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Das Buch „Introduction to proof through number theory“ entspringt aus Vorlesungsnotizen zur Einführung in das mathematische Beweisen. Die ausgerufene Zielsetzung des Buches liegt demnach auf der Einführung in das Lesen, dem Verstehen sowie dem Führen mathematischer Beweise und damit einhergehenden typischen Denk- und Arbeitsweisen. Als inhaltlicher Anker dient – nicht unüblich für derartige Grundlagenwerke – die Zahlentheorie, weil man im Rahmen dieser ausgehend von wenig Vorwissen und Begriffen sowie scheinbar trivialen, auf der Intuition basierenden, Beweisen sehr rasch in zunächst ungeahnte Tiefen leicht beschreibbarer, aber schwer lösbarer, mathematischer Phänomene vorstoßen kann. Einige der spezifischen Themen, die in ihren Grundzügen in den einzelnen Kapiteln behandelt werden, sind Primzahlen, vollständige Induktion, Aussagenlogik, der Euklidsche Algorithmus, Mengen- und Funktionenlehre, modulare Arithmetik, Abzählprobleme sowie algebraische Strukturen (wie Gruppe, Ringe und Körper).

Dabei hebt sich das Buch sehr deutlich von anderen Lehrwerken zum Erlernen mathematischer Beweistechniken ab, denn traditionelle Inhalte erscheinen hier in gänzlich neuem Gewand. Das Einzigartige und Erstaunliche an diesem Buch sind nämlich nicht die Inhalte, sondern die Art und Weise, in der diese transportiert werden. So mag bereits die vorangestellte Grundthese des Autors, dass Mathematik ein unterhaltsames (Video‑)Spiel sei, auf den ersten Blick ein wenig überraschen. Er begründet es damit, dass in der Mathematik wie bei einem Spiel grundlegende Regeln weitestgehend feststehen, doch es der eigenen Vorstellungskraft, Kreativität und den ausgebildeten Fähigkeiten überlassen bleibt, was man als einzelne Person daraus macht. Dass Mathematik und gängige, bewährte Spielelemente mannigfaltig Synergieeffekte zulassen, davon zeugt das Buch durch Aufgreifen von Unterhaltungsmathematik in Form von zahlentheoretischen und logischen Rätseln ebenso wie durch sein Layout, welches durch großzügigen Einsatz einer reichhaltigen Farbpalette sowie der Verwendung von Cliparts zur Verdeutlichung mathematischer Zusammenhänge Eindruck hinterlässt. Wie auch bei jedem anderen Spiel soll es das Ziel sein, Spaß zu haben, und dabei die eigenen Fähigkeiten (im Führen und Verstehen mathematischer Beweise und typischer zugehöriger Denk- und Arbeitsweisen) zu erhöhen. Um das zielgerichtete Spielen zu ermöglichen, nennt der Autor zu Beginn jedes Kapitels die zentralen inhaltlichen sowie methodischen Ziele, die man nach erfolgreicher Absolvierung erreichen kann.

Ganz im Sinne einer Erkundung eines neuen Spiels findet zum Einstieg der Lektüre ein Ergründen erster fundamentaler Spielregeln des mathematischen Beweisens induktiv statt. Denn aus Sicht des Autors handelt es sich bei der Mathematik zuvorderst um eine von eigener Aktivität gekennzeichnete, experimentelle Wissenschaft, bei welcher man stets auf der Suche nach Mustern ist. Von ersten Erfolgserlebnissen in Form des formalen Nachweisens bekannter, trivialer Eigenschaften von positiven ganzen Zahlen und Primzahlen, werden sogleich in überschwänglicher Euphorie waghalsige Behauptungen formuliert und Verfahren kennengelernt, mit denen derartige mehr oder weniger auf induktiver Erfahrungsbasis plausible, aber zu weit greifende Vermutungen hinterfragt und schlussendlich widerlegt werden können. Das Berücksichtigen und Raum Geben für die typische Genese mathematischer Erkenntnisgewinnung durch induktives Vorgehen vom ersten Vermuten und Widerlegen, Nachschärfen, um einen neuen Versuch mathematischer Klärung zu starten, beschreibt eine zentrale Facette der Aktivität des mathematischen Beweisens sehr lebhaft, welche in gängigen, von Deduktion geprägten Lehrwerken in der Regel weniger stark fokussiert wird. Ehe man es sich versieht, hat man das erste Kapitel, das mit Beweisen trivialer Aussagen zu Eigenschaften von positiven ganzen Zahlen und Primzahlen begann, verschlungen, und taucht dabei mit einigen wenigen Begriffen direkt in die schillernde Welt der Zahlentheorie ein, wie Einschübe zur RSA-Verschlüsselung, zu Mersenne-Primzahlen, Primzahlzwillingen oder die Formulierung der Goldbachschen Vermutung belegen. Dabei gelingt es dem Autor mühelos, diese Phänomene derart anzumoderieren, dass sie trotz hoher Schwierigkeit als natürliche Fragestellungen erscheinen, und eine Motivation ausgelöst wird, sich mit diesen Themen tiefergehend auseinanderzusetzen.

