1 Hintergrund

Die Universität für Bodenkultur Wien hat ein Forschungsgerinne für wasserbauliche Zwecke am Standort Wien 19 (Nußdorf), Am Brigittenauer Sporn, mit der Entnahme von Wasser aus der Donau bei Strom-km 1933,350 und der Rückgabe in den Donaukanal bei DK-km 0,500 errichtet. Teile dieser Anlagen liegen in der zum Schutz der Grundwasserressourcen ausgewiesenen Schutzzone III/2 des Wasserwerks Nußdorf. Um eine quantitative und qualitative Beeinträchtigung des Grundwasserkörpers auszuschließen, wurden In der zugehörigen wasserrechtlichen Bewilligung für das Forschungsgerinne auf der sogenannten Schleuseninsel Nußdorf zwischen Donau und Donaukanal entsprechende Auflagen und Bedingungen formuliert.

Der vermutlich mit dem Brunnenfeld Nußdorf verbundene, ca. 11–12 m mächtige und ca. 20.000 m2 große Grundwasserleiter am Brigittenauer Sporn (ident mit der Ausdehnung von Schutzzone III/2) wird für den Bau des Forschungsgerinnes durch eine zweireihige, überschnittene Bohrpfahlwand über nahezu die gesamte Höhe abgetrennt. Durch diese Teilung verringert sich die mit Wasserwerk Nußdorf potenziell kommunizierende Fläche des Grundwasserleiters auf der Schleuseninsel um ca. 80 % bzw. ist mit einer deutlich schlechteren Anbindung derselben zu rechnen. Zur Beweissicherung der Auswirkung dieser Reduktion auf die quantitativen Grundwasserverhältnisse ist zunächst die Durchführung jeweils eines Pumpversuchs vor Beginn und nach Beendigung der Bauarbeiten vorgesehen.

2 Aufgabenstellung und Zielsetzung

Ziel der Bearbeitungen ist es, die Ermittlung der Auswirkungen des Forschungsgerinnes auf das Grundwasserdargebot zu untersuchen und zu dokumentieren. Die Validierung der konkreten Einflüsse der Baumaßnahmen auf die quantitativen Grundwasserverhältnisse lt. wasserrechtlichem Bescheid wird mittels zwei Pumpversuchen durchgeführt.

Für die Planung der Pumpversuche kann teilweise auf die Erkenntnisse der jährlich durchgeführten Pumpversuche zur Bestimmung der Kolmation des Gewässerbetts der Donau zurückgegriffen werden. Abhängig von den Erkenntnissen der hydrologischen und hydrogeologischen Beschaffenheit des Untergrunds wurde daraufhin ein Versuchsplan ausgearbeitet und mit dem Betrieb des Wasserwerks Nußdorf abgestimmt. Zur Ausführung gelangen insgesamt zwei Pumpversuche, einer vor Beginn und einer nach Beendigung der Arbeiten im Schutzgebiet.

3 Quantitative Beweissicherung

Die Auswertungen zahlreicher Pumpversuche an den Brunnenfeldern Donauinsel Nord und Nußdorf haben gezeigt, dass die Kolmation der Gewässersohle der Donau und die Grundwassertemperatur zwei wesentliche Einflussfaktoren auf das quantitative Grundwasserdargebot darstellen. Beispielsweise führt nach Gutknecht et al. (1998) eine Änderung der Grundwassertemperatur von 10 auf 20 °C schon zu einer Erhöhung des Dargebots von 30 %. Durch das 100-jährliche Hochwasser im Juni 2013 wurde die Gewässersohle der Donau stark dekolmatiert. Der Kolmationsgrad nimmt nach einem Hochwasser stets ab, wobei unmittelbar nach dem Dekolmationsereignis die stärksten Änderungen zu beobachten sind (Voggenberger et al. 2012). Dies macht es sehr unwahrscheinlich, den zweiten Pumpversuch unter den gleichen Rahmenbedingungen wie beim ersten durchzuführen. Bei Berücksichtigung der natürlichen Verhältnisse würde z. B. ein kolmationsbedingter Rückgang der Infiltrationsrate – wie nach einem Hochwasser zu erwarten – fälschlicherweise den Baumaßnahmen zugeschrieben werden. Die Auswirkungen der Baumaßnahmen und ein Vergleich der beiden Pumpversuche werden daher mithilfe eines gekoppelten Grundwassermodells abgeschätzt, welches es ermöglicht, die Einflüsse der Grundwassertemperatur und der Änderung der Kolmation zu eliminieren.

