Zur ausdrücklichen gesetzlichen Deckung der "Online-Überwachung" durch die damals geltenden gesetzlichen Regelungen bedarf es keiner Aussage des OGH. Das aus § 5 Abs 1 StPO hervorgehende Analogieverbot für Grundrechtseingriffe stünde der Vorführung ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung gewonnener Beweise so lange nicht entgegen, als nicht just in der Vorführung ein Grundrechtseingriff lag, was die Rechtsmittelwerber gar nicht mit Bestimmtheit behaupten. Allein der Umstand, dass das Gericht einem nach § 106 Abs 1 Z 2 StPO eingebrachten Einspruch wegen Rechtsverletzung stattgibt, macht die Vernichtung des erlangten Beweismaterials zur Herstellung des entsprechenden Rechtszustandes (§ 107 Abs 4 StPO) nicht erforderlich. Wenn das Gericht in der vollständigen Verschleierung der Angeklagten in sachverhaltsmäßiger Hinsicht eine mit Ausschluss aus der Verhandlung zu ahndende Missachtung des Gerichts (§ 234 StPO) erblickte, wäre es an der Beschwerdeführerin gelegen, Bedenken in dieser Hinsicht auszuräumen. § 234 StPO ist eine gesetzliche Eingriffsermächtigung iSd Art 9 Abs 2 MRK. In concreto wurden grundrechtliche Schranken der Verhältnismäßigkeit aufgrund der ausdrücklichen Zusicherung des Gerichts, bei Entschleierung auch bloß des Gesichts jederzeit wieder zur Verhandlung zugelassen zu werden, im Verein mit dem Verbot von Fernseh-, Film- und Fotoaufnahmen sowie der Erlaubnis, bei Betreten und Verlassen des Gerichtssaals das Gesicht verschleiert zu haben und während der Verhandlung das Kopftuch (Bedeckung der Haare) tragen zu dürfen, nicht überschritten. Das aus Gründen der Beweistauglichkeit geltende Verhüllungsverbot des § 162 StPO betrifft nur Zeugen. § 5 Abs 1 erster Satz StPO steht einer Ausdehnung auf Angeklagte entgegen.
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Reindl-Krauskopf, Schütz, H. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung gewonnene Beweise; Missachtung des Gerichts durch vollständige Verschleierung. JuBl 131, 527–535 (2009). https://doi.org/10.1007/s00503-009-1714-6
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00503-009-1714-6