Immer mehr Produkte werben mit den Attributen „recyclingfähig“ oder „kompostierfähig“ und signalisieren damit besondere Umweltverträglichkeit. Als Abfallwirtschaftler und Recyclingtechniker frage ich mich dann natürlich sofort, ob diese Produkte wirklich recycelt werden und wie sie sich in unserem realen abfallwirtschaftlichen System verhalten.

Bei genauerem Hinsehen lösen sich leider viele Versprechungen in Luft auf. Die Recyclingfähigkeit bezieht sich oft nur auf den Werkstoff, der theoretisch stofflich verwertet werden könnte. Damit ist aber die praktische Recyclingfähigkeit noch lange nicht gegeben. Dazu gehört nämlich auch noch die Erkennbarkeit z. B. durch Sensoren, aber auch die Ausschleusbarkeit in Maschinen, um ein Partikel aus einem Gutstrom abzuscheiden. Weiters muss ein geeignetes Recyclingverfahren für das in der Sortierung gewonnene Konzentrat vorhanden und nutzbar sein.

Ein Beispiel für theoretische Recyclingfähigkeit sind PET-Flaschen mit Ganzkörper-Sleeves. Die Flaschen selbst werden getrennt gesammelt und sind bestens verwertbar. Oft können sie aber von den üblichen NIR-Sensoren nicht erkannt werden, weil die darüber liegenden Sleeves die Erkennung des PETs verhindern. Die Flasche wird also in einer Sortiermaschine nicht erkannt, nicht ausgetragen und wird daher auch nicht verwertet. Komplex wird die Angelegenheit dadurch, dass manche Sleeves durchaus auch für bestimmte NIR-Sensoren „unsichtbar“ sein können. Die Erkennbarkeit hängt dann nicht nur von der Art des Sleeves, sondern auch vom Entscheidungsalgorithmus der Sortiermaschine ab. Sind also die Sensoren geeignet und der Algorithmus entsprechend programmiert, könnten manche Flaschen dann doch erkannt werden.

Mein zweites Beispiel betrifft das „Bioplastik-Sackerl“ als Alternative zum herkömmlichen Plastiksackerl. Ist es, wie die meisten Bürger glauben, „kompostierbar“ und „recyclingfähig“? Kompostierbar ist es leider nur unter bestimmten Laborbedingungen, die in üblichen Kompostanlagen nicht gegeben sind. Sie werden daher von den Anlagenbetreibern als Störstoffe abgetrennt und einer thermischen Verwertung zugeführt. Nach der getrennten Sammlung der „gelben Tonne“ wird das Bioplastik-Sackerl einer Sortieranlage zugeführt. Die entscheidende Frage ist nun, ob es in der Sortierung erkannt werden kann und als Monofraktion „Bioplastik“ getrennt anfällt. Leider gibt es nicht die eine Bioplastik-Art, sondern eine Vielzahl an biobasierten Kunststoffen. In unseren Anlagen stehen keine sensorgestützten Sortiermaschinen, die Bioplastik erkennen können und aufgrund des geringen Anteils im Schüttgut wäre eine Nachrüstung noch sehr lange Zeit völlig unwirtschaftlich. Unser Bioplastik-Sackerl wandert also in die heizwertreiche Fraktion und wird zu Ersatzbrennstoff verarbeitet und energetisch verwertet. Vorteil ist seine weitgehende Klimaneutralität bei der Verbrennung. Von Recycling noch lange Zeit keine Spur. Und wenn unser Bioplastik-Sackerl direkt im Restmüll landet, so wird es früher oder später ebenfalls thermisch verwertet. Kompostierung und Recycling sind in diesem Fall reiner Etikettenschwindel. Der Ersatz des Plastiksackerls durch ein Bioplastik-Sackerl bringt keine wesentlichen abfallwirtschaftlichen Vorteile. Allein die Vermeidung ist wirklich sinnvoll.

Die theoretische Recyclingfähigkeit prüft die Produkte im Originalzustand und in der Regel auf Basis des Materials. Eine Einstufung als recyclingfähig bedeutet dann auch nicht, dass dieses Produkt als Abfall tatsächlich recyclingfähig ist. Dazu gehört noch die Prüfung der technischen Erkennbarkeit durch geeignete Sensoren und die Ausschleusbarkeit in realen Maschinen und Anlagen. Wird dies berücksichtigt, so können wir eine praktische Recyclingfähigkeit feststellen. Recycling wäre dann technisch machbar.

In realen abfallwirtschaften Systemen sind aber zusätzlich noch das Verhalten des Abfallerzeugers, das Vorhandensein und der Einfluss des Sammelsystems, die reale Verschmutzung und die regionalen Aspekte, wie die Existenz von geeigneten Sortieranlagen, zu berücksichtigen. Wenn all das berücksichtigt wird, dann können wir von der realen Recyclingfähigkeit sprechen.

Zukünftig sollten wir die Recyclingfähigkeit neu definieren. Erkennbarkeit und Sortierfähigkeit, aber auch die Eignung der Sammelsysteme sind unbedingt zu berücksichtigen. Aus meiner Sicht muss die Prüfung der Recyclingfähigkeit auch durch experimentelle Tests abgesichert werden. Die Montanuniversität Leoben hat dazu in einen Versuchstand für sensorgestützte Sortierung investiert und wird dieses Jahr in einem Technikum auch einen Schüttgutanalyse-Stand aufbauen, um die praktische Recyclingfähigkeit untersuchen zu können.

Eine wichtige Lenkungsmaßnahme wäre, die Bevorzugung von recyclingfähigen Produkten bei den Lizenzentgelten von Sammel- und Verwertungssystemen. Es ist wohl logisch, dass reale Recyclingfähigkeit (und nicht nur die theoretische) beim Lizenzentgelt bevorzugt werden muss. Nicht recyclingfähige Produkte sollten in eine schmerzhaft teurere Lizenzierungsklasse fallen. Damit kann bei den Produzenten und im Handel ein wirkungsvoller Lenkungseffekt erzielt werden. Recyclingfähigkeit bei Produkten privilegieren und nicht recyclingfähige Produkte teurer machen, das erscheint mir als wichtigste Lenkungsmaßnahme.

Wenn wir zukünftig mehr und besser recyclingfähige Produkte in unseren abfallwirtschaftlichen Anlagen finden, werden wir technisch auch in der Lage sein, diese zu separieren und zu verwerten. Der Gesetzgeber ist aufgerufen für diese Privilegierung von recyclingfähigen Produkten die geeigneten Rahmenbedingungen und Anreizsysteme zu schaffen.