1 Einleitung

Die Siedlungswasserwirtschaft definiert sich über die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie die Behandlung des Niederschlagswassers zur Überflutungsvorsorge (Butler und Parkinson 1997). Über die letzten Jahrzehnte hat der sich immer stärker ausprägende Klimawandel zu Veränderungen in den Niederschlagsmustern und einer deutlichen Zunahme von Extremniederschlägen geführt (Arnbjerg-Nielsen et al. 2013, IPCC 2014). Daraus resultierte ein Paradigmenwechsel hin zur dezentralen Niederschlagswasserbehandlung, welche vorsieht, dass das Niederschlagswasser nicht mehr direkt in das Entwässerungsnetz geleitet und zur Kläranlage geführt, sondern direkt an Ort und Stelle versickert wird (Chocat et al. 2001). Damit das Wasser versickern kann, muss die Oberfläche entsiegelt werden. Das hat einen positiven Einfluss sowohl auf das Überflutungsrisiko als auch auf die Hitzeminderung, vor allem dann, wenn die graue Oberfläche durch Vegetation ersetzt wird (Almaaitah et al. 2021). Die Benennung dieses Prinzips, Niederschlagswasser dezentral zu behandeln und somit das Kanalnetz zu entlasten und zeitgleich Mehrfachnutzen zu fördern, ist in allen Ländern der Welt unterschiedlich (Ruangpan et al. 2020; Matsler et al. 2021; Fletcher et al. 2015). In Österreich ist es heutzutage weitestgehend als „Schwammstadtprinzip“ oder auch „Blaugrüne Infrastruktur“ bekannt. Der Begriff Schwammstadtprinzip, welcher ursprünglich in China eingeführt wurde (Nguyen et al. 2019), bezieht sich auf die Verbesserung des Wasserhaushalts einer gesamten Stadt und umfasst weitreichende sowie großangelegte Anpassungskonzepte. Der Begriff Blaugrüne Infrastruktur bezieht sich hingegen auf natürliche, wie auch technisch modifizierte, Systeme bzw. konkrete bautechnische Lösungen, die sich auf verschiedenen Ebenen auswirken können (Ghofrani et al. 2017).

Das Entscheidende bei der Umgestaltung versiegelter Flächen ist, dass Wasserbilanz und Energiebilanz an der Oberfläche verändert werden. Die Oberflächenwasserbilanz setzt sich aus den Komponenten Evapotranspiration, Abfluss und Versickerung zusammen, welche in Summe der Niederschlagsmenge entsprechen müssen. Die Oberflächenenergiebilanz setzt sich aus dem latenten Wärmestrom, dem sensiblen Wärmestrom und dem Bodenwärmestrom zusammen, welche in Summe der Nettogesamtstrahlung entsprechen müssen. Im interagierenden System Boden-Atmosphäre beeinflussen die Oberflächeneigenschaften den Energie- und Wasseraustausch zwischen Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre (Mahmood et al. 2014). Die Aufteilung der Oberflächenenergieströme, bestehend aus latentem Wärmestrom, sensiblem Wärmestrom und Bodenwärmestrom, nimmt auf die klimatischen Bedingungen in Bodennähe sowie auf das gesamte Stadtklima entscheidenden Einfluss (Mahmood et al. 2014; Schwingshackl et al. 2017).

Die Evapotranspiration stellt einen der wichtigsten Prozesse für den Energie- und Wasseraustausch zwischen den einzelnen Sphären dar (Seneviratne et al. 2010). Die hierfür aufgebrachte Energie wird als latenter Wärmestrom bezeichnet. Durch den latenten Wärmestrom und die Evapotranspiration sind Energie- und Wasserbilanz direkt miteinander gekoppelt. Die Bodenfeuchtigkeit steuert den Wasseraustausch, die Aufteilung der Energieströme an der Oberfläche und damit die Prozesse der Transpiration und Evaporation der Pflanzen respektive des Bodens (Schwingshackl et al. 2017). Die Hauptfaktoren des Effekts einer überwärmten Stadt liegen daher im Unterschied der Evapotranspirations- und Konvektionseffizienz zwischen den städtischen Gebieten und deren Umland (Zhao et al. 2014; Manoli et al. 2019). Aus diesem Grund verstärkt eine zunehmende Oberflächenversiegelung, die mit höheren Abflussraten, verringerter Grundwasserneubildung und in der Folge mit einer verringerten Evapotranspiration einhergeht (Bonneau et al. 2017), die Temperaturunterschiede zwischen der Stadt und dem Umland, was als urbaner Hitzeinseleffekt bekannt ist (Oke 1982). Dies führt zu einer Verschlechterung der Lebensqualität sowie zu einer Erhöhung der Gesundheitsrisiken und hitzebedingter Sterblichkeit (Vicedo-Cabrera et al. 2021). Urbanisierung und die einhergehende Landnutzungsänderung sind in der Lage, die Energie- und Wasserbilanz der Oberflächen und dadurch auch das Stadtklima entscheidend zu beeinflussen (Oke et al. 2017; Schwingshackl et al. 2017).

