Liebe Leser:innen!

Liebe Forscher:innen!

Blitze und ihre Erscheinungsformen sind für uns Menschen faszinierende und zugleich angsteinflößende Naturphänomene. Zu unterschiedlich sind sie in ihren Entstehungsformen, in ihren Entladungsmöglichkeiten, aber auch in ihren Auswirkungen auf unser persönliches Wohlbefinden oder auf unsere gesellschaftlichen Infrastrukturen.

Schon sehr früh begann die Menschheit, diesen übermächtigen Phänomenen seine Aufmerksamkeit zu widmen. Es entstanden in verschiedenen Kulturen Mythen und Sagen, um Antworten auf das zu finden, was sich im Himmel und auf der Erde während eines Gewitters abspielt. Erst der Naturwissenschaftler Benjamin Franklin konnte im Jahr 1752 mit seinem waghalsigen Drachenexperiment die These aufstellen, dass in der Nähe von Gewittern eine elektrische Spannung zwischen Wolke und Erde besteht.

Heute findet die Blitzforschung weltweit großes Interesse. Universitäten und Forschungseinrichtungen untersuchen diese spannenden Naturphänomene oder beschäftigen sich intensiv mit Lösungen für den Blitzschutz. Dies reicht von der relativ einfachen Blitzschutzanlage für ein Gebäude bis hin zu komplexen Schutzkonzepten für sensible technische Infrastrukturen.

Auf der „Weltkarte der Blitze“, die auf Beobachtungen aus dem All beruht, ist erkennbar, dass die Anzahl der Blitzentladungen regional sehr unterschiedlich ist. Die meisten atmosphärischen Entladungen werden in Zentralafrika und in den Regionen am Äquator beobachtet, die Blitzschläge in Österreich liegen dagegen im unteren Mittelfeld. Dennoch hat sich im deutschsprachigen Raum in den 1960er-Jahren der Schweizer Pionier Karl Berger etabliert, der mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten am Monte San Salvatore bei Lugano bis heute bedeutende Erkenntnisse zur Blitzforschung lieferte, obwohl sein Augenmerk in erster Linie dem „Blitzschutz von Elektrizitätswerken und Überlandleitungen“ galt.

Die Blitzforschung in Österreich wird heute im Wesentlichen durch die wissenschaftlichen Arbeiten von ALDIS (Austrian Lightning Detection & Information System) und der TU Graz geprägt. ALDIS führt seit 1992 die Blitzortung und Blitzdokumentation im zentraleuropäischen Raum durch und ist Mitglied in der europäischen Kooperation EUCLID (EUropean Cooperation for LIghtning Detection), dem Zusammenschluss mehrerer nationaler Blitzortungssysteme zu einem europaweiten Ortungssystem.

Die Geburtsstunde des österreichischen Blitzortungssystems ALDIS ist Gerhard Diendorfer zu verdanken, der vor 30 Jahren ein Sensornetzwerk von acht Sensoren in Österreich aufgebaut hat. Neben den Dienstleistungen zur Blitzortung werden laufend wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Blitzforschung mit dem Ziel vorangetrieben, die Parameter dieser Naturphänomene wie Peak Current, Polarity, Location und Location Accuracy zu erforschen und international zu vergleichen.

An der TU Graz wird seit 20 Jahren neben der Grundlagenforschung zu Blitzen Arbeit auf dem Gebiet des Blitzschutzes für Sonderbauwerke und in Bezug auf die Anforderungen für Hochspannungssysteme geleistet. Projekte wie LiOn (Lightning Observation in the Alps) oder RTLRA (Real Time Lightning Risk Assessment) dienen der Erforschung dieser atmosphärischen Entladungen mit dem Schwerpunkt „österreichischer Alpenraum“ und der Optimierung von lokalen Prognosen über das Blitzrisiko durch die Verknüpfung von Feldmühlen‑, Blitzortungs- und Wetterdaten. Eng angebunden an diese Forschungsaktivitäten ist die Wissensvermittlung in der Lehre für den wissenschaftlichen Nachwuchs.

In Zeiten der weltweit anerkannten Klimaveränderungen sind alle Aktivitäten der Blitzforschung in Österreich auch an das Wissen um Wetterphänomene und die Kenntnis meteorologischer Daten geknüpft, was durch die Zusammenarbeit mit der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) und der ACG (Austro Control) gegeben ist.

In diesem Heft finden Sie einen spannenden Querschnitt von neun ausgewählten nationalen und internationalen Arbeiten zum Thema „Blitzforschung“. Die Ausgabe spiegelt einen kleinen Teil der weltweiten Forschungsaktivitäten wider und zeigt, wie breit gestreut und vielfältig die Themenstellungen zu diesem Fachbereich sein können.

Folgende Beiträge wurden für dieses Heft ausgearbeitet:

  • H. Kohlmann, W. Schulz und H. Pichler (Österreich) mit dem Titel Simulation elektromagnetischer Felder durch Folge eines Blitzeinschlags auf dem Gaisberg und der anschließende Vergleich der Ergebnisse mit Messungen der ALDIS-Blitzortungssensoren

  • L. Schwalt, S. Pack, W. Schulz und G. Pistotnik (Österreich) mit dem Titel Blitzentladungen im österreichischen Alpenraum mit Fokus auf Single-Stroke Flashes

  • T. Simon und G.J. Mayr (Österreich) mit dem Titel Lightning climatology for the eastern Alpine region on the kilometer scale with daily resolution

  • M. Dorninger und S. Marth (Österreich) mit dem Titel Meteorological aspects of the atypical seasonal lightning distribution at the Gaisberg tower

  • A. Nag (USA) mit dem Titel Occurrence characteristics of upward lightning at the Gaisberg tower

  • F. H. Heidler, C. Paul und W. Schulz (Deutschland, Österreich) mit dem Titel Optische Untersuchungen von Blitzeinschlägen in Verbindung mit Feldmessungen und Beurteilung von Blitzortungssystemen

  • F. Rachidi und M. Rubinstein (Schweiz) mit dem Titel Säntis lightning research facility: a summary of the first ten years and future outlook

  • B. Schober, L. Schwalt und S. Pack (Österreich) mit dem Titel Blitzschutz von Hochspannungs-Freiluftschaltanlagen – praktische Auslegung

  • C.S. Engelbrecht, P.J. Schutte und J. Lundquist (Niederlande, Schweden) mit dem Titel A statistical method for determining external clearances on overhead lines

Als wissenschaftlicher Gastherausgeber für dieses Jubiläumsheft möchte ich mich bei allen Autor:innen, den internationalen und nationalen Gutachtern sowie dem OVE und der e+i-Redaktion für die eingereichten Arbeiten, die zeitgerechte Erstellung der Gutachten im Review-Prozess sowie für die tolle Unterstützung bei der Heftgestaltung ganz herzlich bedanken. Am Ende dieses Vorworts wünsche ich allen Leser:innen eine interessante Zeit mit den Originalarbeiten in diesem Heft.

Addressing my international colleagues, I would like to thank all authors and reviewers in my role as scientific guest editor for their contributions and assistance in completing this special issue.

Herzliche Grüße aus Graz

Stephan Pack