Diabetes ist eine der häufigsten chronischen Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter.

Die Zahl der Neuerkrankten hat in der letzten Dekade stark zugenommen.

Typ-1-Diabetes ist mit > 90 % die häufigste Form des Diabetes im Kindes- und Jugendalter, deshalb bezieht sich das vorgelegte Konzept auf Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes.

Ziele der Rehabilitation für Kinder und Jugendliche

  • Förderung der Selbstbestimmung

  • Optimierung der Therapie im stabilen, stationären Setting

  • Auffrischung Basiswissen und weiterführende Schulungen (z. B. Sondersituationen) für Eltern und altersadäquat für Patienten

  • Erstellung weiterführender Therapiekonzepte

  • Gleichberechtigte Teilnahme der Kinder mit Diabetes am Leben der Gesellschaft

  • Vermeidung von Benachteiligungen

  • Bestmögliche Wiederherstellung der Gesundheit im Sinn des biopsychosozialen Krankheitsmodells („restitutio ad optimum“)

  • Durch Einsatz eines interdisziplinären Rehabilitationsteams sollen Schädigungen bzw. Funktionsstörungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen der Teilhabe beseitigt, verbessert oder hintangehalten werden

  • Kompetenzsteigerung (Empowerment) im Umgang mit der Erkrankung

    • durch Schulung und Entwicklung von Coping-Strategien

  • Umsetzung präventiver Maßnahmen

  • Möglichst weitgehende Reintegration und Inklusion in das soziale und schulische (berufliche) Umfeld

  • Vermeidung bzw. Verminderung der Pflegebedürftigkeit

  • Entlastung für Eltern

Absolute Kontraindikationen laut Vorgaben des Hauptverband

  • Akute Selbst- oder Fremdgefährdung

  • Diabetische Ketoazidose bzw. Risiko für eine diabetischen Entgleisung

  • Dekompensierte Krankheitszustände mit schweren Funktionseinschränkungen

  • Schwerwiegende akute Entzündungen und ansteckende Infektionskrankheiten

  • Beatmungspflicht

Therapieziele und Therapiesäulen des Typ-1-Diabetes

Das Therapieziel ist eine altersentsprechend normale körperliche, kognitive und psychosoziale Entwicklung, eine altersentsprechend normale Funktionsfähigkeit und Partizipation im Alltag sowie die Vermeidung von Akutkomplikationen (schwere Hypoglykämien, diabetische Ketoazidose) und die Prävention von diabetesbedingten Spätkomplikationen (diabetische Retinopathie, diabetische Nephropathie und anderes) zum Erhalt einer hohen Lebensqualität und Lebenserwartung.

Therapiesäulen sind:

  • Insulinsubstitution

  • Glukosemessung

  • Ernährung – kohlenhydratberechnende Kost (Fett- bzw. Eiweißberechnung)

  • Körperliche Aktivität

  • Diabetesschulung

  • Psychosoziale Betreuung

Je nach Alter stellen sich in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes unterschiedliche Herausforderungen und Ziele in der Therapie.

  • Kleinkinder:

    • Insulinsubstitution bzw. Blutzuckermessungen sind oft schwierig, da das Verständnis und die intellektuellen Fähigkeiten des Kindes noch nicht ausreichend vorhanden sind

    • Schulung und Training von Eltern bzw. Betreuungspersonen

    • Fehlende oder reduzierte Hypoglykämiewahrnehmung

    • Kinderbetreuung: Kindergarten, Kinderkrippe

    • Ernährung

  • Schulkinder:

    • Selbstständigkeitsschulung und -training für einfache diabetesspezifische Tätigkeiten (selbstständiges Spritzen bzw. Umgang mit Insulinpumpen inklusive Insulinpumpenkatheterwechsel, Blutzuckermessen, Glukosemonitoring mit Sensor, BE/Gramm Kohlenhydrate berechnen)

    • Eingliederung in die Schule bzw. Teilnahme bei Schulveranstaltungen

    • Schulung und Training von Eltern bzw. Betreuungspersonen

  • Jugendliche:

    • Eigenverantwortung – vollständiges Übernehmen der Therapie

    • Loslösung bzw. Entwicklung einer Selbstständigkeit

    • Adäquates Risikoverhalten (Alkohol, Rauchen, Schwangerschaft bzw. Verhütung usw.), Stärkung der Diabeteskompetenz des Jugendlichen

    • Vorbereitung auf die Transition

Die Rehabilitation ist bei der Diagnose des Typ-1-Diabetes ein integrativer Bestandteil der medizinischen Betreuung und sollte je nach Alter und Familienkonstellation durchgeführt werden, um die Therapieziele und Therapieadhärenz in jeder Lebenssituation sicherzustellen. Je nach Alter stellen sich deshalb für die Rehabilitation verschiedene Fragestellungen bzw. Ziele. Im Besonderen sind folgende Indikationen Anlässe für einen Rehabilitationsaufenthalt.

Besonders vordringliche Indikation bzw. welche Patienten brauchen eine Rehabilitation

  • Kleinkinder-Familien-Rehabilitation

    • Familien mit Problemen in der Therapiedurchführung zur intensiven Schulung

    • Kleinkinder, die unter ambulanten Bedingungen keine gute Stoffwechselkontrolle erzielen zur intensiven Schulung und Therapieoptimierung

    • Familien mit Kleinkindern in Krisensituationen

    • Familien mit Diabetes-Burn-out

  • Schulkinder-Familien-Rehabilitation:

    • Kinder mit Adhärenzproblemen

    • Kinder mit Akzeptanzproblemen

    • Kinder mit psychischer Komorbidität (z. B. Depression, ADHS)

    • Kinder, die unter ambulanten Bedingungen keine gute Stoffwechselkontrolle erzielen zur intensiven Schulung

    • Familien mit Diabetes-Burn-out

    • Kinder mit Übergewicht bzw. Adipositas und Typ-1-Diabetes

  • Jugendliche:

    • Jugendliche, die die Therapie nicht vollständig durchführen zur Vorbereitung auf eigenständiges Leben

    • Jugendliche mit Adhärenzproblemen

    • Jugendliche mit Akzeptanzproblemen

    • Jugendliche mit psychischer Komorbidität (z. B. Essstörungen, Depression, Angststörung)

    • Jugendliche mit Übergewicht bzw. Adipositas und Typ-1-Diabetes

    • Jugendliche mit beginnenden Spätkomplikationen

    • Initiierung Transitionsprozess

Anforderungen bzw. Mindestanforderungen an eine Diabetesrehabilitation im Kindes- und Jugendalter

  • Team vor Ort

    • Erfahrung im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit Diabetes

    • Erfahrung mit technischer Diabetestherapie (Insulinpumpen und Glukosesensoren)

    • Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde mit Erfahrung in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes

    • Bei psychosozialen Komorbiditäten: Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie bzw. Pädiater mit Spezialisierung in pädiatrischer Psychosomatik

    • Diabetesberater

    • Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger/in (DGKP)

    • Diätologe

    • Psychologe bzw. Psychotherapeut

    • Physiotherapeut, Sportwissenschaftler bzw. Sportlehrer, Bewegungstherapeut

    • Eventuell Dolmetscher/Videodolmetscher

    • Sozialarbeiter

Das oben angeführte multidisziplinäre Team sollte, je nach Altersgruppe, für das Rehabilitationszentrum ein Rehabilitationsschulungskonzept mit altersadäquaten Schulungen und Rehabilitationszielen erarbeiten: z. B. Kleinkinderturnus (familienbasiert), Schulkinderturnus, Jugendlichenturnus mit altersadäquaten Schulungen und Rehabilitationsschwerpunkten.

Diese sollten in Form von Gruppen- und Einzelschulungen im Bereich Diabetesmanagement, Ernährung und Bewegung durchgeführt werden. Es sollte eine kontinuierliche psychologische und psychotherapeutische Betreuung in Form von Einzel- und Gruppentherapien angeboten werden.

Das Rehabilitationskonzept sollte folgende Themen beinhalten

  • Alters- und indikationshomogene medizinische und praktische Gruppentherapien und Gruppenschulungen

  • Anwendung bzw. Durchführung der erlernten Therapie

  • Psychologische Therapie – Einzel- und Gruppenaustausch – Erlernen von Copingstrategien, Verbesserung der Akzeptanz usw.