In dieser Arbeit beschreiben wir die Auswirkungen unterschiedlicher Oberflächengestaltungsmöglichkeiten auf die lokale Wasser- und Energiebilanz an der Oberfläche sowie auf die klimatischen Bedingungen und zeigen auf, dass die Umgestaltung städtischer Gebiete durch Entsiegelung und Begrünung nur mit einer Gewährleistung der Wasserversorgung ganzheitlich funktionieren kann. Insbesondere in Anbetracht immer länger anhaltender Trockenperioden müssen sich die Siedlungswasserwirtschaft und die Stadtplanung vermehrt mit der Thematik Wasserversorgung zur Bewässerung Blaugrüner Infrastruktur sowie einer optimierten Bewässerungstechnik auseinandersetzen. Anhand der Erfahrungen aus zwei konkreten Platzumgestaltungen in Innsbruck (Österreich) aus den Projekten cool-INN (abgeschlossen) und COOLYMP (laufend) betrachten wir Chancen und Herausforderungen bei der Gestaltung klimaresistenter dichter städtischer Gebiete mit Blaugrüner Infrastruktur.

2 Klimafitte Platzgestaltung in Innsbruck

Innsbruck, Tirols Hauptstadt, liegt auf 574 m über dem Meeresspiegel mitten in den Alpen. Die Stadt wird im Norden und Süden durch Gebirgszüge begrenzt und öffnet sich nach Westen und Osten entlang des Inntals. Der Fluss Inn prägt zudem das Stadtbild und fließt geschwungen von Westen nach Osten. Abb. 1 zeigt die Stadt Innsbruck auf Basis eines CIR-Falschfarbenbilds. Die roten Farben heben die Vegetation sowie deren Gesundheitszustand hervor. Je dunkler der Rotton, desto vitaler die Vegetation. In den Alpen gelegen, sieht sich die Stadt Innsbruck bereits jetzt mit den Auswirkungen des Klimawandels verstärkt konfrontiert (Smiatek et al. 2016; Gobiet et al. 2014). Eine Bestandserhebung des Innsbrucker Klimas im Jahre 2020 (ZAMG 2020), sowie die 2023 erschienene Stadtklimaanalyse (WEATHERPARK 2022) zeigten bereits die bevorstehenden Herausforderungen sowie innerstädtische Hotspots auf und gaben Empfehlungen zur wirkungsvollen Berücksichtigung der Ergebnisse an. Parallel dazu starteten zwei Projekte, welche sich mit einer konkreten klimafitten Platzumgestaltung in der Stadt befassen. Ein sehr wichtiges Element in stadtweiten Klimawandelanpassungsmaßnahmen stellen städtische Parks dar, welche – wenn dementsprechend geplant – die lokalen Temperaturen mindern und Wohlfühloasen für Bewohner:innen schaffen können (Yao et al. 2022).

Abb. 1
figure 1

CIR-Falschfarbenbild (CIR Coloured InfraRed) der Stadt Innsbruck und die Standorte der Untersuchungsgebiete. (a Untersuchungsgebiet aus dem Projekt cool-INN, b Untersuchungsgebiet aus dem Projekt COOLYMP)