3.1 Datengrundlage Beweissicherung

Für die quantitative Beweissicherung wurden zwei Pumpversuche, je einer vor und nach den Bautätigkeiten im Schutzgebiet, durchgeführt. Abb. 1 zeigt die Wasserstände in den Grundwassersonden GW-4, GW-5und B‑6 sowie den Pegel der Donau während der beiden Pumpversuche. Tab. 1 und 2 geben die Staffelung der Entnahmemengen während der Pumpversuche an.

Abb. 1
figure 1

Wasserstandsverlauf während der Pumpversuche

Tab. 1 Phasen Pumpversuch 1
Tab. 2 Phasen Pumpversuch 2

In Abb. 2 ist der Vergleich der Grundwassertemperaturen während der beiden Pumpversuche dargestellt. Die Mittelwerte liegen im Pumpversuch 1 bei 5,9 °C und im Pumpversuch 2 bei 16,2 °C und geben somit einen weiten Bereich der natürlichen jährlichen Varianz wieder.

Abb. 2
figure 2

Vergleich der Grundwassertemperaturen während der Pumpversuche

3.2 Hydrogeologische Verhältnisse im Projektgebiet

Das Uferfiltratdargebot ist im Wesentlichen von den Durchlässigkeiten der Donausohle und des Grundwasserleiters (Donaubegleitstrom) abhängig.

Die Viskosität („Zähigkeit“) eines Mediums hat einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Grundwasserfließgeschwindigkeit bzw. den Durchlässigkeitsbeiwert kf. Somit ist für die Beschreibung des Infiltrationsverhaltens von Oberflächenwasser in den Grundwasserkörper sowie für die Beschreibung des Strömungsverhaltens im Grundwasserkörper selbst die Fluidtemperatur zu berücksichtigen. Im Allgemeinen nimmt die Viskosität eines Fluids mit steigender Temperatur ab.

Die Durchlässigkeit der Donausohle ist zusätzlich Kolmationsprozessen unterworfen. Diese führen zu einer sukzessiven Verdichtung der Sohle in Perioden mit Normalabfluss. Durch Hochwässer, welche eine bestimmte Jährlichkeit überschreiten, wird die Kolmationsschicht wieder aufgebrochen und die Verdichtungsprozesse setzen wieder verstärkt ein. Vergleiche hierzu die Ausführungen von Gutknecht et al. (1998), Blaschke et al. (2003) und Saueregger (2009) zur Kolmation von Flussbetten.

Weder die Durchlässigkeit der Donausohle noch die Wassertemperatur sind im Jahresverlauf konstant. Abb. 3 zeigt die Absenkung in den beobachteten Grundwassersonden während der stationären Zustände der durchgeführten Pumpversuche. Die Absenkungen während des Pumpversuchs 2, welcher nach Herstellung des Bauwerks durchgeführt wurde, sind geringer als die Absenkungen im Pumpversuch 1. Dies ist auf die geänderten Rahmenbedingungen, die erhöhte Durchlässigkeit des Grundwasserleiters wegen höherer Wassertemperatur und die Verringerung des Kolmationseffekts der Donausohle durch zwei Hochwässer der Jährlichkeit 1 zwischen den Pumpversuchen zurückzuführen. In Tab. 3 sind die Mittelwerte der Absenkungen für die einzelnen Entnahmeraten zusammengestellt.

Abb. 3
figure 3

Absenkung während der stationären Zustände der Pumpversuche

Tab. 3 Mittelwert der Absenkungen während der stationären Zustände der Pumpversuche

3.3 Untersuchungskonzept

Um den Einfluss des Bauwerks auf den Grundwasserhaushalt darstellen zu können, müssen die Einflüsse der Kolmation und der Temperatur auf die Zielgröße der Absenkung eliminiert werden. Dazu wurde ein numerisches Grundwassermodell erstellt. Als Datengrundlage für die Kalibrierung und Validierung dienen die zwei Pumpversuche, die vor bzw. nach Errichtung des Bauwerks durchgeführt wurden.

Nach Abschn. 3.1. und 3.2. decken die Rahmenbedingungen während der beiden Pumpversuche einen wesentlichen Teil des natürlich auftretenden Spektrums ab.

