Die Notwendigkeit, Lebensmittelabfälle zu vermeiden, ist mittlerweile sowohl in der Politik als auch in der breiten Öffentlichkeit zum Thema geworden. Dass Lebensmittelabfälle in die öffentliche Aufmerksamkeit gelangt sind, hat seinen Grund wohl auch darin, dass die Vereinten Nationen die Vermeidung dieser Abfälle als eigenes Unterziel in ihre nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG 12.3) aufgenommen hat. Demnach soll bis 2030 die weltweite Nahrungsmittelverschwendung pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene halbiert und zusätzlich sollen die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringert werden. Unklar ist aber bisher noch, wie genau dieses hoch gesteckte Ziel erreicht werden soll.

Auf wissenschaftlicher Ebene wurden von über 160 TeilnehmerInnen aus 16 Ländern Methoden zur Aufkommensabschätzung, Fakten zu Aufkommen und Vermeidungspotenzial entlang der gesamten Lieferkette und Lösungen zur Lebensmittelabfallvermeidung und -verwertung zuletzt im Rahmen einer am 23. und 24. April 2019 in Wien durchgeführten Konferenz (http://www.reducefoodwaste.eu/conference-on-food-waste-prevention-and-management.html) diskutiert. Von Vortragenden aus 10 Ländern wurden konkrete Umsetzungsmöglichkeiten, aber auch Bewusstseinsbildungsmaßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen in Landwirtschaft, Produktion, Handel, Gastronomie sowie bei Haushalten vorgestellt. Ein eigener Themenblock befasste sich mit der Weitergabe von Lebensmitteln und in einer weiteren Einheit widmete man sich der Behandlung und Verwertung von Lebensmittelabfällen.

Immer noch sind vergleichbare Zahlen auf internationaler Ebene aufgrund unterschiedlicher Erhebungsmethoden kaum vorhanden. Kohärente Methoden zur vollständigen Erfassung von Lebensmittelabfalldaten fehlen. Aktuelle Zahlen beruhen auf Einzelstudien oder Hochrechnungen. Hier scheint eine Vereinheitlichung der Methoden ein nicht unwesentlicher Schritt für die Zukunft, auch wenn der seitens der Vereinten Nationen eingeführte „Global Food Loss Index“, mit welchem die Verluste von der Landwirtschaft bis zum Handel beziffert werden sollen, einen möglichen Weg skizziert. Auch die neue Richtlinie über Abfälle (Europäische Kommission 2018), wonach EU-Mitgliedstaaten zukünftig Daten zu Lebensmittelabfallmengen zur Verfügung stellen müssen, wird das Ziel einer besseren Datenlage unterstützen.

Wesentlich erscheint, dass die Verantwortung für Lebensmittelabfall nicht einzelnen Gruppen (Unternehmen, EndverbraucherInnen und Behörden) zukommt, sondern dass es nur durch ein Zusammenwirken aller verantwortlichen Personen und Gruppen zu einer positiven Lösung für die Zukunft kommen kann. Umso erfreulicher scheint in diesem Zusammenhang die vermehrte Gründung und Etablierung von Start-ups, die ihr Geschäftsmodell auf der Nutzung von Lebensmittelabfällen aufbauen.

Im vorliegenden Heft werden verschiedene Forschungsergebnisse zum Themenkomplex Lebensmittelabfall dargestellt und es wird versucht, die große Spannweite der aktuellen Forschung – von der Datenerhebung in den einzelnen Bereichen der Wertschöpfungskette über die Erprobung von Lösungsmöglichkeiten bis zur Analyse der Auswirkungen – aufzuzeigen.

Pladerer & Hietler zeigen neueste Ergebnisse zum Lebensmittelabfallaufkommen und Abfallvermeidungspotenzial in der österreichischen Lebensmittelproduktion. Die Arbeit von Weber et al. beschäftigt sich mit adressatenspezifischen Kommunikationskonzepten zur Lebensmittelabfallreduktion in deutschen Privathaushalten. Schwödt & Obersteiner widmen sich demselben Thema, gehen aber einen Schritt weiter: Basierend auf Ergebnissen einer Online-Umfrage mit über 2150 TeilnehmerInnen wurde eine Erste-Hilfe-Box für Lebensmittel als zielgerichtete Lösungsoption entwickelt, an 2000 Personen verteilt und in weiterer Folge wurden die Materialien mittels Befragung evaluiert.

Scherhaufer gibt Handlungsempfehlungen zur Reduktion von Lebensmittelabfällen anhand theoretischer Umsetzungsbeispiele im europäischen Raum und zeigt gleichzeitig deren Klimarelevanz auf. Hier geht es nicht nur um die Vermeidung, sondern auch darum, dass Lebensmittelabfälle, die sich nicht oder nur bedingt vermeiden lassen – wie z. B. Produktionsrückstände, Presskuchen, Schalen oder Knochen –, effizienter genutzt und nach Umweltgesichtspunkten bestmöglich verwertet werden. Der Beitrag von Binner et al., in dem ein Vergleich konventioneller Methoden mit neuartigen Verfahren zur Verwertung von Gemüseabfällen vorgestellt wird, widmet sich schlussendlich dem letzten Schritt entlang der Versorgungskette.

Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist nicht zuletzt aus dem Grund wichtig, dass dadurch ein wesentlicher Beitrag zur Abschwächung der globalen Erwärmung geleistet werden kann. Wesentlich scheint es in diesem Zusammenhang, die generelle Wertschätzung für Lebensmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erhöhen. Nur mit gemeinsamen Anstrengungen von Politik, Unternehmen und Bevölkerung kann es gelingen, das Entwicklungsziel 12 der Vereinten Nationen „Nachhaltiger Konsum und Produktion“ umzusetzen und die Menge an Lebensmittelabfällen bis 2030 zu halbieren.