Im Rahmen des Demonstrationsprojekts cool-INN wurde ein zentral gelegener Stadtpark mithilfe von Blaugrüner Infrastruktur umgestaltet, um den Kühleffekt, die Lebensqualität und das Wohlbefinden in den Sommermonaten zu verbessern. Der umgestaltete Park stellt ein Versuchsgebiet innovativer Lösungsansätze dar. Das Projektkonsortium setzte sich aus den Innsbrucker Kommunalbetrieben – IKB, der Stadt Innsbruck sowie den wissenschaftlichen Partnern Universität Innsbruck und Universität für Bodenkultur Wien zusammen. Um die im Vorfeld gesetzten Ziele zu erreichen, wurden in Zusammenarbeit mit Bürger:innen aus der näheren Umgebung folgende Maßnahmen in die Neugestaltung integriert: (1) Oberflächengestaltung mit durchlässigen Belegen (Drainbeton und wassergebundene Wegedecke), begrünten Flächen und Bäumen, (2) zentrale offene Wasserfläche, Brunnen, Sprühnebelsystem sowie offene Wasserläufe und (3) ein kontrollierbarer Wasserkreislauf, der sowohl Trinkwasser als auch recyceltes Wasser enthält, um die blauen und grünen Elemente im Park zu versorgen. Abb. 1a zeigt den Park und die nähere Umgebung vor der Umgestaltung. Ein Projektbericht ist bereits fertiggestellt und wird im Laufe der zweiten Hälfte dieses Jahres auf der Homepage des Klima- und Energiefonds zur Verfügung stehen (Link zur Projektseite: https://smartcities.at/projects/cool-inn-kuehle-urbane-lebensraeume-fuer-eine-resiliente-gesellschaft).

Das Nachfolgeprojekt COOLYMP wurde im August 2022 gestartet und befasst sich mit der klimafitten Umgestaltung des DDr.-Alois-Lugger-Platzes (Link zur Projektseite: https://smartcities.at/projects/coolymp). Projektpartner sind die Stadt Innsbruck, die Innsbrucker Immobilien Gesellschaft – IIG (Inhaberin des Platzes), Innsbrucker Soziale Dienste – ISD (Stadtteilarbeit) und die Universität Innsbruck. Die Bürger:innenbeteiligung, welche im Projekt cool-INN bereits erfolgreich umgesetzt wurde, wurde im Projekt COOLYMP noch intensiver – unter Mitwirkung der Bevölkerung des Olympischen Dorfes sowie der Vereine und Institutionen vor Ort – betrieben. Mit der Planung wurde die Arbeitsgemeinschaft IB LAUP, Maché&Glanzl Architekten beauftragt, welche in enger Zusammenarbeit mit dem Projektteam und den Bürger:innen vor Ort den Entwurf zur Platzumgestaltung erarbeiten (siehe Abb. 9). Mit Abschluss der Planungen im Jahr 2023 werden die ausgearbeiteten Maßnahmen im Jahr 2024 umgesetzt. Wie Abb. 1b zeigt, befindet sich der Platz am östlichen Stadtrand im Olympischen Dorf. Dieser Platz ist mit einer Tiefgarage unterbaut, was der Umgestaltung eine zusätzliche Komplexität verleiht. Erfahrungen aus dem Projekt cool-INN konnten in diesem Projekt in die technischen Aspekte der Platzumgestaltung bereits miteinfließen.

Die nachstehenden Ergebnisse sind Teil der bereits abgeschlossenen und laufenden wissenschaftlichen Begleitung und des Monitorings mikro- und bioklimatischer Bedingungen durch den Arbeitsbereich für Umwelttechnik der Universität Innsbruck.

3 Auswirkungen unterschiedlicher Oberflächengestaltungen

Im Stadtgebiet kann durch die Implementierung Blaugrüner Infrastruktur der natürliche Anteil der Bodenbedeckung gesteigert und den Auswirkungen des Klimawandels durch Mehrfachnutzen entgegengewirkt werden (Almaaitah et al. 2021). Abb. 2 stellt die Aufteilung der Komponenten der Oberflächenwasserbilanz und der Oberflächenenergiebilanz in Abhängigkeit von verschiedenen Oberflächengestaltungen schematisch dar. Mit zunehmendem Versiegelungsgrad (z. B. Straßen und Pflastersteine) führt eine Zunahme des sensiblen Wärmestroms und des Bodenwärmestroms zu einer verstärkten Wärmeübertragung zwischen der Oberfläche und der Atmosphäre (Oke et al. 2017). Außerdem wird anfallendes Niederschlagswasser an der Versickerung in den Untergrund gehindert und fließt überwiegend in die unterirdische Kanalisation ab. Mit zunehmender Oberflächenporosität und Vegetationsbedeckung (z. B. durchlässige Beläge, Gartenflächen, Wiesenflächen und Bäume) führt ein zunehmender Anteil latenter Wärmeströme, unter der Bedingung ausreichender Wasserverfügbarkeit, zu einer verstärkten Evapotranspiration und der damit einhergehenden Verdunstungskühlung (Oke et al. 2017; Chen et al. 2022). Außerdem wird anfallendes Niederschlagswasser in den Untergrund infiltriert, was die Wasserverfügbarkeit und damit die Verdunstungsrate erhöht.

