1 Einleitung

Der Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland betreibt nahe Neudörfl sein größtes Brunnenfeld mit einer bewilligten Entnahme von 600 l/s aus zwei Brunnen. Derzeit kann das geförderte Grundwasser ohne Aufbereitung in das Versorgungsnetz eingespeist werden. Um die ausgezeichnete Qualität des Rohwassers beizubehalten, gilt es heute vorausschauend Maßnahmen zu setzen. Durch die Erstellung eines detaillierten numerischen Grundwassermodells rund um das Brunnenfeld wurden die 60-Tage-Zuflussflächen zu den Brunnen unter Berücksichtigung von hydrologischen und hydrogeologischen Unsicherheiten ermittelt.

2 Untersuchungsgebiet

Das Untersuchungsgebiet befindet sich südöstlich von Wiener Neustadt und umfasst das großräumige Einzugsgebiet des Brunnenfeldes Neudörfl. Die größten Teile des Modellgebiets liegen in Niederösterreich, das Brunnenfeld selbst befindet sich jedoch im Burgenland. Aufgrund der Größe des Grundwasserkörpers ist es rechentechnisch nicht vertretbar, diesen zur Gänze in der geforderten Genauigkeit in das Modell zu übernehmen. Gegen Osten wird er durch das Rosaliengebirge begrenzt, welches als Randbedingung zweiter Art im Modell implementiert wurde. An den übrigen Rändern des Modells wurden Wasserstände als Randbedingung erster Art zur Abgrenzung des Modellgebiets gegen den restlichen Grundwasserkörper herangezogen. Die Aquifermächtigkeit beträgt am östlichen Rand 0 m und reicht bis zu 90 m im Raum Wiener Neustadt. Die Lage des Grundwasserstauers wurde dem überregionalen Grundwassermodell von Kupfersberger et al. (2014) entnommen. Für die Beurteilung der Modellgüte standen 9 Grundwassermessstellen im Untersuchungsgebiet zur Verfügung. Eine Übersicht zur Lage der Messstellen und Ausdehnung des Modellgebiets ist Abb. 1 zu entnehmen.

Abb. 1
figure 1

Übersicht des Modellgebiets

2.1 Interaktion zwischen Grundwasser und Leitha

Nachtnebel und Holzmann (2001) haben eine Studie zu den Abflussverhältnissen der Leitha bei Nieder- und Mittelwasserführung durchgeführt. Die Autoren unterstreichen in ihrer Untersuchung die Bedeutung der Infiltration in den Grundwasserkörper durch das Flussbett der Leitha. Deshalb wurde bei der Modellerstellung versucht, den Einfluss der Leitha auf den Wasserhaushalt des Grundwasserkörpers möglichst genau zu charakterisieren.

Bei Haderswörth fließt die Pitten in die Schwarza. Ab dort wird der Fluss Leitha genannt. Das Abflussregime ist stark anthropogen beeinflusst, da noch an der Schwarza der Kehrbach und beim Katzelsdorfer Rauwehr der Katzelsdorfer Werkskanal ausgeleitet werden. Diese beiden Kanäle sind künstlich geschaffen und es wird angenommen, dass deren Sohle dicht ausgeführt ist, um Wasserverluste für die anschließende energetische Nutzung zu reduzieren. Daher wurden die Werkskanäle für die folgenden Betrachtungen nicht berücksichtigt. Die untersuchten Flussabschnitte beziehen sich ausschließlich auf die Leitha.

Für die Bearbeitung standen Daten der Pegel Loipersbach, Bad Erlach, Wiener Neustadt (Straßenbrücke), Katzelsdorf (EVN) und Zillingsdorf der Jahre 1979–2017 zur Verfügung (Abb. 1). Für die Quantifizierung der Versickerung wurde die Leitha in zwei Bereiche unterteilt. Der erste reicht vom Pegel Loipersbach bis zum Katzelsdorfer Rauwehr und wird durch Gl. 1 beschrieben. Dabei wurden jeweils die Tagesmittelwerte der einzelnen Stationen herangezogen und subtrahiert. Der zweite Abschnitt beginnt beim Katzelsdorfer Rauwehr, endet beim Pegel Zillingsdorf und wird durch Gl. 2 beschrieben. Die Ergebnisse im Abschn. 1 für die Jahre 1979–2014 sind in Abb. 2 nach Monaten getrennt und in Form von Boxplots dargestellt. Daraus geht hervor, dass ganzjährig Wasser durch das Flussbett infiltriert.

