Bereits zum zwölften Mal habe ich nun die große Ehre, eine e+i-Ausgabe zum Themenschwerpunkt „Elektrische Maschinen und Antriebe“ zu organisieren. Wie beim letzten Heft 2.2023 bereits angekündigt, hat sich der Verlag bzw. der OVE entschlossen, zwei Hefte mit diesem Themenschwerpunkt zu erstellen. Im aktuellen Heft 3–4.2023 konnten nach zeitaufwändigen Begutachtungen fünf Originalbeiträge, zwei Berichte und drei Artikel in der Rubrik „praxis+wissen“ zur Veröffentlichung angenommen werden.

Am 26. und 27. April 2023 fand wieder die mOre driVE-Konferenz in Wien statt. Mit über 60 Präsenz- und einigen Online-Teilnehmer:innen war diese Konferenz erneut sehr gut besucht. Bei der Abendveranstaltung im Wiener Rathaus konnten die Teilnehmenden neben dem hervorragenden kulinarischen Abendessen interessante Fachgespräche führen. Viele der Vorträge wurden im vorherigen und in diesem e+i-Heft auch schriftlich veröffentlicht. Somit gibt es auch die Möglichkeit, die Beiträge im Nachgang zu lesen.

Wie bereits im Vorwort des Hefts 2.2023 beschrieben, erfährt das Thema „Elektrische Antriebstechnik und Maschinen“ eine große Renaissance. Dies umfasst nicht nur das Gebiet der Straßenfahrzeuge, sondern auch den Bereich Luftfahrt- und Landwirtschaftstechnik sowie den allgemeinen Anlagen- und Maschinenbau. In diesen Bereichen werden die hydraulischen Systeme durch elektrische Komponenten ersetzt, da diese im Allgemeinen eine höhere Effizienz und geringere Masse aufweisen.

Alle diese Trends fördern die Weiterentwicklung der elektrischen Antriebe. Wie bei vielen anderen weltweit erkennbaren Technologietransformationen müssen wir allerdings auch die Konsequenzen bedenken und diese beachten. Bei Permanentmagnet-Synchronmaschinen benötigen wir die relativ teuren Seltene-Erden-Elemente, wie Neodym, Samarium oder Dysprosium. Diese werden nach wie vor in Südostasien (z. B. China) abgebaut, und deren Gewinnung hat negative Auswirkungen auf die Umwelt. Außerdem wird die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Land bzw. einer Region, egal in welchem Bereich, problematisch bewertet.

Ein ähnliches Problem sehe ich derzeit auf dem Gebiet der Energiespeichersysteme. Lithium ist ein sehr leichtes Alkalimetall aus der 1. Hauptgruppe im Periodensystem und hat sich als wesentlicher Bestandteil unserer modernen Batteriespeichersysteme etabliert – egal ob in Elektrofahrzeugen, in batteriebetriebenen Werkzeugen oder in Batterien für Photovoltaikanlagen und andere stationäre Energiespeichersysteme. Außerdem enthalten diese Energiespeicher auch noch wertvolle Rohstoffe, wie Mangan, Cobalt, Seltene Erden, Aluminium und Kupfer.

Diese Batterien bzw. Rohstoffe sind auch in jedem Handy oder Laptop enthalten. Es stellt sich die Frage, warum für diese Geräte bzw. deren Batterien kein Pfand eingeführt wird. Für Glasflaschen in Österreich und viele Kunststoffflaschen in Deutschland gibt es funktionierende Recyclingsysteme. Es gibt zweifellos mehr Kunststoff- bzw. Glasflaschen auf dem Markt als Handys oder Laptops. Somit kann die Anzahl der recyclebaren Teile nicht der Grund dafür sein. Ein Lösungsansatz wäre ein Pfandsystem beim Neukauf eines Handys oder Laptops von ca. 20 € bzw. 50 €. Dieser Betrag kann bei der Rückgabe refundiert bzw. beim Kauf eines aktuelleren Geräts angerechnet werden. Solange wir nicht auf einen Recyclingprozess unserer wertvollen Rohstoffe ernsthaft eingehen, wird fast jede neue Technologie in eine Sackgasse führen. Erst ein sinnvoller, ökologischer Kreislauf wird die neue Technologie nachhaltig und somit langfristig für unsere Umwelt verträglich gestalten.

Derzeit leben wir von den Rohstoffen aus der Erde, die sich seit Millionen von Jahren gebildet haben. Unsere Kinder und Enkelkinder werden uns vorwerfen, warum wir unseren Lebensstandard auf diese Weise aufrecht gehalten haben. Soll die Umstellung auf E‑Antriebe und natürlich auch die Umstellung der Energieerzeugung auf regenerative Ressourcen beitragen, diese Vorwürfe zukünftiger Generationen zu verringern. Außerdem können wir dadurch unabhängig von Rohstoffimporten werden und auch positive, wirtschaftliche Entwicklungen, wie z. B. die Verbesserung der Handelsbilanz, erreichen.

