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Es ist zunächst der Titel, der aufhorchen lässt: „Digitales Lehren und Lernen von Mathematik in der Schule“ lässt Beispiele und Erörterungen für (und ggf. aus) der schulischen Lehr‑/Lernpraxis vermuten. Der Untertitel des Buches verweist dagegen auf aktuelle Forschungsbefunde, wodurch eine eher wissenschaftliche und ggf. empirische Sichtweise angedeutet wird. An wen richtet sich das Buch also? An Lehrende an Schule und Universität oder an WissenschaftlerInnen? Es ist genau die Verbindung dieser beiden Themenfelder und Adressatenkreise, die die Herausgeber mit ihrem Sammelband angehen wollen: „Der Sammelband richtet sich dabei sowohl an Forschende als auch an Lehrkräfte an Schulen“ (S. 2). Man ist gespannt, inwieweit dies gelingt.

Das Buch ist in drei Abschnitte geteilt: (1) „Übergreifende Beiträge“, (2) „Inhaltsbezogene Beiträge“ und (3) „Prozessbezogene Beiträge“.

In den übergreifenden Beiträgen werden u. a. Theorien, Modelle, Designprinzipien und konkrete Unterrichtsbeispiele bis hin zur Virtual Reality aufgezeigt und diskutiert, die unabhängig von bestimmten Fachinhalten bedeutsam erscheinen. Dabei ist die Spanne von theoretischen Betrachtungen bis hin zur Diskussion unterrichtspraktischer Beispiele gewinnbringend groß, so dass durch die Lektüre dieses Abschnittes das große Spektrum von Aspekten deutlich wird, das dem Thema „Digitales Lehren und Lernen von Mathematik in der Schule“ inhärent ist. Die Ausführungen werden dadurch bereichert, dass auch Elemente der Professionalität von Lehrkräften diskutiert werden, die die Erörterungen aus der konkreten Unterrichtsperspektive auf die Ebene von Lehrkräftefortbildungen zu heben vermögen.

In den inhaltsbezogenen Beiträgen werden die digitalen Möglichkeiten von den Fachinhalten ausgehend diskutiert. In der Beschäftigung mit den Themengebieten „funktionales Denken“, „Erwerb arithmetischer Kompetenzen“, „Algebra“, „Geometrie“, „Daten und Zufall“ und „informatisches Denken“ wird den LeserInnen ein umfangreiches Spektrum an Lernumgebungen, Apps und co. aufgezeigt. Hier zeigt sich mehr als nur ein erster Anlaufpunkt für die Recherche von inhaltsbezogenen digitalen Werkzeugen. Dabei sind nicht alle Beispiele neu; müssen sie aber auch nicht sein, da sich das stoffdidaktische Potenzial von digitalen Lehr‑/Lernumgebungen nicht aus ihrem Erscheinungsdatum ergibt. Die in den Beiträgen geleisteten fachdidaktischen (theoretischen und empirischen) Erörterungen vermögen es, die Reichweite und den Nutzen etwaiger digitaler Möglichkeiten gewinnbringend zu berücksichtigen.

In den prozessbezogenen Beiträgen wird wiederum eine andere Facette von digitalen Medien deutlich. Interessant erscheint dabei u. a., wie der Einbezug solcher Medien die betrachteten Tätigkeiten („Modellieren“, „Argumentieren und Beweisen“ und „Darstellen und Kommunizieren“) zu modifizieren vermag. Auch in diesem Abschnitt werden interessante Aufgaben, Problemstellungen und Projekte für die Schulmathematik aufgezeigt, in deren Kontext ein Mehrwert der Nutzung digitaler Medien deutlich wird. Chancen und Herausforderungen der Thematik werden gleichsam durch die Betrachtung verschiedener empirischer Studien herausgestellt. Das Buch schließt mit einem die Kapitel verbindenden Überblick aus internationaler Perspektive, wobei die in den Beiträgen dargestellten Betrachtungen durch einen Blick in die Zukunft („Towards a Future Agenda for Research and Implementation“) sinnvoll abgerundet werden.

Nun, was bleibt nach diesen 414 Seiten? Insgesamt lässt sich festhalten, dass man nach der Lektüre des Buches einen umfangreichen Blick auf die Thematik des digitalen Lehrens und Lernen von Mathematik in der Schule erhalten hat. Dieser umfasst sowohl Möglichkeiten des praktischen Einsatzes von digitalen Medien im Unterricht als auch empirische Kenntnisse hierüber. Wie es in der Natur von Herausgeber-Bänden liegt, ist die Qualität der gesammelten Beiträge unterschiedlich. Dabei zeigt sich aber insgesamt ein sehr erfreuliches Niveau. Dies ist auch den Herausgebern zuzuschreiben, denen es gelungen ist, mit der Zusammenstellung der AutorInnen ein breites Spektrum der Arbeiten und Betrachtungsweisen der deutschen Mathematikdidaktik zum Thema zusammenzutragen und somit den „state of the art“ herauszustellen. Der darin enthaltende Einblick in den Stand der (empirischen) Beforschung erweist sich teilweise als ernüchternd. Es wird deutlich, dass wirklich ein Stand der Dinge präsentiert wird, dessen Entwicklungen noch lange nicht abgeschlossen sein werden.

Mit diesem Buch liegt ein Fundus von Möglichkeiten, Sichtweisen, Forschungsrichtungen und -ergebnissen vor, der für jede Person interessant und nützlich sein wird, die sich vornehmlich aus wissenschaftlicher Sicht mit dem Thema der digitalen Medien im Mathematikunterricht auseinandersetzen möchte. Vielen Dank dafür!