  • Bewegungs- und Alltagstherapie

  • Üben der Integration und Inklusion der Diabetestherapie in alltagsähnlichen Situationen (Schulunterricht, Schwimmen, Sport, Buffetessen etc.)

  • Diabetologische Essensbegleitung, Schulung, Lehrküche

Ziele bzw. was soll erreicht werden

  • Kleinkinder-Familien-Rehabilitation

    • Vermittlung von (Basis)Wissen – altersadäquates Verständnis der Krankheit führt zu Erhöhung der Adhärenz und Mitarbeit in der Therapie

    • Wissen festigen

    • Verbesserung der Stoffwechselkontrolle

    • Empowerment des betroffenen Kindes und der Bezugspersonen

    • Erarbeiten von Copingstrategien

    • Raum für Wut, Enttäuschung und Verzweiflung über die Krankheit des Kindes schaffen für Bezugspersonen und Wege für die Zukunft aufzeigen.

      Aufbau einer Familienstruktur, um den Alltag besser in der Familie zu bewältigen

  • Schulkinder-Familienrehabilitation:

    • Schrittweise Übernahme der selbständigen Therapiedurchführung (selbständiges Spritzen, bzw. Umgang mit Insulinpumpe inklusive Insulinpumpen-Katheterwechsel, Blutzuckermessen, Glukosemonitoring mit Sensor, BE/Gramm Kohlenhydrate berechnen)

    • Altersgemäße Bewältigung des Diabetesalltags

    • Wissen festigen

    • Akzeptanz der Erkrankung

    • Verbesserung der Stoffwechselkontrolle

    • Empowerment des betroffenen Kindes, des Jugendlichen und der Bezugspersonen

    • Erarbeiten von Copingstrategien

    • Raum für Wut, Enttäuschung und Verzweiflung über die Krankheit des Kindes schaffen für Bezugspersonen und Wege für die Zukunft aufzeigen

    • Aufbau einer Familienstruktur, um den Alltag besser in der Familie zu bewältigen

  • Jugendliche:

    • Vollständige Übernahme der Therapie, Vorbereitung auf eigenständiges Leben

    • Wissen festigen

    • Verbesserung der Adhärenz

    • Verbesserung der Akzeptanz

    • Verbesserung der Stoffwechselkontrolle

    • Umgang mit Risikoverhalten

    • Wissensvermittlung bzgl. Spätkomplikationen

    • Therapie von Essstörungen, Depression und psychosozialen Komorbiditäten

    • Initiierung Transitionsprozess

Vernetzung mit dem betreuenden Zentrum

  • Kontaktaufnahme des betreuenden Zentrums mit ärztlicher Leitung des Rehabilitationszentrums: Grund für Rehabilitation, welche Ziele sollen erreicht werden; Arztbrief mit aktueller Therapie, Komorbiditäten, Stoffwechselkontrolle; persönliche Rücksprache mit Rehabilitationszentrum wünschenswert

  • Während des Rehabilitationsaufenthalts: Rücksprache mit Zentrum über Verlauf, Probleme bei der Umsetzung der Therapiestrategie, wenn notwendig oder erwünscht; Änderung der Therapieform nur in Absprache mit dem betreuenden Zentrum

  • Nach dem Aufenthalt: Rückmeldung des Rehabilitationszentrums über erreichte bzw. nicht erreichte Ziele; Rückmeldung über Probleme und weiterführende Maßnahmen

Nächste Schritte

Die Rehabilitationszentren haben ihre Konzepte und Schulungsmaterialen bereits erstellt. Das Rehabilitationskonzept der APEDÖ/ÖGKJ dient als Basiskonzept; die Rehabilitationspläne bleiben in der Verantwortung des jeweiligen Zentrums und können deswegen variieren. Ein reger fachlicher Austausch im Rahmen regelmäßiger Treffen sollte zu einer Optimierung und Angleichung der Konzepte führen.

Die APEDÖ AG „Diabetes-Reha“ steht für fachlichen Input zur Verfügung.