Nun zu den Beiträgen in diesem Heft mit dem Schwerpunkt „Elektrische Maschinen und Antriebe“:

Wilfrid Hofmann von der TU Dresden stellt in seinem Beitrag „Maschinelles Lernen als Entwurfshilfe für elektrische Maschinen“ vor. Anhand eines vereinfachten elektrischen Ersatzschaltbilds einer Drehstrom-Asynchronmaschine lassen sich Unterschiede sowohl zwischen den einzelnen Parametern als auch zwischen konkreten Regressionsalgorithmen erkennen. Somit können „gute“ und „schlechte“ Entwurfsdatensätze zum Anlernen der Algorithmen maschinell erstellt werden.

Es folgt ein Bericht von Alexander Kleimaier (Hochschule Landshut) mit dem Titel „Modulare Axialflussmaschine für hohes Drehmoment“. In diesem wird die charakteristische scheibenförmige Bauweise dieser Maschinentype vorgestellt. Es wird ein Vergleich einer Radialflussmaschine mit einer Axialflussmaschine sehr ähnlicher Abmessungen rechnerisch und mit ausführlichen Maschinendaten analysiert. Bei diesem zeigt sich, dass die Axialflussmaschine bei gegebenem Bauraum in Bezug auf das Drehmoment im Nachteil ist, jedoch in Bezug auf Magnetmaterialausnutzung, Drehzahlbereich und Trägheitsmoment erheblich besser abschneidet.

Andreas Böhm und Yves Burkhardt von Valeo eAutomotive Germany und der TU Darmstadt beschäftigen sich in ihrem Beitrag „Determination of noise, vibration, and harshness (NVH)-relevant electromagnetic forces in PMSMs“ mit der Bestimmung von elektromagnetischen Kräften in Permanentmagnet-Synchronmaschinen und deren Einfluss auf das NVH-Verhalten eines Antriebssystems. Dabei wird die Luftspaltflussdichte mittels transienter Finite-Elemente-Simulation bestimmt und als 2D-Matrix über Zeit und Raum dargestellt. Darüber hinaus werden die problematischen Harmonischen u. a. über das komplette id/iq-Stromkennfeld dargestellt. Dabei kann die Darstellung über id/iq dazu dienen, NVH-optimierte id/iq-Stromkombinationen zu finden, die von den üblichen MTPA(maximales Drehmoment pro Ampere)-Kombinationen abweichen.

Norman Blanken und Bernd Ponick (Leibniz Universität Hannover) behandeln in ihrem Beitrag „Preferable PMSM rotor geometry for reduced axial flux components in the stator core“ Rotorgeometrien, die den axialmagnetischen Statorflussanteil in Permanentmagnet-Synchronmaschinen reduzieren. Im axialen Endbereich erzeugt das ausquellende Luftspaltfeld eine Flusskomponente, die axial in den Stator eintritt und dadurch zusätzliche Eisenverluste erzeugt. Die Auswirkungen von konstruktiven Änderungen auf die axialmagnetische Statorflusskomponente und den Luftspaltfluss werden eingehend bewertet.

Der Beitrag von den Autoren Swen Bosch (J. M. Voith SE & Co. KG), Jochen Staiger, Heinrich Steinhart (beide Hochschule Aalen) und Wilfried Hofmann (TU Dresden) mit dem Titel „Repetitive controllers for shunt active power filters – control design, implementation and stability analysis“ befasst sich mit der Optimierung der Netzqualität bei häufig verwendeten Stromrichtern mit Gleichspannungszwischenkreis. Für die Kompensation der Stromoberschwingungen kann die bekannte Stromregelung in mehreren rotierenden Bezugssystemen über einen PI-Regler oder im stationären Bezugssystem über resonante Regler angewendet werden. Einen alternativen Regelungsansatz stellen repetitive Regler dar, die theoretisch die Möglichkeit bieten, alle Oberschwingungen mit nur einem Regler zu kompensieren.

In die derzeitig elektrischen Anschlussmöglichkeiten für Elektro- und Hybrid-Straßenfahrzeuge vertiefen sich die Autoren Fabian Heidmaier und Harald Neudorfer (TU Wien) in ihrem Bericht „Steckersysteme für Elektrofahrzeuge“. Dabei werden sowohl die unterschiedlichen Anschlussstecker als auch die möglichen Lademodifikationen vorgestellt. Daraus wird ersichtlich, dass es bis dato nicht gelungen ist, ein weltweit einheitliches Steckersystem für alle Fahrzeuge zu entwickeln. Jedes einzelne System hat zwar seine Vor- und Nachteile, jedoch ist diese Situation für den Betreiber von Elektrofahrzeugen schwer nachvollziehbar.