Der Einfluss des Forschungsgerinnes auf den Grundwasserhaushalt wird daher anhand von Modellierungsergebnissen wie folgt untersucht: Für jeden Pumpversuch wird je ein zusätzliches Szenario modelliert, indem im PV1 das Bauwerk mitberücksichtigt und im PV2 sein Einfluss entfernt wird. Dadurch kann der Einfluss des Bauwerks auf die Strömungsverhältnisse an zwei Zuständen (PV1 und PV2) anhand von je zwei Szenarien (mit und ohne Bauwerkseinfluss) untersucht werden.

3.4 Grundwassermodell

3.4.1 Aufbau

Es wurde ein dreidimensionales, instationäres numerisches Grundwassermodell mit der Modellierungssoftware Processing Modflow (Chiang und Kinzelbach 2001) aufgebaut. Abb. 4 zeigt einen Übersichtslageplan des Untersuchungsgebiets. Die räumliche Ausdehnung des Modells in Fließrichtung der Donau erstreckt sich vom unteren Ende der Schutzzone III auf Höhe der Nordbrücke (Stromkilometer 1932,60) bis zur Abzweigung des Donaukanals flussauf (Stromkilometer 1934,00). Quer zur Donau wird das Modell in Richtung 19. Bezirk durch die Dichtwand entlang des Brunnenschutzgebietes begrenzt. In Richtung der Donauinsel endet das Modell etwa 10 m im Ufer der Donauinsel entlang der Grundwasserbeobachtungssonden. Die Lage des Grundwasserstauers wurde aus den vorhandenen Bohrprofilen im Untersuchungsgebiet räumlich interpoliert. Die Bohrpfähle entlang des Einlaufs des Schleusenkanals wurden entsprechend der Baupläne durch inaktive Zellen im Grundwassermodell berücksichtigt.

Abb. 4
figure 4

Randbedingungen im Modell

Über das Brunnenfeld sind 13 Grundwassermessstellen und 11 Brunnen verteilt, welche mit Datenloggern zur kontinuierlichen Messung des Wasserstands ausgestattet wurden. Entlang des Donauinselufers sind im Modellgebiet weitere 7 Piezometer mit Datenloggern ausgestattet und auch der Pegel der Donau wird kontinuierlich aufgezeichnet.

Es werden vier Arten von Randbedingungen entsprechend Abb. 4 angesetzt. Undurchlässige Ränder werden entlang der Dichtwand in Richtung 19. Bezirk und an den Rändern quer zur Donau angesetzt. Entlang der Donauinsel wird der Wasserstand entsprechend den Messungen in den Piezometern zeitlich variabel definiert. Der Zustrom aus der Donau in die jeweilige Zelle unterhalb des Flusses wird mit dem River-Packet der Modellierungssoftware definiert. Er ist dementsprechend von der Durchlässigkeit der Gewässersohle, dem Pegel im Fluss und dem momentanen Wasserstand in der Zelle unterhalb der Donau abhängig.

3.4.2 Kalibrierung – Validierung

Das Modell wurde an die Daten des Pumpversuch 1 angepasst, indem schrittweise sowohl die Ausdehnung homogener Bereiche im Grundwasserkörper wie auch deren Durchlässigkeitsbeiwerte adaptiert wurden.

Tab. 4 zeigt die Anpassung anhand der Parameter Mittlere Quadratische Abweichung (MQA) und Nash-Sutcliffe-Kriterium (NSE). Mit einem Maximalwert des MQA von 20 cm und einem Mittelwert des NSE von größer 0,92 kann von einer sehr hohen Modellgüte ausgegangen werden.

Tab. 4 Güte der Modellanpassung an den Pumpversuch 1

Die Validierung des Modells erfolgte anhand der Daten des Pumpversuchs 2. Die Änderung der Rahmenbedingungen wurde wie folgt berücksichtigt: Die Durchlässigkeitsbeiwerte des Grundwasserkörpers wurden entsprechend den Viskositätsänderungen, hervorgerufen durch die gemittelte Temperaturänderung über das gesamte Untersuchungsgebiet, angepasst. Der Durchlässigkeitsbeiwert der Donausohle kann im vorliegenden Untersuchungsaufbau nicht direkt gemessen werden. Er wurde wiederum innerhalb des Vertrauensbereiches schrittweise so adaptiert, dass eine bestmögliche Übereinstimmung zwischen berechneten und beobachteten Wasserständen vorlag.

