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Liebe Leserin, lieber Leser

haben Sie heute schon gegessen? Bio-Produkte oder solche aus konventioneller Landwirtschaft? Waren Sie in einem Restaurant? Oder haben Sie die Zutaten im Internet bestellt und dann selbst gekocht? So oder so: Das aktuelle Standortheft wird – so hoffen wir – für viele Leserinnen und Leser interessant sein, weil es um etwas sehr Alltägliches geht, nämlich um Essen und Trinken. Zwei Worte, die für Identität und Emotion, Genuss und Risiko, Hunger und Überfluss, Rausch und Arbeit stehen. Essen und Trinken fallen aber auch in die Arbeitsbereiche vieler Geographinnen und Geographen. Die Veränderungen in Handel und Gastronomie fordern die Stadtplanung ebenso heraus wie die Standortplanerinnen und -planer in den Expansionsabteilungen der großen Einzelhandels- und Restaurantketten; kulinarische Besonderheiten werden zunehmend von Stadtmarketing und Tourismusförderung vermarktet. Die ökologischen Auswirkungen der industrialisierten Landwirtschaft beschäftigen Umweltschutzeinrichtungen; die Potenziale von Urban Gardening wurden auch von Stadteilmanagerinnen und -managern in Deutschland entdeckt; die Globalisierung des Nahrungsmittelhandels wird längst nicht mehr nur von Supply-Chain-Managerinnen und -Managern vorangetrieben, sondern auch durch Nichtregierungsorganisationen und Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit.

Wer sich mit Essen und Trinken aus geographischer Perspektive beschäftigt, merkt schnell, dass Prozesse der Globalisierung und der lokalen Einbettung und Wirkung in immer wieder neuen Formen zusammenkommen. An angelsächsischen Universitäten hat sich deswegen inzwischen die sogenannte Geography of Food als eigene Forschungs- und Lehrrichtung etabliert. Darin werden Fragen der Produktion, des Handels und des Konsums mit Lebensmitteln in den Fokus der Betrachtungen genommen. An deutschen Hochschulen fehlt eine solch explizite Ausrichtung auf den Lebensmittelbereich bislang. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Ausrichtung sinnvoll und notwendig ist, stimmt es nachdenklich, dass in den letzten Jahrzehnten immer mehr Lehrstühle, die sich in Deutschland mit dem Lebensmittelsektor – etwa in der Agrargeographie oder in der Geographischen Handelsforschung – beschäftigten, eingespart oder auf andere, vermeintlich wichtigere Themenfelder ausgerichtet wurden. Ich will Ihnen aber nicht den Appetit verderben! Das vorliegende Heft ist der Versuch, Essen und Trinken aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Dazu haben Autorinnen und Autoren unterschiedlicher fachlicher Hintergründe beigetragen.

Entstanden ist ein Heft, das Perspektiven aus der Agrar-, Stadt-, Tourismus- und Wirtschaftsgeographie zusammenbringt. Sicherlich wären noch viele weitere Themen und Perspektiven möglich gewesen, aber irgendwann hat jedes Gericht genügend Zutaten. Wir hoffen mit der Auswahl der Artikel Ihren Geschmack getroffen zu haben. Möge es Ihnen wohl munden!

Eine interessante Lektüre wünscht

Prof. Dr. Martin Franz