeldern ist groß“, konstatierte Prof. Bernhard Schwarz, Zentrum für Public Health der MedUniWien und Arbeitsmediziner und Betriebsarzt der Bank Austria. Aufzupassen sei auch bei Therapieumstellungen.

Für die Einschätzung der gesundheitlichen Eignung von Kraftfahrlenkern verfüge Österreich mit einer 2012 überarbeiteten Leitlinie über eine europaweit beispielhafte Lösung, berichtete Dr. Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit. Die Empfehlungen gelten anwenderspezifisch und ermöglichen den Beteiligten Entscheidungen für den Einzelfall, der sich nach Alter, sozialer und beruflicher Situation, Erkrankungsverlauf und Selbstmanagementkapazität sehr stark unterscheiden kann.