Aus betrieblichen Gründen war bei der Erhöhung der Entnahmerate von 360 auf 700 l/s eine kurzfristige Abschaltung der Pumpen notwendig. Der zeitliche Verlauf der Entnahmeraten für diesen kurzen Zeitraum ist nicht exakt bekannt. Aus diesem Grund wurde dieser kurze Zeitraum nicht bei der Berechnung der Güteparameter des Modells berücksichtigt.

Tab. 5 zeigt die Anpassung anhand der Güteparameter. Der Mittelwert des MQA von 26 cm und Mittelwert des NSE von 0,92 bestätigen die gute Modellanpassung.

Tab. 5 Güte der Modellanpassung an den Pumpversuch 2

3.5 Untersuchungsergebnisse

Die Errichtung des Forschungsgerinnes führt im Wesentlichen zu einer Verringerung des Grundwasserströmungsquerschnitts des donaubegleitenden Grundwasserleiters. Im numerischen Modell wird das Bauwerk durch Zellen repräsentiert. Durch die Inaktivierung dieser Zellen wird der Einfluss des Bauwerks auf den Grundwasserhaushalt in das Modell übertragen.

Wie bereits beschrieben, werden für beide Pumpversuche Szenarien berechnet, indem diese Querschnittsminderung im PV1 berücksichtigt wird bzw. im PV2 jene Zellen aktiviert werden, die das Forschungsgerinne repräsentieren. Durch den Vergleich der Wasserstände und Zuflussraten zwischen den Szenarien kann der Einfluss des Bauwerks auf den Grundwasserleiter abgeschätzt werden.

3.5.1 Einfluss auf den Wasserstand

Stellt man die Veränderungen des Wasserstands in ausgewählten Sonden zwischen den Szenarien ohne und mit Berücksichtigung der Querschnittsänderung durch das Forschungsgerinne in den Pumpversuchen dar, erhält man die Unterschiede für den ersten (Abb. 5) und zweiten Pumpversuch (Abb. 6). Die errechneten Werte liegen mit maximal 2 cm in der Sonde GW-5 bei einer Entnahme von 700 l/s unter der Genauigkeit der Modellanpassung.

Abb. 5
figure 5

Differenz im Wasserstand durch Berücksichtigung des Bauwerks im PV1

Abb. 6
figure 6

Differenz im Wasserstand durch Elimination des Einflusses des Bauwerks im PV2

3.5.2 Einfluss auf die Zustromrate

Für die einzelnen Szenarien mit und ohne Bauwerk wurden jeweils die Zustromraten aus Zone 1 in die Zone 2 berechnet. Abb. 7 zeigt die definierten Zonen für die Berechnung der Zustromrate. Dabei bezeichnet Zone 1 den Bereich zwischen Donaukanaleinlauf und Bauwerk, Zone 2 die Zone zwischen Bauwerk und Brunnenfeld. Zur Beurteil des Bauwerkseinflusses auf die Zustromraten wurden jeweils Differenzen für jeden einzelnen Pumpversuch zwischen der Situation mit und der Situation ohne Bauwerk gebildet. Die Differenzen ergeben somit den Einfluss des Bauwerks auf die beiden Pumpversuche. Die Differenz der Zustromrate aus Zone 1 in Zone 2 der beiden Szenarien (mit Bauwerk, ohne Bauwerk) ist für die beiden Pumpversuche in Tab. 6 dargestellt.

Abb. 7
figure 7

Zonen der Zustrombudgetierung

Tab. 6 Differenz der Zustromrate aus Zone 1 in Zone 2 zwischen den Szenarien mit/ohne Bauwerk in l/s

Die berechnete, maximale Änderung der Zustromrate durch die Berücksichtigung des Bauwerks beträgt 1,1 l/s bei einer Entnahmerate von 700 l/s aus dem Brunnenfeld während des Pumpversuchs 2. Die Unsicherheiten in der Anpassung des Modells an die Beobachtungen während der Kalibrierung liegen somit weit höher als die berechneten Unterschiede zwischen den Szenarien.

4 Schlussfolgerungen

Die berechneten Unterschiede zwischen den Szenarien mit und ohne Berücksichtigung der Querschnittsminderung durch das Bauwerk für die beiden Pumpversuche liegen aufgrund ihrer geringen Ausprägung sowohl beim Wasserstand wie auch bei der Zustromrate unter der Genauigkeit der Modellanpassung an die Beobachtungen.

Es ist somit nicht von einer Beeinflussung der quantitativen Grundwasserverhältnisse des Brunnenfelds Nußdorf durch das Forschungsgerinne auszugehen.