Ausgangslage – aktuelle Situation

Getrieben durch das Bekenntnis zur Dekarbonisierung wurde in den letzten Jahren der Umbau des Energiesystems initiiert. Als Konsequenz ergeben sich zunehmend volatilere Erzeugungsprofile und Lastflüsse, die physikalisch durch die Stromnetze bewerkstelligt werden müssen. Eingebettet in Zentraleuropa fungiert das APG-Netz bereits heute als wesentliche Flexibilitätsoption, die sowohl grenzüberschreitend also auch national den räumlichen Ausgleich zwischen Erzeugung und Last gewährleistet (z. B. Import der Windenergie aus Nord-Deutschland bzw. Transport von Windenergieüberschüssen im Osten Österreichs zu den Lastzentren wie Wien oder zu den Pumpspeichern im Westen des Landes).

Auch im Übertragungsnetz der APG waren in den letzten Jahren immer höhere Gradienten und Leistungsspitzen zu beobachten. Gleichzeitig stieg sukzessive das energetische Transportvolumen. Das Übertragungsnetz wird also zunehmend an seiner Belastungsgrenze betrieben. Die resultierenden Netzengpässe können nur mehr durch koordinierte Notmaßnahmen (,,Redispatch“) behoben werden. Der Bedarf solcher Notmaßnahmen hat sich in den letzten Jahren massiv erhöht, und im Jahr 2018 mit Kosten von 117 Mio. Euro ein neuerliches Rekordniveau erreicht. Kosten, die durch einen entsprechenden Netzausbau vermeidbar wären und vom österreichischen Stromkunden zu tragen sind.

Ausblick 2030

Entscheidend für die Erreichung des Zieles von 100 % Erneuerbaren (#mission2030) wird der umfassende Ausbau von Wind und PV sein. Eine durch Wind und PV dominierte Erzeugungsstruktur führt wiederum zu Herausforderungen einer noch nie dagewesenen Dimension (z. B. kurzfristige Überdeckungsspitzen von rd. 10 GW, Tag-Nacht-Ausgleich, weiterhin Unterdeckung im Winter sowie das Erfordernis saisonaler Verlagerung im TWh-Bereich).

Grundlage für eine effiziente Umsetzung der Energiewende ist die Nutzung der höchsten verfügbaren Potenziale von Wind und PV. Da diese in Europa bzw. auch national nicht gleich verteilt sind, erfordert dies konsequenterweise Energietransporte von Regionen hoher erneuerbarer Potenziale in Regionen mit geringeren Potenzialen. Um diesen Ausgleich physikalisch zu ermöglichen, bildet das Übertragungsnetz die eigentliche Basis.

Das Jahr 2030 wurde im Rahmen der Studie ,,Österreichs Weg Richtung 100 % Erneuerbare“Footnote 1 untersucht, und die Ergebnisse zeigen, dass Österreich im Sommer zum Nettoexporteur werden könnte und im Winter weiterhin auf Stromimporte angewiesen bliebe. Eine Analyse basierend auf 31 Wetterjahren verdeutlicht weiters, dass auch der Einfluss der Wetterjahre nicht zu vernachlässigen ist. Je nach Wetterjahr schwankt die mittlere dargebotsabhängige Erzeugung auf Monatsbasis um bis zu 3 GW (also rd. 30 % der Last). Dies unterstreicht den Bedarf an und die Schlüsselfunktion von Flexibilitätsoptionen im Jahr 2030.

Neben dem Stromsektor, wird auch die Dekarbonisierung anderer Sektoren (z. B. Verkehr und Industrie) unweigerlich zu einer Verlagerung Richtung Strom und damit zum weiteren Anstieg des Stromverbrauchs führen, was wiederum zusätzliche Erneuerbare auf der Erzeugungsseite erfordert.

Bedarfsgerechter Netzausbau ist derzeit die effektivste (und volkswirtschaftlich günstigste) Flexibilitätsoption und technisch voll ausgereift. Je leistungsfähiger das Übertragungsnetz, desto umfangreicher ist der Ausgleich zwischen Erzeugung und Last möglich, was wiederum die Grundlage bildet, um Erneuerbare erfolgreich in das Energiesystem zu integrieren.

Langfristig wird es zusätzlich notwendig sein, neben den vorhandenen auch neue Flexibilitätsoptionen (z. B. Batterien, Power-to-X) zu erschließen. Erst dadurch wird der finale Puzzlestein gelegt, um den initiierten Strukturwandel in der Energieversorgung erfolgreich zu Ende zu führen. In diesem Zusammenhang darf allerdings zu keinem Zeitpunkt die Effizienz außer Acht gelassen werden. Im Vergleich zwischen Übertragungsnetzen und Power-to-Gas besticht Ersteres mit einem Wirkungsgrad von 99 %. Gleichzeitig muss im Systemdesign die spezifische Wirkung unterschiedlicher Flexibilitätsoptionen (kurzfristig, langfristig, lokal, regional) berücksichtigt werden. Der erfolgreiche Umbau des Energiesystems wird nur dann funktionieren, wenn ein ganzheitlicher Planungsansatz, der alle Flexibilitätsoptionen berücksichtigt, zur Anwendung kommt.