Vor dem Hintergrund der Verstrickungen der deutschen Geopolitik in die Ideologie des Nationalismus führte die Politische Geographie in Deutschland, ebenso wie die Geopolitik als ihr angewandter Zweig, jahrzehntelang ein Schattendasein. Allein disziplinhistorische Untersuchungen schienen ein legitimes Betätigungsfeld zu sein. Demgegenüber gab es im angloamerikanischen Sprachraum keinen historischen Bruch; die Geopolitik konnte sich weiterentwickeln. Neue Forschungsperspektiven, wie die „Critical Geopolitics“ oder die „Geographische Konfliktforschung“, entstanden in den 1990er Jahren. Sie versuchen mit einer jeweils eigenen Zielsetzung den veränderten global-politischen Rahmenbedingungen seit 1989 gerecht zu werden. Gerade Deutschland war von den weltpolitischen Veränderungen besonders betroffen—zu nennen wären etwa die Wiedervereinigung oder die zentrale Lage in der erweiterten EU. Ein neues Verständnis bezüglich der Rolle Deutschlands bildete sich heraus. Diesem neuen Verständnis hat eine neue, mit ihrer Vergangenheit verantwortungsbewusst umgehende Geopolitik Rechnung zu tragen und sich mit klaren Konzepten in die Politikberatung zum Zweck der Konfliktvermeidung globalen wie regionalen Ausmaßes einzubringen. Dieser Weg würde letztlich ein Ende elitärer und abgeschotteter Debatten ohne Praxisbezug rein unter Wissenschaftlern bedeuten, also ein Ende des Schweigens.
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Veres, A., Kost, K. Verständnis von Geopolitik in der Gegenwart. STANORT - Z Angew Geogr 29, 26–30 (2005). https://doi.org/10.1007/s00548-005-0227-3
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00548-005-0227-3