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung der Auswirkungen unterschiedlicher Oberflächengestaltungen auf die Oberflächenenergiebilanz (Q, LE, H und G) und die Oberflächenwasserbilanz (P, E, R und I), sowie auf die oberflächennahe Lufttemperatur. (Diese Abbildung wurde mit Biorender.com erstellt)

Die Oberflächenenergiebilanz und die Oberflächenwasserbilanz sind über den latenten Wärmestrom und die Evapotranspiration direkt miteinander verbunden. Neben dieser Korrelation weist Abb. 2 zudem auf Korrelationen zwischen den Energieströmen der Oberflächenenergiebilanz hin. Das Verhältnis von sensiblem zu latentem Wärmestrom wird als Bowen-Verhältnis (β) bezeichnet. Oberflächen mit einem höheren Bowen-Verhältnis (β ≥ 1) weisen auf eine geringere Verfügbarkeit von Bodenfeuchtigkeit hin (Mahmood et al. 2014). Es kommt zu einer Erhöhung der Oberflächentemperatur, Verstärkung des Wärmeaustauschs durch Konvektion, zu einem Anstieg der oberflächennahen Lufttemperatur (Schwingshackl et al. 2017) und in weiterer Folge zu einer Verstärkung der innerstädtischen Hitze und des Hitzeinseleffekts (Li et al. 2018; Yang et al. 2021). Im Gegensatz dazu weisen Oberflächen mit einem niedrigeren Bowen-Verhältnis (β < 1) auf eine höhere Verfügbarkeit von Bodenfeuchtigkeit hin (Mahmood et al. 2014), verringern die Oberflächentemperatur und begünstigen den durch Evapotranspiration bedingten Kühleffekt, was zu einer Reduktion der bodennahen Lufttemperatur führt (Li et al. 2019).

Das Bowen-Verhältnis ist essenzieller Bestandteil der Oberflächenenergiebilanz, welche wiederum grundlegend für das interagierende System Boden-Atmosphäre ist (Moderow et al. 2021). Als weiterer Bestandteil der Energiebilanz führt ein durch die Versiegelung begünstigter Anstieg des Bodenwärmestroms vor allem nachts zu einem höheren Wärmeaustausch zwischen dem Boden und der Atmosphäre und somit zu erhöhten Lufttemperaturen und einer höheren Hitzebelastung (Mahmood et al. 2014). Aufgrund der hohen Bedeutung der Evapotranspiration im urbanen System (Grimmond und Oke 1999) kann die Erhöhung der Evapotranspiration, unter Berücksichtigung der geografischen Lage (Manoli et al. 2019), als wirksame Anpassungsmaßnahme zur Kühlung der Städte angesehen werden. Dies wurde in Studien auch bereits belegt (Wang et al. 2018; Kubilay et al. 2021; Liu et al. 2020).

4 Modellierungsansatz zur kleinräumigen Analyse der Land-Atmosphären Interaktion

Um die theoretisch angeführten komplexen Beziehungen näher untersuchen zu können, wurde ein bereits bestehendes GIS-basiertes (Geoinformationssystem) Modell zur Analyse der mikro- und bioklimatischen Bedingungen in Städten (Back et al. 2021) weiterentwickelt und mit den Fähigkeiten einer CFD-Software (Computational Fluid Dynamics) gekoppelt. Spezifisch wurden die Änderungen der quantitativen Werte der drei Energieströme der Oberflächenenergiebilanz mit unterschiedlicher Bodenbedeckung und deren Beziehungen untereinander sowie zu den meteorologischen Bedingungen Windgeschwindigkeit und Lufttemperatur analysiert. Grundlage des Modells ist eine verbesserte Berechnung des Bowen-Verhältnisses und des Bodenwärmestroms mittels NDVI-basierter (Normalised Difference Vegetation Index) Methoden sowie die Integration von hochaufgelösten Datensätzen der Windgeschwindigkeit und der Lufttemperatur aus den CFD-Simulationen. Dieses Modell wurde in Back et al. (2023) detailliert beschrieben. Auf Basis des NDVI wurden im Modell zudem der Wassergehalt der Vegetation (VWC – Vegetation Water Content) und die potenzielle Evapotranspiration (PET – Potential Evapotranspiration) berechnet. Anhand der Analysen aus dem CFD-GIS-gekoppelten Model konnte eine Korrelation zwischen dem Bowen-Verhältnis und den Oberflächenenergieströmen hergestellt werden. Abb. 3a und b zeigen den Schwellenwert von 0,52, welcher den oberflächeninduzierten Kühleffekt (höherer Anteil des latenten Wärmestroms führt zur Erhöhung der Verdunstungskühlung) vom Wärmeeffekt (höherer Anteil der Summe aus sensiblem Wärmestrom und Bodenwärmestrom führt zur Erhöhung der Wärmeübertragung zwischen dem Boden, der Oberfläche und der Atmosphäre) trennt.

