Im Rahmen der Europäischen Rohstoffinitiative stuft die EU-Kommission den zukünftigen Zugang zu verschiedenen metallischen aber auch mineralischen Rohstoffen als potenziell problematisch ein. Zur Abwendung von Versorgungsengpässen werden dabei folgende drei Strategien (A, B, und C) vorgeschlagen:

  1. A.

    Erschließung außereuropäischer Rohstoffvorkommen in Drittländern (durch Rohstoffpartnerschaften),

  2. B.

    Förderung einer nachhaltigen Versorgung mit Rohstoffen aus europäischen Quellen sowie

  3. C.

    eine Steigerung der Ressourceneffizienz und eine Förderung der Kreislaufwirtschaft (verstärktes Recycling).

In Österreich hat sich das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft bereits vor der EU-Rohstoffinitiative damit beschäftigt, die Zugriffsmöglichkeiten auf natürliche Lagerstätten zu sichern (Strategie B der EU-Kommission). Dazu wurden österreichische Rohstoffvorkommen systematisch erfasst und hinsichtlich ihrer Sicherungswürdigkeit evaluiert. Dabei festgestellte Rohstoffsicherungsgebiete wurden letztlich im „österreichischen Rohstoffplan“ raumordnerisch festgelegt, um zukünftige Nutzungskonflikte zu vermeiden.

Eine gesamthaft optimierte Rohstoffbewirtschaftung erfordert allerdings neben der Sicherung und Förderung natürlicher Lagerstätten auch eine effiziente Bewirtschaftung sogenannter anthropogener Ressourcen. Zu diesen zählen Konsum- und Investitionsgüter sowie Gebäude und Infrastruktureinrichtungen, aber auch Abfälle in Deponien. Sie sind im österreichischen Rohstoffplan nicht erfasst, obwohl sie in ihrem quantitativen Umfang den der primären Lagerstätten zum Teil übersteigen. Eine optimierte Nutzung anthropogener Ressourcen würde nicht nur zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und damit zur Schonung natürlicher Lagerstätten, sondern generell zur Steigerung der Ressourceneffizienz (Strategie C) beitragen.

Für eine effizientere Nutzung anthropogener Ressourcen und zur Lösung zukünftiger Ressourcenengpässe wurden in den letzten Jahren neben dem klassischen Recycling und der Wiederverwendung von Abfällen zwei Schlagwörter propagiert: zum einen Urban Mining und zum anderen Landfill Mining. Beides wird unter dem Begriff Technospheric Mining subsumiert. Während beim Landfill Mining Materialien zurückgewonnen werden sollen, die in der Vergangenheit aufgrund technologischer, ökonomischer oder kultureller Randbedingungen als nicht rückgewinnbar eingestuft und demzufolge deponiert wurden, zielt Urban Mining primär auf die in unseren Städten und Siedlungen eingebauten Materialien und Rohstoffe ab. Diese Ressourcen können sich dabei aktuell noch in Nutzung befinden oder, wie es beispielsweise bei abgeklemmten Stromkabeln oder Telekommunikationsleitungen der Fall ist, bereits außer Betrieb genommen worden sein. Sie können entweder derzeit (Reserven) oder in absehbarer Zukunft ökonomisch rückgewinnbar (Ressourcen) sein. Für den Fall, dass selbst mittel- bis langfristig eine Gewinnung unwirtschaftlich oder technisch unmöglich erscheint, spricht man von nicht abbauwürdigen Vorkommen (low grade deposits).

Das am Institut für Wassergüte, Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der Technischen Universität Wien angesiedelte Christian Doppler Labor für Anthropogene Ressourcen entwickelt einerseits Methoden zur Charakterisierung anthropogener Lager und andererseits in Analogie zur Bewertung primärer Lagerstätten eine daraus abgeleitete Klassifizierung anthropogener Lagerstätten. In der vorliegenden Ausgabe der Österreichischen Wasser-und Abfallwirtschaft stellen wir erste Forschungsergebnisse vor.

Im ersten Beitrag entwickeln Fritz Kleemann und Kollegen eine Methode zur Bestimmung der Materialzusammensetzung von Gebäuden vor dem Abbruch. Ihre Methode basiert einerseits auf der Analyse verfügbarer Unterlagen (z. B. Bestandspläne, Gutachten etc.) über das jeweilige Gebäude, andererseits auf Begehung und selektiver Beprobung der jeweiligen Gebäude. Im zweiten Beitrag erstellen Hanno Buchner und David Laner eine österreichische Aluminiumbilanz mit einem speziellen Fokus auf die anfallenden Schrottmengen. Ihre Analyse zeigt, dass die in der Abfallwirtschaft auftretenden Verluste verhältnismäßig gering sind, wobei in einigen Bereichen die Datenlage für gesicherte Aussagen unzureichend ist. Informationen aus dem elektronischen Datenmanagement EDM könnten hier wesentliche Abhilfe leisten. Im dritten Beitrag untersuchen Julia Feketitsch und David Laner die Entwicklung des österreichischen Kunststoffhaushaltes über die vergangenen 15 Jahre. Die Deponieverordnung stellt sich dabei als die entscheidende Maßnahme für die Lenkung von Kunststoffabfällen hin zur verstärkten Verwertung und zum Recycling dar. Im vierten Beitrag zeigen Verena Trinkel und KollegInnen den Nutzen und die Herausforderungen für betriebliche Stoffbilanzen am Beispiel der Stahlerzeugung. Schlussendlich befasst sich der Beitrag von Andrea Winterstetter und David Laner mit einem belgischen Landfill Mining-Projekt, das in Analogie zur Klassifizierung von Bergbauprojekten gemäß United Nations Framework Classification for Fossil Energy and Mineral Reserves and Resources 2009 bewertet wird, um die deponierten Materialien als potenzielle anthropogene Ressourcen (begründete Aussicht auf wirtschaftliche Gewinnung in absehbarer Zukunft) oder Reserven (aktuelle wirtschaftliche Extraktion möglich) zu identifizieren.

Die vorliegenden Arbeiten sind kleine, aber wesentliche Erkenntnisgewinne auf dem Weg zu einem nationalen Sekundärrohstoffkataster, der eine notwendige, keinesfalls hinreichende Bedingung für eine effektive Rohstoffbewirtschaftung ist.