Abb. 2
figure 2

Versickerung entlang der Leitha im Abschnitt 1 (1979–2014)

Da das Modellgebiet nicht direkt bei einem Pegel beginnt beziehungsweise endet, musste abgeschätzt werden, wie viel Wasser auf den Fließstrecken außerhalb des Modells bereits versickert. Durch diese Schätzung ergaben sich Unsicherheiten. Um diesen zu entgegnen wurden insgesamt sechs Varianten ausgearbeitet. In Tab. 1 ist angeführt, welcher Anteil der Versickerung im Modellgebiet angesetzt wurde. In zwei Varianten wurde die Versickerung zusätzlich durch einen virtuellen Linearspeicher gedämpft.

$$\Updelta V_{1}=(Q_{\mathrm{EVN}}+Q_{Wr.\text{Neustadt}})-(Q_{\text{Loipersbach}}+Q_{\mathrm{Bad}\,\text{Erlach}})$$
(1)
$$\Updelta V_{2}=Q_{\text{Zillingsdorf}}-Q_{Wr.\text{Neustadt}}$$
(2)
Tab. 1 Varianten der im Modell implementierten Versickerung

3 Methodik

Für die mathematische Beschreibung von Grundwasserströmungen steht eine Vielzahl an Modellen und Programmen zur Verfügung (Zippel et al. 2010). Einige der verfügbaren Programme sind proprietär und erfordern für deren Nutzung eine Zahlung von Lizenzgebühren. Wird die Erstellung eines Grundwassermodells in Auftrag gegeben, müssen somit Auftraggeber und Auftragnehmer über eine gültige Lizenz verfügen, um Einsicht in alle Projektunterlagen zu bekommen.

3.1 Verwendete Software

Neben proprietären Softwarelösungen stehen auch Open-source-Produkte zur Verfügung. Deren Quellcode ist öffentlich für alle Benutzer einsehbar und frei verfügbar. Ein solches Programm stellt das vom United States Geological Survey (USGS) entwickelte MODFLOW (Harbaugh 2005) dar, welches für die gegenständliche Untersuchung herangezogen wurde. Der Nachteil von MODFLOW ist, dass es keine grafische Benutzeroberfläche besitzt und so für die Modellerstellung eine zusätzliche Software benötigt wird. Für die Untersuchung wurde das erst kürzlich veröffentlichte QGis (QGIS 2018)-Plugin FREEWAT (Rosetto et al. 2018) verwendet. Damit können Modelldateien in einer Struktur erstellt werden, welche anschließend von MODFLOW eingelesen und verarbeitet werden können. Durch die Implementierung in QGis stehen die gewohnten Werkzeuge für die Bearbeitung von räumlichen Daten zur Verfügung. Diese stellen eine gute Grundlage für die Modellerstellung dar. Alle Daten werden zentral in Form von Tabellen in einer SQLite-Datenbank gespeichert, um einen einfachen Datenaustausch zwischen Projektpartnern zu gewährleisten. Das FREEWAT-Plugin stellt derzeit noch keine ausreichenden Funktionen zur Bearbeitung von Zeitreihen zur Verfügung. Aus diesem Grund wurden alle Daten mit Zeitbezug mit der freien Statistiksoftware R (R Core Team 2018) aufbereitet und in die Datenbank übertragen.

3.2 Diskretisierung

Um ein Modell numerisch zu lösen, muss das Modellgebiet räumlich diskretisiert werden. Für die Diskretisierung wurde ein regelmäßiges Raster von 20 × 20 m gewählt. Die längere Rechendauer aufgrund des engen Rasters wurde in Kauf genommen, um die kleinräumigen Zuflussflächen bestmöglich abzubilden. Die vertikale Begrenzung des Modells stellen der Grundwasserstauer und die Geländeoberfläche dar. Im Modell wurde ein Layer implementiert, da bei der Auswertung von Bohrprofilen keine zusammenhängenden Schichten unterschiedlicher Durchlässigkeiten gefunden werden konnten.