Abb. 3
figure 3

Untersuchung der drei Energieströme der Oberflächenenergiebilanz. (a Beziehung der Oberflächenenergieströme zueinander und in Bezug auf die Oberflächenbeschaffenheit, den Wassergehalt der Vegetation, sowie den menschlichen Wärmekomfort (UTCI Universal Thermal Climate Index); b eingeführter, auf dem Bowen-Verhältnis basierender Schwellenwert zur Bestimmung des oberflächeninduzierten Kühl- und Wärmeeffekts)

Der oben eingeführte Modellierungsansatz und der auf dem Bowen-Verhältnis basierende Schwellenwert zur Bestimmung des oberflächeninduzierten Kühl- und Wärmeeffekts wird im Folgenden verwendet, um aufzuzeigen, wie wichtig die Entsiegelung von Oberflächen und die Begrünung zur Minderung der Hitze in Städten sind und wie vulnerabel die Stadtvegetation gegenüber länger anhaltender Trockenperioden ist.

5 Die Notwendigkeit der Entsiegelung

Spezifisch für die Untersuchungen um den DDr.-Alois-Lugger-Platz wurde der NDVI aus den CIR-Falschfarbenbildern (CIR = Coloured InfraRed) im August der Jahre 2016 (normal feucht) und 2019 (sehr trocken) berechnet. Die CIR-Falschfarbenbilder wurden vom Land Tirol zur Verfügung gestellt. Innerhalb der mehrjährigen Periode 2018 bis 2020 herrschte in Europa eine länger anhaltende Trockenperiode vor (Rakovec et al. 2022). Aus diesem Grund stellen die Datensätze der Jahre 2016 und 2019 zwei unterschiedliche Ausgangssituationen der Wasserverfügbarkeit im Sommer dar.

Abb. 4a zeigt die Oberflächenklassifizierung um den DDr.-Alois-Lugger-Platz und verdeutlicht die starke Versiegelung des Platzes. Abb. 4b, c zeigen mit einer Auflösung von 0,2 m, welche Flächen zum Kühleffekt und welche zum Wärmeffekt beitragen und in welchem Ausmaß. Dieser Platz weist auch unter normal feuchten Bedingungen wie im Jahre 2016 Werte über einem Bowen-Verhältnis von 2,0 auf (Abb. 4b). Je höher das Bowen-Verhältnis ist, desto mehr Energie in Form von Wärme wird im Boden aufgenommen und nachts wieder an die Atmosphäre abgegeben. Die in der Nacht abgegebene Energie führt zu einem Anstieg der Lufttemperaturen, was wiederum die Intensität nächtlicher Hitzebelastung steigert. Da der Platz zu 100 % versiegelt ist, sind diese Ergebnisse nicht verwunderlich, unterstreichen aber die Dringlichkeit einer Umgestaltung. Interessant ist wiederum beim Vergleich beider Jahre, dass das Bowen-Verhältnis sowohl auf den Vegetationsflächen als auch auf den versiegelten Flächen ansteigt.

Abb. 4
figure 4

Erweitertes Untersuchungsgebiet im Projekt COOLYMP. (a Oberflächenklassifizierung des Untersuchungsgebiets; b und c oberflächeninduzierter Kühl- und Wärmeeffekt auf Basis der Datensätze aus den Jahren 2016 und 2019)