Im folgenden Bericht „Simulation und Wirtschaftlichkeitsbewertung von Photovoltaikanlagen in Kombination mit Elektrofahrzeugen“ widmet sich das Autorenteam Johannes Berndorfer und Harald Neudorfer (TU Wien) einer Simulation zur Untersuchung der finanziellen Rentabilität solcher Anlagen in Kombination mit Elektrofahrzeugen. Dieses Konzept wird mit einem Fahrzeug mit Verbrennungskraftmaschine ohne Photovoltaiksystem verglichen. Dabei wird auf verschiedene Systemparameter, wie Anlagengröße, Batteriespeicher, jährliche Fahrleistung und Jahresstromverbrauch, eingegangen. Es wird gezeigt, dass die Investition in eine mittelgroße PV-Anlage mit einer Peakleistung von 10–12 kWp und einem kleinen Speicher mit einer Energie von 8–10 kWh in Kombination mit einem Elektrofahrzeug für einen Privathaushalt kosten- und emissionstechnisch die attraktivste Lösung wäre.

Im Bereich „praxis+wissen“ werden drei Beiträge vorgestellt.

Im ersten Artikel „Multidimensionale Entwicklungsumgebungen für elektrifizierte Antriebe“ stellen Marcus Gohl, Mark Schmadel und Michael Friedmann (APL) diverse Testprozeduren von Gesamtfahrzeugerprobungen bis zu Analysen auf Komponentenprüfständen für die E‑Mobilität vor. Parallel zu den multidimensionalen Triebstrangentwicklungen haben sich rechnerunterstützte Simulationsmethoden als zeit- und kosteneffiziente Werkzeuge etabliert. Die Transformation in der Automotive Industrie spiegelt sich somit auch in der gesamten Prüftechnik der unterschiedlichen Antriebstechnologien wider. Es werden zusätzliche Prozessketten entwickelt, die hochmoderne Messtechnik und innovative Simulationstools verknüpfen, um weitere Potenziale bei der Entwicklung elektrischer Antriebe zu erschließen.

Die österreichische Firma Traktionssysteme Austria GmbH stellt in ihrem Beitrag „Die Zukunft fährt elektrisch – Traktionssysteme Austria entwickelt innovative Antriebe und Wartungskonzepte für Schienen- und Straßennutzfahrzeuge weltweit“ zwei unterschiedliche Themen vor. Das erste Thema betrifft einen innovativen Antrieb für Nutzfahrzeuge mit einem neuartigen Motorkonzept. Dabei wird ein umschaltbares Wicklungssystem mit insgesamt zwölf Anschlüssen im Klemmenkasten, welches durch die Drehmoment-Drehzahl-Charakteristik bei Serien- und Parallelschaltung einen optimierten Wirkungsgrad ergibt, genauer beschrieben. Das zweite Thema betrifft professionelle Serviceleistungen für Elektromotoren von Schienen- und Straßennutzfahrzeugen mit diversen Maintenance-Angeboten, je nach Kundenwunsch.

Von Hartmut Schneeweiß wurde der Beitrag „Der Einsatz von neuen elektrischen Achsen und Batteriesystemen in Batterieelektrischen Fahrzeugen“ eingereicht, der eine sehr gute Übersicht über den derzeitigen Entwicklungsstand von Battery Electric Vehicles (BEVs) darlegt. Außerdem wird eine weltweit gültige Prognose bis 2035 zur möglichen Anzahl von Personenkraftwagen (PKWs) und Light Commercial Vehicles (LCVs) abgegeben.

Für die große Anzahl an hochwertigen Papers und die Bereitschaft des Herausgebers, in diesem Jahr zwei Hefte mit dem Themenschwerpunkt „Elektrische Maschinen und Antriebe“ zu gestalten, möchte ich mich als Heftkoordinator bei allen Beteiligten sehr herzlich bedanken. Dies ist ein starkes Lebenszeichen der entsprechenden Institute an den deutschsprachigen technischen Universitäten sowie der einschlägigen Industrie. Die Autor:innen investieren in jeden Beitrag viele Arbeitsstunden, die in einigen Fällen neben der täglichen Arbeit nur in der Freizeit erledigt werden können. Ohne diese vielen Mühen, aber auch ohne die Bereitschaft, ihre Forschungs- und Entwicklungsergebnisse zu publizieren, wäre es nicht möglich, eine interessante Ausgabe zu erstellen. Darüber hinaus bedanke ich mich auch bei jenen Kollegen, die die Arbeit übernommen haben, die Beiträge zu begutachten und mit konstruktiven Vorschlägen zu optimieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass auch für diese Arbeiten sehr viele Stunden notwendig sind.

Gemeinsam hoffen wir, dass wir Sie für das Thema „Elektrische Maschinen und Antriebe“ begeistern können und Sie diese Beiträge mit großem Interesse lesen.

Ihr Harald Neudorfer