Neben der räumlichen bedarf es auch einer zeitlichen Diskretisierung des Modells. Die Grundwassergleichung wird für jeden Zeitschritt (Stress Period) mit den gegebenen Randbedingungen gelöst. Die Wahl der Länge der Zeitschritte sollte in Abstimmung auf die verfügbaren Daten stattfinden. Im konkreten Fall stehen viele Daten zu den Grundwasserständen nur wöchentlich zur Verfügung. Es erscheint nicht sinnvoll, die zeitliche Auflösung kleiner als die verfügbaren Eingangsdaten zu wählen. Die Analyse der vorhandenen Daten führten schließlich zu einem Modellzeitraum von 1. Jänner 2012 bis 20. August 2017. Dieser wurde in 293 Stress Periods zu je 7 Tagen geteilt.

3.3 Leitha – Grundwasserneubildung durch Infiltration

Wie im Kap. 2. beschrieben, hat die Leitha einen maßgeblichen Einfluss auf den Grundwasserhaushalt im Untersuchungsgebiet. Der Durchfluss im Modellzeitraum war bekannt und die Versickerung wurde durch sechs Varianten abgeschätzt. Der Zufluss ins Grundwasser wurde letztendlich durch eine Brunnenreihe in das Modell implementiert. Die berechnete Versickerungsrate wurde auf die Länge des Flussabschnitts in den jeweiligen Zellen aufgeteilt und für jeden Zeitschritt berechnet.

3.4 Wasserrechte im Untersuchungsgebiet

Viele der vergebenen Wasserrechte zur Wasserentnahme im Modellgebiet beziehen sich auf Quell- bzw. Oberflächenwasser und wurden daher nicht näher betrachtet. Neben den Brunnen des Brunnenfeldes Neudörfl wurden noch 12 weitere im Modell implementiert. Alle bewilligten Entnahmen unter 0,1 l/s wurden nicht berücksichtigt. Dieser Wert entspricht etwa 0,16 ‰ der Konsensentnahme der Brunnen im Brunnenfeld Neudörfl. Es wurde angenommen, dass dieser Wert unter der Messgenauigkeit der Fördermengen im Brunnenfeld liegt und die Vereinfachung gerechtfertigt ist, diese nicht ins Modell zu übernehmen. Die Merkur Handelswaren AG besitzt ein Wasserrecht (Postzahl: WN-000008) im Ausmaß von 80 l/s zur Entnahme von Löschwasser. Da nicht davon ausgegangen wird, dass dieser Brunnen regelmäßig genutzt wird, wurde diese Nutzung im Modell ebenfalls nicht berücksichtigt. Die Wasserwerke Wiener Neustadt sind im Besitz eines Wasserrechts (Postzahl: WN-001188) für das Brunnenfeld Süd im Umfang von 360 l/s. Nach Rücksprache bei den Wasserwerken wurde mitgeteilt, dass dieses Brunnenfeld zum Zeitpunkt der Modellerstellung noch nicht zur Gänze in Betrieb war. Zwei der fünf errichteten Brunnen förderten zu dem Zeitpunkt gemeinsam etwa 5 l/s.

Außer den bewilligten und im Wasserbuch einsehbaren Entnahmemengen stehen keine Informationen über die tatsächlichen Fördermengen zur Verfügung. Aus diesem Grund wurden alle Brunnen, außer jene im Brunnenfeld Neudörfl und die der Wasserwerke Wiener Neustadt, konstant mit einer Nutzung im Ausmaß des Konsenses angesetzt. Für die quantitative Verfügbarkeit des Grundwassers kann dieser Zustand als „Worst Case“ angesehen werden. Die berücksichtigten Brunnen und deren Entnahmemengen sind in Tab. 2 ersichtlich.

Tab. 2 Im Modell berücksichtigte Wasserrechte

3.5 Randzufluss

Wie bereits beschrieben ist der östliche Modellrand durch das Rosaliengebirge begrenzt. Der Westhang der Erhebung entwässert in das südliche Wiener Becken und wird daher auch im Modell berücksichtigt. Vor allem infiltrierter Niederschlag fließt unterirdisch dem Grundwasserkörper und somit dem Modellgebiet zu. Dieser Umstand wurde als unterirdischer Randzufluss berücksichtigt und als Brunnenreihe im Modell implementiert. Kupfersberger et al. (2014) haben sich schon intensiv mit den unterirdischen Zuflüssen in den Grundwasserkörper beschäftigt und dafür eigens ein Niederschlag-Abfluss-Modell erstellt. Die Ergebnisse wurden in das gegenständliche Modell übernommen. Zwei unterschiedliche Größen des Randzuflusses wurden definiert. Dieser beträgt 8,1 l/s/km oberhalb und 16,1 l/s/km unterhalb des Katzelsdorfer Rauwehrs.