6 Die Notwendigkeit der Wasserversorgung

Im Jahr 2019 verschlimmerte sich die Gesamtsituation durch die Trockenperiode und fast alle Oberflächen trugen zu beinem Wärmeeffekt bei (Abb. 4c). Der Vergleich beider Jahre weist große Unterschiede insbesondere auf den Vegetationsflächen auf. Die Kombination aus Trockenperiode und dem heißen Sommer 2019 (Xu et al. 2020) hatten zur Folge, dass das Bowen-Verhältnis auf allen Vegetationsflächen anstieg. Dies bedeutet, dass weniger einfallende Sonnenstrahlung in den latenten Wärmestrom und viel mehr in den sensiblen Wärmestrom fließt. Somit steht weniger Energie der Verdunstungskühlung zur Verfügung. Zudem führt der Anstieg des sensiblen Wärmestroms zu höheren Lufttemperaturen. Einzig vereinzelte Bäume, die durch ihr tiefes Wurzelwerk an noch vorhandene Wasserressourcen kommen, bzw. länger Wasser speichern können, tragen noch zum Kühleffekt bei. In Kombination mit der gleichzeitig zu beobachtenden Verringerung des Wassergehalts der Vegetation (Abb. 5) wird ersichtlich, dass die Verdunstungsleistung der Vegetationsflächen durch die Trockenheit beeinträchtigt wird. Abb. 5a verdeutlicht, dass Wiesenflächen im Vergleich zu Bäumen weniger Wasserressourcen zur Verfügung haben und somit einen deutlich verringerten Wassergehalt während der Trockenperiode aufzeigen. Dies kann nur durch eine intensive Bewässerung ausgeglichen werden.

Abb. 5
figure 5

Wassergehalt der Vegetation (VWC Vegetation Water Content) im erweiterten Untersuchungsgebiet des Projekts COOLYMP. (a Differenz des Datensatzes aus dem August 2016 zu dem von 2019; b und c Wassergehalt der Vegetation auf Basis der Datensätze aus dem August 2016 und 2019)

Die Wasserversorgung der zumeist pflanzlich geprägten Klimawandelanpassungsmaßnahmen wird jedoch vorwiegend als selbstverständlich angesehen, was während anhaltender Trockenperioden negative Folgen für die Vegetation und in weiterer Folge für das Wohlbefinden des Menschen haben kann, werden sie nicht ausreichend mit Wasser versorgt. Unter Berücksichtigung durch den Klimawandel stärker ausgeprägter Trockenperioden wird ersichtlich, dass die Infiltration und die natürliche Speicherung auf und innerhalb innerstädtischer Vegetationsflächen an Grenzen stoßen, um die Vegetation über die Sommermonate hinweg ausreichend mit Wasser zu versorgen. Eine trockene, unter Stress stehende Vegetation ist nicht mehr in der Lage, entscheidend zur Verdunstungskühlung beizutragen.

7 Auswirkung trockener Wiesenflächen auf die Lufttemperatur

Im August 2022 wurden Messkampagnen am DDr.-Alois-Lugger-Platz durchgeführt. Diese beinhalten, wie in Abb. 6 ersichtlich, Lufttemperaturmessungen auf fünf unterschiedlichen Standorten (A bis E) und jeweils zwei unterschiedlichen Höhen (0,2 und 1,75 m über dem Boden), sowie Oberflächentemperaturmessungen mittels einer Wärmebildkamera (Abb. 8). Die Standorte A bis C befinden sich direkt auf dem DDr.-Alois-Lugger-Platz. Die Standorte D und E befinden sich im nördlich gelegenen Olympia-Park. Standort A repräsentiert durchgehend beschattete Bedingungen. Standort B und C repräsentieren durchgehend sonnenexponierte Bedingungen in der Mitte (B) und am nördlichen Rand des Platzes (C). Standort D repräsentiert die Bedingungen nahe einer Wasserfläche im Olympischen Park. Standort E repräsentiert die Bedingungen auf einer trockenen Wiesenfläche im Olympischen Park.

Abb. 6
figure 6

Standorte A bis E und Aufbau der Lufttemperaturmessungen auf zwei unterschiedlichen Höhen (0,2 und 1,75 m) am DDr.-Alois-Lugger-Platz (A bis C) und im Olympia-Park (D und E)

