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Wozu noch ein einführendes Buch zur Darstellungstheorie endlicher Gruppen? Diese Frage schoß mir durch den Kopf, als ich das Buch auf meinen Schreibtisch bekam. Nun denn, dachte ich, vielleicht enthält es ja unerwartete Aspekte oder verfolgt einen ungewöhnlichen Zugang. Das Buch wendet sich ausdrücklich an „mathematische Neulinge“, und setzt nur einige Kenntnisse der linearen Algebra voraus. Es verfolgt zwei miteinander verflochtene Handlungsstränge:

Zum einen gibt es eine Einführung in die allgemeine gewöhnliche Darstellungstheorie endlicher Gruppen und wiederholt den notwendigen algebraischen Hintergrund: Vektorräume, Unterräume, direkte Summen, Projektionen, Dualräume, Gruppen, Untergruppen, Nebenklassen, Operationen, Gruppenalgebren, Polynome, Darstellungen, Irreduzibilität, Halbeinfachheit, Homomorphismen, Charaktere, Orthogonalitätsrelationen, induzierte Darstellungen, Frobenius-Reziprozität. Der Zugang ist etwa dem des bekannten Lehrbuchs von james–liebeck: „Representations and Characters of Groups“ vergleichbar.

Zum anderen wiederholt es die grundlegenden Begriffe zu endlichen symmetrischen Gruppen und ihrer Kombinatorik, und sodann stellt es einige Resultate ihrer gewöhnlichen Darstellungstheorie vor: Partitionen, Ordnungsrelationen, Permutationen, Parität, Zykeltyp, Konjugiertenklassen, Young-Untergruppen, Young-Symmetrisatoren, (Standard‑)Young-Tableaux, (Poly‑)Tabloide, Permutationsmoduln, Specht-Moduln, Klassifikation der irreduziblen Darstellungen, Semistandard-Homomorphismen, Branching-Regel. Die Auswahl ist etwa den entsprechenden Teilen des umfangreichen Klassikers von james–kerber: „The Representation Theory of the Symmetric Group“ vergleichbar.

Dieser Einstieg in die Darstellungstheorie ist also wohlerprobt. Gleichzeitig finde ich die gewählte Zusammenstellung allgemeiner und spezieller Aspekte interessant und einladend. Erklärtes Anliegen des Buches ist es, theoretische Konzepte stets parallel durch Beispiele zu erläutern, und zum mathematischen Selbermachen anzuregen, wozu es viele Übungsaufgaben gibt. Das gelingt gut!

Leider gibt es auch einige Aspekte, die ich nicht recht gelungen finde, gerade im Hinblick auf eine potentielle Leserschaft bestehend aus „Neulingen“:

Grundsätzlich denke ich, eine Entflechtung der beiden Handlungsstränge in konsekutive Teile würde das Verständnis erleichtern. Der Klarheit wegen sollten wichtige Konzepte, wie etwa induzierte Moduln, nur einmal, aber nicht in verschiedenen Versionen eingeführt werden. Eher abschreckend wirken etliche vage Bemerkungen über hier nicht benötigte weiterführende Konzepte, wie etwa Kategorien. Leider werden viele der Aufgaben nicht oder nur skizzenhaft gelöst, was die Wissenskontrolle schwierig macht. Dies betrifft häufig auch theoretische Entwicklungen, was die geschlossene Darstellung der Theorie beeinträchtigt.

Schließlich gibt es recht viele Tipp- und Rechenfehler, sowie etliche Ungenauigkeiten und einige Lücken in den Beweisführungen, besonders in den anspruchsvollsten Kapiteln über Specht-Moduln und Young-Permutationsmoduln. (Leider spielen „polynomielle Darstellungen“, oder besser gesagt „Darstellungen auf Polynomringen“, trotz des markanten Untertitels keine prominente Rolle.)

Fazit: Eine vollständig überzeugende Antwort auf die eingangs gestellte Frage habe ich mit diesem Buch, trotz mancher guter Ideen darin, nicht gefunden.