3.6 Niederschlag

Der Niederschlag im Modellgebiet wurde aus dem Mittelwert von drei Messstellen (N109918, N110106, N110411) berechnet. Da jeder Wassertropfen, der auf die Erdoberfläche fällt, noch eine Bodenpassage durchsickern muss, um schlussendlich zur Grundwasserneubildung beizutragen, wurde der Niederschlag über einen virtuellen linearen Speicher gedämpft, um der zeitlichen Verzögerung Rechnung zu tragen. Des Weiteren wurde angenommen, dass nur 80 % des gefallenen Niederschlags infiltrieren.

3.7 Modellkalibrierung

Nach der Implementierung der Randbedingungen musste das Modell kalibriert werden. Dabei galt es, die Parameter hydraulische Durchlässigkeit (kf) und Speicherkoeffizient (Sy) so zu optimieren, dass die gemessenen mit den simulierten Wasserständen möglichst gut übereinstimmen. Im ersten Schritt wurde das Modellgebiet in 20 Zonen geteilt, in denen die Parameter jeweils als konstant angesehen wurden. Bei der Einteilung der Zonen wurde versucht, Regionen mit ähnlichen hydrogeologischen Eigenschaften zusammenzufassen. In Abb. 3 ist die Abgrenzung der Zonen dargestellt. Nach der erfolgten Einteilung wurden alle für die Berechnung in MODFLOW benötigten Input-Daten mit dem FREEWAT-Plugin erzeugt.

Abb. 3
figure 3

Zoneneinteilung des Modellgebiets für die Kalibrierung

FREEWAT bietet die Möglichkeit, eine Modellkalibrierung mittelst UCODE 2014 (Poeter et al. 2014) durchzuführen. Programme zur automatisierten Kalibrierung sind bei systematischer Vorgangsweise bestrebt, einen gewissen Zielwert zu erreichen, beispielsweise ein Minimum der summierten quadrierten Fehler (SSE, sum of squared errors). Die Parameteroptimierung mit UCODE lieferte nach den ersten Modellläufen allerdings keine zufriedenstellenden Ergebnisse. So wurde nach einer alternativen Möglichkeit gesucht, um die Parameter für dieses Modell bestmöglich zu optimieren. Es wurde entschieden, die Kalibrierung nach einem Ansatz der sogenannten Monte-Carlo-Simulation durchzuführen. Bei dieser Methode werden viele Simulationen mit Zufallszahlen durchgeführt und anschließend ausgewertet.

Grundsätzlich kann die verwendete Methode als halbautomatisiert zusammengefasst werden. In Abb. 4 ist der Ablauf der Optimierung dargestellt. Für den ersten Schritt wurde ein Python-Skript geschrieben, welches die Parameter Sy und kf der jeweiligen Zonen ändert. Alle Input-Daten für MODFLOW werden als Textdateien abgespeichert, weshalb diese einfach zu handhaben sind. Die Parameter werden in einer Matrix gespeichert, die der Größe des Modellrasters entspricht. Für die Kalibrierung wurden 20 zufällige Werte aus einem vorgegebenen Intervall für kf und ebenso viele für Sy generiert. Das Erstellen von Zufallsvariablen, das Schreiben dieser in die Input-Datei und das Starten der Simulation wurden im Skript automatisiert und in einer Schleife wiederholt. Nach jeder Simulation wurden die verwendeten Parameter und die damit simulierten Wasserstände in den Grundwassermessstellen abgespeichert. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte in der Regel täglich, um das Intervall anzupassen, aus dem Zufallszahlen generiert wurden. Für die Beurteilung der Modellgüte jeder Simulation wurde die Nash-Sutcliffe-Effizienz der wichtigsten Messstellen summiert. Dadurch konnte die Bewertung eines Modelllaufs anhand einer einzigen Zahl einfach durchgeführt werden.

Abb. 4
figure 4

Vorgehensweise bei der Modellkalibrierung

Nachdem dieser Prozess einige Male durchlaufen war, konnte das Ergebnis nicht mehr signifikant verbessert werden. Die erhaltenen Resultate wurden als ausreichend genau angesehen. Damit endete der Prozess der Parameteroptimierung für das Modell. Diese Vorgangsweise wurde für alle sechs Varianten parallel durchgeführt. Die so erhaltenen Parametersätze stellen die Grundlage für die weitere Ermittlung der Zuflussflächen dar.