Abb. 7 zeigt beispielhaft die Aufzeichnungen der Lufttemperaturmessungen vom 22. August 2022. Daraus kann abgelesen werden, dass beschattete Standorte die kühlsten Temperaturen aufweisen. Die Standorte D und E waren etwa ab der Mittagszeit direkt der Sonneneinstrahlung ausgesetzt und weisen demnach einen Anstieg der Temperaturen auf. Interessant ist hierbei, dass Standort E auf 0,2 m über dem Boden (also in Bodennähe) die Temperaturen der Standorte B und C übersteigt. Dies ist auf die trockene Wiesenfläche zurückzuführen. In Bodennähe führt der durch die trockene Wiesenfläche begünstigte sensible Wärmestrom zu erhöhten bodennahen Lufttemperaturen. Auf einer Höhe von 1,75 m über dem Boden übersteigen die Temperaturen am Standort E die Temperatuten der Standorte B und C nicht. Hier ist der Einfluss des Windes bereits größer als der Einfluss der Oberflächenenergieströme (erhöhter sensibler Wärmestrom), wodurch kühlere Lufttemperaturen messbar sind. Diese Beobachtungen wurden bereits in Back et al. (2023) beschrieben. Die Messungen bestätigen, wie wichtig eine durchgehend ausreichende Bewässerung der Grünflächen ist, um einen Anstieg des sensiblen Wärmestroms durch trockene Bedingungen (Beispiel Standort E) zu unterbinden.

Abb. 7
figure 7

Beispielhafte Auswertung der Lufttemperaturmessungen an fünf Standorten (A bis E) und für zwei unterschiedliche Höhen (0,2 und 1,75 m) am DDr.-Alois-Lugger-Platz (A bis C) und im Olympia-Park (D und E). Die vertikale Achse bezeichnet die Lufttemperatur in °C, die horizontale Achse bezeichnet die Uhrzeit

Die Aufzeichnungen mittels einer Wärmebildkamera bekräftigen diese Aussagen. Abb. 8 zeigt einen Ausschnitt am Standort E. Es ist deutlich ersichtlich, dass die trockenen Wiesenflächen weitaus höhere Oberflächentemperaturen erreichen als die grünen Wiesenflächen. Der Unterschied kann bis zu 30 °C betragen, wobei Oberflächentemperaturen bis zu 65 °C auf den trockenen Flächen erreicht werden.

Abb. 8
figure 8

Detailaufnahme mittels Wärmebildkamera eines Ausschnitts am Standort E im Olympia-Park

8 Platzumgestaltung im Projekt COOLYMP

Obwohl der gesamte Platz mit einer Tiefgarage unterbaut ist, könnten nahezu alle Maßnahmen aus dem Projekt cool-INN angewendet werden. Einzig tiefwurzelnde Bäume können nicht eingesetzt werden und aus statischer Sicht muss auf das zulässige Gewicht über der Bodenplatte geachtet werden. Insgesamt gibt es drei zu beachtende Bereiche: eine Feuerwehrzufahrt, ein Bereich vom nördlichen Ende bis etwa zur Mitte des Platzes mit einem zulässigen Gewicht von 500 kg/m2 und ein Bereich von der Mitte des Platzes bis zum südlichen Ende mit einem zulässigen Gewicht von 700 kg/m2.

Der jetzige Vorentwurfsplan sieht sowohl die Oberflächenumgestaltung, blaue Maßnahmen, als auch grüne Maßnahmen vor. Der Vorentwurf sieht eine Zonierung in einen Generationsbereich (Nähe zu Seniorenheim und Kindergarten und -hort), ein grünes Wohnzimmer (mittig des Platzes, da hier statisch Baumbepflanzungen möglich sind) und einen Multifunktionsbereich mit Wasserspiel vor. Die Maßnahmen streben eine Verbesserung der mikro- und bioklimatischen Bedingungen sowie des subjektiven Empfindens und des sozialen Verhaltens an. Eine Oberflächenumgestaltung hin zu durchlässigen Belegen, wie die im Projekt cool-INN verwendete Wassergebundene Wegedecke, nähern sowohl die Energie- als auch die Wasserbilanz an der Oberfläche wieder einem natürlicheren Zustand an. Dadurch werden der latente Wärmestrom und die Verdunstungskühlung gefördert. Zudem heizen sich Oberflächen durch einen verringerten Bodenwärmestrom weniger stark auf und übertragen nachts weniger Wärme zurück in die Atmosphäre. Der Bodenwärmestrom muss neben dem latenten und sensiblen Wärmestrom in Studien zur städtischen Überhitzung mit einfließen. Dieser steuert maßgeblich die nächtliche Hitzebelastung und ist somit auch vor allem in dichtbesiedelten Ballungsräumen relevant (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Vorentwurf der Platzumgestaltung im Projekt COOLYMP. Der Plan ist zur besseren Veranschaulichung nach Westen (oben) gedreht. (Quelle: ARGE IB LAUP, Machné&Glanzl Architekten)

