Zur-Kenntnis-Gelangen des Verdachts einer Straftat durch eine Anzeige (§ 78 Abs 1, § 80 Abs 1 StPO) ist vom Ermitteln zu unterscheiden: Ersteres verpflichtet zu Letzterem. Ermitteln bedeutet Tätigwerden aufgrund eines zur Kenntnis gelangten Sachverhalts. Einstellung nach § 190 StPO ist stets bloß in Betreff eines einmal in Gang gekommenen Ermittlungsverfahrens möglich. Bloß zurückgelegte Anzeigen oder sonst nicht zum Anlass für Ermittlungen genommene Sachverhalte sind kein Fall des § 190 StPO, lösen keine Informations- und Verständigungspflichten aus und sind kein Gegenstand der Fortführung. Bloß zurückgelegte Anzeigen machen den Anzeiger mithin in Betreff eines darauf bezogenen Antrags auf Fortführung des – solcherart niemals geführten – Ermittlungsverfahrens nicht zum Beteiligten und berechtigen auch nicht zu einem Antrag auf Ablehnung eines Richters. Macht die Staatsanwaltschaft einen zur Kenntnis genommenen Sachverhalt ohne Ermittlungen zum Anlass für eine Entscheidung nach §§ 191 f StPO, begründet sie dadurch noch kein Ermittlungsverfahren. Einer solchen Entscheidung liegt jedoch bejahte Strafbarkeit der angezeigten Tat zugrunde, sodass in Betreff solcher Entscheidungen Fortführungsanträge auch zuzulassen sind, wenn (zu Recht) aus Gründen der Prozessökonomie von überflüssigen Ermittlungen Abstand genommen wurde. Eine in Information (§70 StPO) und Verständigung (§ 194 StPO) zum Ausdruck gekommene rechtliche Beurteilung des Anzeigers als Opfer begründet weder ein Ermittlungsverfahren noch eine der (staatsanwaltlichen) Bewertung des angezeigten Sachverhalts als Straftat vergleichbare prozessuale Lage, die als Bezugspunkt eines Fortführungsantrags in Frage kommt.
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Reindl-Krauskopf, S., Venier, A. Zur-Kenntnis-Gelangen des Verdachts versus Ermittlung. JuBl 134, 671–674 (2012). https://doi.org/10.1007/s00503-012-0114-5
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