3.8 Ermittlung der Zuflussfläche im Brunnenfeld Neudörfl

Das Ergebnis einer MODFLOW-Simulation ist der Wasserstand im Modellgebiet zu jedem Zeitschritt, und in jeder aktiven Zelle. Die Grundwasserströmung folgt dem Gradienten der Grundwasseroberfläche. Somit lässt sich auf der Grundlage dieses Ergebnisses die Filtergeschwindigkeit ermitteln. Diese ist nach Darcy abhängig von der hydraulischen Durchlässigkeit und der Neigung der Grundwasseroberfläche. Die Filtergeschwindigkeit stellt jedoch keine reale Größe dar. Erst durch die Bildung des Quotienten aus Filtergeschwindigkeit und effektiver Porosität kann die mittlere Fließgeschwindigkeit (Abstandsgeschwindigkeit) berechnet werden. Da es für die effektive Porosität keine zuverlässige Datengrundlage gibt, musste diese abgeschätzt werden. In der gegenständlichen Untersuchung wurde der kalibrierte Wert für Sy als effektive Porosität herangezogen.

Die Entnahmemenge im Brunnenfeld beeinflusst die Größe der Zuflussfläche maßgeblich. Deshalb wurden jene Zeiträume näher untersucht, in denen besonders hohe Entnahmen aus dem Grundwasserkörper stattfanden. Da angedacht war, auch die Variabilität der Zuflussflächen zu ermitteln, wurden auch Zeiträume minimaler Entnahmen identifiziert. Dabei wurden nicht die Tagesfördermengen, sondern die Maxima und Minima des gleitenden Mittels über einen Zeitraum von 60 Tagen für die Betrachtung herangezogen. Die ermittelten Zeiträume beziehen sich auf eine maximale beziehungsweise minimale Entnahme aus dem gesamten Brunnenfeld.

Eine weitere Annahme ist, dass nicht nur die entnommenen Wassermengen aus dem Grundwasser die Zuflussflächen beeinflussen, sondern dass auch der überregionale Grundwasserstand einen Einfluss auf die Strömungen im Brunnenfeld hat. Deswegen wurde die Entscheidung getroffen, für die Jahre 2012–2016 jeweils die 60 Tage mit der höchsten und geringsten Entnahme zu untersuchen. Den Unsicherheiten bei der Festlegung eines ungünstigen Systemzustands in Bezug auf die Größe des Einzugsgebiets soll somit Rechnung getragen werden. Eine Gegenüberstellung der Tagesfördermengen mit dem gleitenden Mittel über 60 Tage derselben ist in Abb. 5 dargestellt.

Abb. 5
figure 5

Tagesfördermenge aus dem Brunnenfeld und Zeiträume, in denen die Zuflussflächen berechnet wurden

Um nun das Einzugsgebiet des Brunnens in den ausgewählten Zeiträumen zu bestimmen, wurde die Methode des backward particle tracking des Programms MODPATH (Pollock 2012) angewandt. Dabei wurden 400 virtuelle Partikel in den Brunnen gelegt und deren Bahnlinien von dort ausgehend, rückwärts in der Zeit, ermittelt. Die Koordinaten der Partikel wurden regelmäßig gespeichert und standen zur Auswertung zur Verfügung. Anzumerken ist, dass bei der anschließenden Ermittlung der Zuflussflächen die vertikale Komponente der Partikel nicht berücksichtigt wurde. Diese Vorgangsweise stellt somit einen konservativen Ansatz dar, da die Entnahme aus dem Grundwasserkörper nicht kontinuierlich über die gesamte Tiefe des Brunnens erfolgt.

3.9 Anzahl der ausgewerteten Parametersätze

Die vorherrschenden hydrogeologischen Randbedingungen konnten im Zuge der Kalibrierung nicht eindeutig ermittelt werden. Bei der Auswertung der Ergebnisse wurden viele Modellläufe mit ähnlich guter Anpassung an die gemessenen Wasserstände identifiziert. Deshalb wurde entschieden, etwa die besten 50 Ergebnisse jeder Variante weiter auszuwerten. Da sich die Parametersätze untereinander jedoch unterscheiden, konnten durch die Auswertung mehrere Modellläufe auch hydrogeologische Unsicherheiten berücksichtigt werden.