9 Schlussfolgerung

Durch das vermehrte Auftreten von Hitzetagen pro Jahr und deren stärker werdende Intensitäten steigt die Hitzebelastung in den Städten. Anhaltende Trockenperioden verändern die Wechselwirkungen zwischen dem Boden und der Atmosphäre, wodurch auch die Verdunstungskühlung der Vegetation verringert wird. In diesem Artikel haben wir einen Modellierungsansatz zur kleinräumigen Analyse der Land-Atmosphären-Interaktion in Städten und einen auf dem Bowen-Verhältnis basierenden Schwellenwert zur Bestimmung des oberflächeninduzierten Kühleffekts (höherer Anteil des latenten Wärmestroms führt zur Erhöhung der Verdunstungskühlung) und des Wärmeeffekts (höherer Anteil der Summe aus sensiblem Wärmestrom und Bodenwärmestrom führt zur Erhöhung der Wärmeübertragung zwischen dem Boden, der Oberfläche und der Atmosphäre) eingeführt.

Aus den Modellierungen wird ersichtlich, dass die Entsiegelung von Oberflächen und die Begrünung unserer Städte die Wasser- und Energiebilanz an der Oberfläche positiv beeinflussen und die Verdunstungskühlung fördern. Letztere mindert die Hitzebelastung tagsüber, während eine zusätzliche Senkung des Bodenwärmestroms dazu führt, dass tagsüber weniger Wärme im Boden gespeichert wird und somit in der Nacht weniger Wärme wieder an die Atmosphäre abgegeben wird. Dies führt zu einer Verringerung der Hitzebelastung in der Nacht und wirkt dadurch positiv auf häufiger auftretende Tropennächte (Nächte in denen die Lufttemperatur nicht unter 20 °C fällt). Die Kombination aus Trockenperiode und zunehmender Hitze lässt die derzeitige Städteplanung jedoch an Grenzen stoßen, um während solcher Extremereignisse die Hitzebelastung mindern zu können.

Um den Auswirkungen gleichzeitig auftretender Trockenperioden und Hitzetage entgegenzuwirken sind Maßnahmen erforderlich, die über die jetzigen naturbasierten Lösungen hinausgehen. Konkrete Messungen haben aufgezeigt, dass eine trockene Wiesenfläche eine Oberflächentemperatur von bis zu 65 °C erreichen kann und somit 30 °C wärmer ist als eine grüne, vitale Wiesenfläche. Ein durch die Trockenheit gesteigerter Anteil des sensiblen Energiewärmestroms an der Oberfläche führt zu höheren Lufttemperaturen, insbesondere in Bodennähe. Die jüngsten Beispiele einer klimafitten Platzumgestaltung in den Projekten cool-INN und COOLYMP zeigen, dass integrale Planung Blaugrüner Infrastruktur aus grauen Plätzen in Städten (auch wenn sie mit einer Tiefgarage unterbaut sind) eine Wohlfühloase machen kann. Die Wasser- und Energiebilanz an der Oberfläche werden verbessert und die Lufttemperaturen und die Hitzebelastung werden gesenkt.

Um jedoch die Widerstandsfähigkeit unserer Städte gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu erhöhen, ist ein strategisches Wassermanagement erforderlich, das für eine ausreichende Wasserverfügbarkeit zur Unterstützung der ökologischen Systeme und Aufrechterhaltung des Kühleffekts sorgt. Bei der Umgestaltung eines Platzes sollte darauf geachtet werden, die Vegetation ausreichend, aber auch nachhaltig, mit Wasser versorgen zu können. Das kann mittels dezentraler Siedlungswasserbewirtschaftung erreicht werden. Durch die Versorgung der Grünanlagen mit Niederschlagswasser können die lokalen Wasserressourcen geschont und das Entwässerungsnetz entlastet werden. Langanhaltende Trockenperioden erschweren jedoch die Wasserversorgung durch Niederschlagswasser, da letzteres nur schwer über einen längeren Zeitraum gespeichert werden kann. Weshalb auf lange Sicht neue innovative Lösungsansätze ausgearbeitet werden müssen, um die Blaugrüne Infrastruktur in Städten auch in Trockenperioden nachhaltig bewässern und mit Wasser versorgen zu können. Nur so kann der Übergang von einer klimafitten zu einer klimaresistenten Stadtplanung gelingen.