Die Lektüre des Buches erweckt den Anschein, man säße direkt in einer Vorlesung und wäre in einem Zwiegespräch mit dem Autor. Trotz des bewusst gewählten, tendenziell informellen sowie essayistischen, Schreibstils des Autors leidet der mathematische Inhalt nicht. Vom Lesenden wird dabei jedoch verlangt, diejenigen Stellen zu lokalisieren, an denen Exaktheit der Argumentation notwendig zur Generierung von Verständnis ist und dabei im Text verwobenes, weniger Relevantes wie mathematische Wortspiele auszublenden. Das Reflektieren über zentrale Resultate, Erkenntnisse oder Techniken wird dabei wiederholt vom Autor bewusst durchgeführt und angeleitet. Dies geschieht zum überwiegenden Teil mit einem Blick über den fachlichen Tellerrand: Dass in einem Einführungsbuch zum mathematischen Beweisens nämlich zahlreiche (pop-)kulturelle Elemente eingebettet sind, wie, um nur eine kleine Auswahl zu nennen, das Überprüfen der Logik hinter Aussagen aus Shakespeares Hamlet, das Reflektieren über die Grundgedanken der vollständigen Induktion mithilfe eines Bildes der Golden Gate Bridge sowie Songtexten von Queen, oder die wiederholte Begegnung mit Cliparts zur Visualisierung der Verkettung von Funktionen oder dem Studium von Restklassen, mag ungewöhnlich erscheinen, demonstriert aber den Leitgedanken des Buches, dass der Kreativität beim Betreiben des Spiels Mathematik kaum Grenzen gesetzt sind.

Das Buch verwendet durchgängig visuelle Akzente, die von der intensiven Nutzung des, so scheint es, gesamten druckbaren Farbspektrums zu Hervorhebungen in Text oder mathematischen Formeln, über die Darstellung berühmter Mathematiker oder die Abbildung des Briefs von Goldbach an Euler, in dem die Goldbachsche Vermutung formuliert ist, reicht, und darüber hinaus zum durchgängigen visuellen Darstellen arithmetischer und algebraischer Zusammenhänge und Beweise. Die Methode des visuellen Beweisens wird dabei aber nicht nur aus Gründen der Eleganz oder der optischen Anregung verfolgt, sondern zusätzlich im Kapitel zur Logik kritisch reflektiert, um zu motivieren, warum es zweckdienlich ist, beim Beweisen auf mathematische Strenge und Deduktion zurückzugreifen.

Gegen Ende des Buches, so erweckt es für mich den Anschein, verliert das Buch ein wenig vom Glanz des von zahlreichen Überraschungselementen durchzogenen Stils des Autors. Dies mag an einem Gewöhnungseffekt beim Lesen liegen, doch vermute ich eher, dass dieser Anschein zwei andere Ursachen haben könnte: Es könnte sich um eine bewusst eingesetzte didaktische Finesse handeln, im Verlauf des Buches den Lesenden zu einer formaleren Verwendung mathematischer Sprache hinzuleiten. Oder aber, es ergab sich auf Basis des inhaltlichen Anspruchs, Themen wie den Euklidschen Algorithmus, das Lösen diophantischer Gleichungen, oder den kleinen Satz von Fermat ausführlich zu behandeln, sowie den Beweis des quadratischen Reziprozitätsgesetzes zu führen, die Notwendigkeit gegen Ende hin zu einer strafferen und tendenziell klassischeren Art der Instruktion und Darstellung überzugehen.