Die untere Hälfte der Abb. 6 zeigt die Vorgangsweise der weiteren Analyse. Mit jedem Parametersatz wurde particle tracking in 10 Zeiträumen durchgeführt. Nach der weiteren Auswertung der Daten wurden dadurch 10 Zuflussflächen zu jedem Brunnen generiert. Diese setzen sich aus den Zeiträumen der minimalen und maximalen Entnahmen in den Jahren 2012–2016 zusammen. Durch die gewählte Vorgangsweise wurden für jeden Brunnen 3020 Zuflussflächen berechnet.

Abb. 6
figure 6

Anzahl der durchgeführten Berechnungen

3.10 Automatisierte Ermittlung der Einzugsgebietsflächen

Wegen der großen Anzahl an durchgeführten Berechnungen musste eine automatisierte Methode zur Auswertung der Zuflussflächen entwickelt werden. Das Ergebnis des particle trackings stellt eine Textdatei dar, in welcher Koordinaten von Punkten der Bahnlinien gespeichert sind. Für die weiteren Analysen musste aus der erhaltenen Punktwolke ein umrandendes Polygon erzeugt werden. Nicht nur Endpunkte, sondern auch Bahnpunkte können die gesuchte Fläche begrenzen. Aus diesem Grund mussten alle berechneten Punkte der Bahnlinien in die Auswertung einbezogen werden.

Die Möglichkeit, ein umhüllendes Polygon zu definieren, welche für diesen Zweck am geeignetsten erschien, bietet das R‑Package alphahull (Pateiro-Lopez und Rodriguez-Casal 2016). Durch die Anwendung der Funktion ahull_track() konnte eine Liste mit Kreisbögen berechnet werden, welche die Punktwolke begrenzen. Da die Kreisbögen in der Liste nicht in der korrekten Reihenfolge abgespeichert waren, mussten die Bögen neu angeordnet werden. Dafür wurde eine Funktion geschrieben, welche jeweils die Abstände der End- und Anfangspunkte eines Bogens mit allen anderen berechnet und vergleicht, um das nächste Segment zu identifizieren und richtig einzureihen. Die Funktion wurde in einem Skript implementiert und in einer Schleife für alle Punktwolken wiederholt. Mit dieser Methode ist es gelungen, die Daten schnell und automatisiert auszuwerten.

4 Ergebnis

4.1 Ermittelte Parameter für das Untersuchungsgebiet

Im Zuge der Kalibrierung konnten für verschiedene Werte der hydraulischen Durchlässigkeit einer Zone ähnlich gute Simulationsergebnisse erzielt werden. Das mag dadurch bedingt sein, dass die gewählten Parameter der umliegenden Zonen den Wasserstand in der betrachteten Zone beeinflussen. Somit hängt das Ergebnis nicht nur von einem Parameter, sondern von der jeweiligen Kombination dieser Parameter ab. Auch der Umstand, dass während der Kalibrierung eine Anpassung an die gegebenen Randbedingungen vorgenommen wird, sorgt für Schwankungen und vor allem für Unsicherheiten. Die Randbedingungen nähern die in der Natur vorherrschenden Verhältnisse nur an, können sie aber aufgrund der räumlichen und zeitlichen Diskretisierung nicht exakt wiedergeben. In Abb. 7 ist die Schwankung der Parameter für die Zonen nahe dem Brunnenfeld dargestellt. Den Ergebnissen zufolge liegt die hydraulische Durchlässigkeit in und nahe dem Brunnenfeld Neudörfl bei Werten zwischen 3 * 10−3 und 6 * 10−3 m/s.

Abb. 7
figure 7

Kalibrierte Parameter in den Zonen nahe dem Brunnenfeld

Die Variation des Speicherkoeffizienten wurde in Anlehnung an bereits durchgeführte Studien vorgenommen. In der Untersuchung von Kupfersberger et al. (2014) wurde ein Speicherkoeffizient von 0,1 für das gesamte südliche Wiener Becken angenommen. Nachtnebel und Holzmann (2001) haben in der durchgeführten Modellierung, in der die Leitha die östliche Randbedingung war, für Bereiche nahe dem Untersuchungsgebiet Werte von 0,05–0,15 angesetzt. In dieser Größenordnung befinden sich auch die in der Modellierung verwendeten Koeffizienten, welche in Abb. 7 ersichtlich sind.

