Die Welt in der wir leben, wird von ganz verschiedenen Akteuren gestaltet und strukturiert. Sie versehen Räume mit Attributen oder Eigenschaften, die sie jeweils voneinander unterscheiden sollen, man kann damit Grenzen ziehen. Der Politikwissenschaftler Samuel Huntington, auf internationaler Ebene für die amerikanische Außenpolitik (HUNTINGTON 1993 ff.), und die Geographen Albert Kolb und Jürgen Newig für die deutsche Schulbildung (KOLB 1962, NEWIG 1986, 1995), haben mit ihren nahezu identischen Kulturerdteilkonzepten die Welt regionalisiert. Solche containerartigen Konzepte können zur Beschreibung der Welt sicherlich genutzt werden, sie werden aber zum Problem, wenn sie zur Begründung von Raumansprüchen instrumentalisiert und dabei ihre groben Generalisierungen vergessen werden. So verwenden politische Akteure sie im „Konfliktfall“ nicht selten wie „objektive Wahrheiten“, um ideologisch-politische, religiöse und auch wirtschaftliche Interessen durchzusetzen, wobei bestimmte Charakteristika hervorgehoben, selektiv oder verzerrt dargestellt oder auch ganz kreativ durch erfundene Argumente ergänzt werden. Die so konstruierten Raumbilder dienen der Strategie, sie werden der Öffentlichkeit vermittelt, steuern die Meinungsbildung und letztlich die politischen Entscheidungen und Handlungen der Bevölkerung.
In der heftig geführten Diskussion um die Zugehörigkeit der Türkei zu Europa spielen strategische Raumbilder eine große Rolle. Die Aufgabe der Geographeninnen und Geographen, im Berufsfeld Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, wiewohl in der Politikberatung, sollte es sein, die Raumkonzepte kritisch zu hinterfragen und allein sachliche und angemessene Beweismittel im Disput zuzulassen. An wenigen Beispielen strategischer Raumbilder, die der Abgrenzung der Türkei von Europa dienen, soll diese Problematik veranschaulicht werden.
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Struck, E. Die Türkei in Europa?. STANORT - Z Angew Geogr 29, 31–36 (2005). https://doi.org/10.1007/s00548-005-0235-3
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