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An dieser Stelle werden häufig allgemeinverständliche Bücher rezensiert, etwa solche, die sich an einen Leser mit geringen mathematischen Vorkenntnissen richten oder die Grundlagen der Mathematik behandeln. Der Leser mag sich wundern, warum ein Buch über Unendlich-Kategorien in diese Reihe gekommen ist. Die Rezensentin – und vielleicht auch der Autor Markus Land – sind jedoch davon überzeugt, dass die mathematische Gemeinschaft gerade im Begriff ist, einen gewaltigen Abschnitt der Mathematik auf eine neue Grundlage zu stellen, und dieses Buch ist ein Schritt in diese Richtung.

Mit dem Buch „Introduction to Infinity-Categories“ widmet sich der Autor Markus Land einem hochaktuellen Thema. Die Sprache der Unendlich-Kategorien ist inzwischen nicht nur die Standardsprache der Homotopietheorie, sondern hat sich auch für die benachbarten Gebiete wie beispielsweise algebraische Topologie, algebraische Geometrie oder Darstellungstheorie als sehr nützlich erwiesen.

Der grundlegende Ansatz der Homotopietheorie ist am besten aus dem motivierenden Beispiel der stetigen Abbildungen zu erkennen: Wir wollen stetige Abbildungen als eng verwandt ansehen, wenn diese durch „kleine“ Deformationen auseinander hervorgehen. Diese Deformationen kann man auch selbst als Abbildungen formalisieren, und dadurch stellt sich auch die Frage, ob etwa zwei Deformationen sehr unterschiedlich sind. Man kann sich leicht vorstellen, wie Deformationen zwischen Deformationen zwischen Deformationen… schnell in die Unendlichkeit führen, und das ist gerade die Unendlichkeit, die im Titel des Buches genannt wird.

Natürlich ist das nur die Idee und nicht die genaue mathematische Praxis. Die Theorie der Unendlich-Kategorien kann auf verschiedene Arten und Weisen implementiert werden. Die Grundlage für das vorliegende Buch ist die Implementierung in Form von Quasi-Kategorien. Diese Objekte wurden erstmals von Boardman und Vogt betrachtet, um homotopie-kohärente Diagramme zu kodieren. Solche Kohärenzen sind unabdingbar, um systematisch homotopische Versionen von kategoriellen Konstruktionen, z. B. von Limiten, zu studieren. Eine enorme Entwicklung verdankt die Theorie den – größtenteils unveröffentlichten – Arbeiten von André Joyal. Die Grundlage für viele heutige Entwicklungen ist das wegweisende Werk „Higher Topos Theory“ von Jacob Lurie. Während die Behandlung des Themas auf über 900 Seiten die Theorie von Grund auf aufbaut, sind diese Länge, die Allgemeinheit der bewiesenen Sätze und die Abstraktion für die Anfänger*innen zum Teil undurchdringlich und vielleicht sogar abschreckend.

Das Buch von Markus Land ist ein gelungener Versuch, ähnliche Inhalte in kleinere Stücke aufzuteilen und in den Studierenden zugänglicher Art darzulegen. Diese Behandlung hat bereits einige Praxistests bestanden, da das Buch aus Vorlesungsnotizen entstanden ist und bereits von mehreren Kolleg*innen als Ausgangspunkt für deren Lehrveranstaltungen benutzt wurde. Das Material wird durch zahlreiche Übungsaufgaben begleitet und verdeutlicht.

In den ersten Kapiteln baut Markus Land die notwendigen Grundlagen auf, um die Theorie von Quasi-Kategorien zu erschaffen. In der sorgfältigen und detaillierten Ausführung wird das Fundament für die Verallgemeinerung der Aussagen aus der klassischen Kategorientheorie gelegt.

Der Autor verzichtet darauf, einen (in jedem Fall technisch sehr anspruchsvollen und etwas ablenkenden) Beweis für eines des zentralen Werkzeuge der Theorie (das sogenannte „straightening-unstraightening“) zu geben, und konzentriert sich stattdessen darauf, in den letzten beiden Kapiteln die Konsequenzen zu behandeln, die man mit diesem Werkzeug aufbauen kann, und die viel näher an den Anwendungen sind.