Die ausgerufene Zielgruppe des Buches sind in erster Linie Bachelorstudierende der Mathematik bzw. mathematikaffiner Fächer, bei denen typische analytische Denkweisen der mathematischen Beweisführung und Erkenntnisgewinnung (sowohl induktiv als auch deduktiv) von Interesse sind. Grundsätzlich ist das Buch auch im Selbststudium bearbeitbar, wobei einige Abschnitte, welche fortgeschrittene Inhalte und Methoden behandeln, auch als solche gekennzeichnet sind. Dass das Betreiben von Mathematik eigene Aktivität erfordert, wird vom Autor jedenfalls sehr deutlich kommuniziert. Davon zeugt insbesondere auch eine reichhaltige, Sammlung von insgesamt rund 350 Übungsaufgaben im Buch, welche in jedem Kapitel mit der erarbeiteten Theorie verwoben sind. Diese Übungsaufgaben bilden eine große Bandbreite der Möglichkeit des Erschließens zahlentheoretischer Inhalte ab und sie bieten gleichermaßen eine geeignete Plattform zur Steigerung der eigenen Fähigkeit im Führen mathematischer Beweise. Am Ende jedes Kapitels finden sich umfassende Hinweise bis hin zu Lösungsskizzen zu allen Aufgaben. Nicht unerwähnt für diese Zielgruppe sollte bleiben, dass im Buch Hinweise auf verwendete LaTeX-Pakete und Bemerkungen zum Erzeugen von Grafiken zu finden sind, sowie Verweise auf Online-Quellen zur inhaltlichen Vertiefung. Ein wenig überraschen mag dabei, dass im Gegensatz zum niedrigen geforderten Ausgangsniveau im Führen mathematischer Beweise, punktuell die Anforderungen an das technische Rüstzeug oder das Vertrautsein mit abstrakter Form der Notationen für deutschsprachige Gewohnheiten von Einführungslehrveranstaltungen recht hoch angesetzt erscheint. So ist zum Nachvollziehen einzelner Argumente ein fortgeschrittener algebraischer Struktursinn vorausgesetzt und eine große Fitness in geschickter, vorteilhafter Verwendung mathematischer Prozeduren, wie, um nur einige zu nennen, ein souveräner Umgang mit dem Anwenden der Regel von de L’Hospital, der Nutzung der rekursiven und expliziten Bildungsvorschrift für Folgen, oder der Berechnung von Eigenwerten. Manche, aus Sicht des Autors besonders herausfordernde, aber nicht zum grundlegenden Verständnis im ersten Durcharbeiten des Buches nötige Abschnitte sind entsprechend markiert, wie beispielsweise der Abschnitt zu primitiven pythagoräischen Tripeln, welcher Methoden und Notationen der analytischen Geometrie verwendet.

Insbesondere zu empfehlen ist die Lektüre des Buches aus meiner Sicht darüber hinaus für Lehrende aller Formen mathematischer Grundlagenvorlesungen, da reichhaltige Angebote an Visualisierungen sowie innovative Arten der Reflexion von (Standard‑)Beweisen dargeboten werden. All dies kann das Nachdenken über mögliche Inszenierungen von Inhalten der eigenen Lehrveranstaltungen fraglos bereichern. Passend zur ursprünglichen Genese des Buches als Sammlung von Vorlesungsnotizen dient das Buch auch direkt zur Konzeption einer Lehrveranstaltung für die Einführung in das mathematische Beweisen. Dabei können auch Abschnitte oder zum Teil sogar ganze Kapitel übersprungen werden, ohne dass der übrige Teil an Kohärenz einbüßen würde. Zahlreiche Querverweise im Buch (nach vorne sowie nach hinten) helfen hier sicherlich in erster Linie versierten Lesenden und nicht beim Erstkontakt mit der Materie. Anbieten würde sich in diesem Fall ein Format mit hoher Aktivität von Studierenden, ob der riesigen Menge an eingearbeiteten Übungsanlässen.

Ich bin überzeugt davon, dass selbst bei mehrmaliger Lektüre das Buch seinen kurzweiligen Charakter beibehält und aufgrund der Fülle und Reichhaltigkeit jedes Mal aufs Neue Anspielungen auf popkulturelle Inhalte zu entdecken sind. Ganz im Sinne des Buches möchte ich mit einem mathematischen Witz in Gestalt eines abgewandelten Yogiismus schließen, welcher die Stoßrichtung des Buches repräsentiert, auch wenn er aus der Feder des Autors dieser Rezension stammt: Mathematisches Beweisen ist zu 90% eine schöpferische, kreative Tätigkeit, zur anderen Hälfte besteht es aus dem Befolgen einiger Regeln und dem Erlernen grundlegender Techniken.