Die Traisen hat eine lange Geschichte: Ursprünglich war sie Teil eines ausgedehnten Donau-Traisen-Kampsystems, gekennzeichnet durch die Vernetzung mit einst großflächigen Augebieten, zahlreichen Seitenarmen und Sedimentbänken, die durch die Flussdynamik stetig verändert wurden. Entsprechend groß war die Vielfalt an aquatischen und terrestrischen Habitaten und deren Fauna und Flora.

Die Errichtung des Donaukraftwerkes Altenwörth in den Jahren 1973 bis 1976 verwandelte das Donau-Traisen-Auensystem grundlegend. Die weitgehende Unterbindung der natürlichen hydromorphologischen Prozesse und Konnektivitätsverhältnisse ging einher mit der Umleitung der Traisen in das eingetiefte Unterwasser des Kraftwerkes und bewirkte massive ökologische Beeinträchtigungen.

Schon seit den 1990er-Jahren gab es daher immer wieder Überlegungen, den Unterlauf der Traisen und die noch verbliebenen, aber stark degradierten Augebiete ökologisch zu sanieren. WissenschaftlerInnen und TechnikerInnen begannen sich mit der Idee der Schaffung eines neuen Traisenflusses intensiv auseinanderzusetzen – in Form zahlreicher Studien und Planungsarbeiten, die letztlich in einen erfolgreichen, durch die EU geförderten Life+ Projektantrag mündeten. Dieses Vorhaben wurde dann in den Jahren 2013 bis 2016 sehr rasch umgesetzt.

Die übergeordneten Ziele dieses Projekts im „Europaschutzgebiet Tullnerfelder Donauauen“ sind die Wiederansiedlung naturnaher Gewässer- und Auenbiozönosen und die Erhöhung der Biodiversität, über eine Länge von knapp 10 km und eine laterale Ausdehnung von bis zu 300 m. Damit stellt dieses Projekt sowohl hinsichtlich Planungsraum als auch Bauvolumen das größte LIFE+ Projekt Österreichs und zugleich eines der bedeutendsten Revitalisierungsvorhaben in Mitteleuropa dar.

Das vorliegende Heft der Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaft ist diesem Life+ Projekt Traisen und der Dokumentation erster „Einblicke“ in ein vielseitiges und hochkomplexes „Freiland-Modell“ eines revitalisierten Flusses gewidmet. Ein Monitoring-Programm begleitet seit 2014 bzw. 2016 die natürlichen Sukzessionsprozesse bis voraussichtlich zum Jahr 2023. Es reicht damit zeitlich wie auch thematisch über die verpflichtenden EU-Vorgaben für solche Projekte weit hinaus.

Die folgenden fünf Fachbeiträge spannen einen thematischen Bogen von der Genese des Life+ Projektes und dessen Umsetzung bis hin zur Entwicklung der Fischfauna sowie der natürlichen Vegetation der Ufer- und Auenzonen im neu geschaffenen Flusslauf und seinen Nebengewässern. Abschließend erläutert ein historischer Überblick über rund 130 Jahre die Landnutzung und Siedlungsentwicklung und deren Zusammenhänge mit dem Hochwasserschutz an der Traisen.

Der erste Beitrag von Kaufmann et al. gibt einen Überblick zur Projektgeschichte, beginnend mit den ersten Visionen einer neuen Flusslandschaft Traisen über die generelle Projektplanung bis hin zur schrittweisen Entwicklung von Maßnahmen und dem tatsächlichen Projektstart. Der überaus komplexe Gesamt-Prozess von Konzeption, Planung, Finanzierung und Genehmigungen durch die Behörden dauerte annähernd 15 Jahre und stellte somit eine enorme Herausforderung dar. Im Vergleich dazu erwies sich die Umsetzung der Maßnahmen als sehr effizient und dauert insgesamt nur drei Jahre – deutlich kürzer als vorgesehen.

Wie diese Umsetzung in der Praxis erfolgte wird anschaulich von Eberstaller et al. dokumentiert. Dabei verdeutlichen die AutorInnen die zentralen Gestaltungsziele: Die Schaffung von rd. 30 ha an fließgewässertypischen Lebensräumen soll zur Erreichung des guten ökologischen Potenzials im angrenzenden Stauraum der Donau beitragen. Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts liegt in der Herstellung der Durchgängigkeit des Mündungsabschnittes der Traisen und in der großflächigen Neuschaffung flussbegleitender Überflutungszonen (rd. 60 ha).

Im Rahmen des Monitorings der ökologischen Sukzession der Fischfauna durch Friedrich et al. erfolgten in den Jahren 2014 bis 2017 jährlich Befischungen. Dabei konnten bereits seit Projektende eine rasche Besiedelung durch eine Vielzahl von Arten sowie hohe Reproduktion bzw. Individuendichten nachgewiesen werden. Während der alte Traisenlauf keine Laich- und kaum Juvenilhabitate aufwies, sind im neu gestalteten Fluss speziell sehr hohe Jungfischzahlen verschiedenster Arten zu beobachten. Die vollständige Öffnung des Kontinuums zur Donau führte unmittelbar zu einer Zunahme donautypischer Fischarten wie beispielsweise der Nase (Chondrostoma nasus).

Anhand vegetationsökologischer Untersuchungen entlang der revitalisierten Traisen belegen Egger et al., dass sich bereits in der ersten Vegetationsperiode in allen Bauabschnitten auf über 50 % der Flächen die Silber-Weide (Salix alba) und die Schwarz-Pappel (Populus nigra) als Leitarten der Ufer- und Auenzone über Naturverjüngung etablieren konnten. Aus Sicht der Wissenschaft ist absehbar, dass sich trotz Wildverbiss und Lichtkonkurrenz mit krautigen Beständen die jungen Weiden und Pappeln zu einem locker-geschlossenen Weichholzauwald entwickeln werden.

Der abschließende Beitrag von Haidvogl et al. widmet sich der sukzessiven Kolonisierung der Flusslandschaft Traisen durch den Menschen, Hand in Hand mit einem grundlegenden Wandel im Hochwasserschutz. Am Beispiel des Bereiches von St. Pölten werden die sich gegenseitig beeinflussenden Prozesse der Landnutzungsänderung, der Siedlungsentwicklung und des Ausbaues der technischen Hochwasserschutzmaßnahmen über den Zeitraum 1870 bis 2000 aufgezeigt. Die kontinuierliche Ausdehnung des Siedlungs- und Wirtschaftsraums in den Augebieten reduzierte die natürlichen Retentionsräume gänzlich und hatte entsprechende ökologische Folgen. Der Beitrag verdeutlicht, dass es in Hinblick auf die Anforderungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie dringend einer einzugsgebietsbezogenen Planung bedarf, um die Integration der vielfältigen Nutzungsanforderungen zukünftig besser berücksichtigen und abstimmen zu können.