Nicht alle Parametersätze liefern ein gleich gutes Ergebnis. Eine statistische Auswertung der Verteilung der Modellgüte ist in Abb. 8 dargestellt. In allen Simulationen konnte der zeitliche Verlauf des Grundwasserstandes sehr gut nachgebildet werden. Die Korrelation der simulierten und beobachteten Wasserstände ist in jeder Messstelle im Median nicht schlechter als 0,75. Ein differenzierteres Bild erhält man, wenn die Auswertung der Nash-Sutcliffe-Effizienz (NSE) herangezogen wird. In der gegenständlichen Untersuchung konnten für die meisten Zeitreihen ebenfalls sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Der Median der Grundwassermessstelle 2 zeigt eine gute Anpassung vieler Modellläufe, jedoch gibt es Ausreißer mit Werten kleiner 0. Diese kommen zustande, weil bei einigen wenigen Parametersätzen der simulierte Grundwasserstand parallel zum beobachteten verläuft. Das erklärt die durchwegs hohe Korrelation und die Ausreißer, sowohl in Bezug auf die Nash-Sutcliffe-Effizienz als auch auf den RMSE. Auch Messstelle 3 konnte oft nicht gut abgebildet werden. Angemerkt sei hier, dass sich diese nahe der Leitha befindet und maßgeblich von der unsicheren Randbedingung der Infiltration durch das Flussbett beeinflusst ist. Nicht dargestellt sind die Ergebnisse der Messstelle 7. Der Verlauf dieser Messstelle konnte nicht nachgebildet werden, da sie am Rand des Grundwasserkörpers und in einiger Entfernung zum Untersuchungsgebiet liegt. Daher wurde sie bei der Auswertung nicht weiter berücksichtigt.

Abb. 8
figure 8

Modellgüte aller Simulationen

4.2 Analyse der simulierten 60-Tage-Grenze

Für jeden Zeitraum, in dem particle tracking durchgeführt wurde, konnte ein Polygon generiert werden, welches die Zuflussfläche zum Brunnen innerhalb von 60 Tagen abgrenzt. Im nächsten Schritt wurden die Größen der Polygone statistisch ausgewertet. Um die Entfernung zum Brunnen zu ermitteln, wurden insgesamt 4668 Linien sternförmig, mit Zentrum im jeweiligen Brunnen, angeordnet, um deren Schnittpunkte mit den Polygonen zu ermitteln. So konnte für jede dieser Linien eine statistische Verteilung (Quantile, Median) der Schnittpunkte entlang jeder Linie berechnet werden. Die ermittelten Punkte wurden verbunden und weitere Polygone erzeugt, um die Variabilität der Zuflussflächen grafisch darzustellen.

Die Ergebnisse der Auswertung für die Zeiträume, bei denen eine maximale Entnahme aus dem Grundwasserkörper stattgefunden hat, sind in Abb. 9 dargestellt. Im Hintergrund sind die Schutz- und Schongebiete ersichtlich. Die Brunnen befinden sich in den orange gefärbten Flächen, der Schutzzone I. Diese umfasst in der Regel den direkten Fassungsbereich des Brunnens und soll vor unmittelbaren Einträgen in den Brunnen schützen. Angemerkt sei zu dieser Grafik, dass pro Brunnen jeweils 1510 Linien der 60-Tage-Zuflussgrenze dargestellt sind. Diese setzen sich aus 302 Modellläufen mit unterschiedlichen Parametersätzen zu je 5 Zeiträumen zusammen, in denen eine maximale Entnahme aus dem Grundwasserkörper stattgefunden hat. In den Ergebnissen gibt es ein paar Modellläufe, für die die automatisierte Auswertung der Daten nicht perfekt funktionierte. Aus diesem Grund gibt es einzelne Linien, die geradlinig entweder zu den Brunnen oder durch die Zuflussflächen verlaufen. Die weitere Auswertung der Mediane und Quantile konnte so angepasst werden, dass diese Fehler bereinigt wurden. Es bleibt somit lediglich ein optischer Makel in der Abbildung der simulierten Zuflussflächen.

Abb. 9
figure 9

Ermittelte 60-Tage-Zuflussflächen mit statistischer Auswertung