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Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. techn. habil. Harald Neudorfer

Nun bereits zum fünften Mal nach 2011, 2015, 2016 und 2017 habe ich die große Ehre, eine Ausgabe der e&i mit dem Themenschwerpunkt „Elektrische Maschinen und Antriebe“ zu organisieren. Dieses Mal konnten insgesamt zwölf Originalarbeiten, ein Bericht und zwei Beiträge in der Rubrik „Praxis & Wissen“ nach recht zeitaufwändiger Begutachtung freigegeben werden.

Dem Umstand, dass der deutsche Schwesternverein des OVE, der VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V., kein regelmäßiges wissenschaftliches Journal mit Review-Status auflegt, ist es zu verdanken, dass einige meiner Professorenkollegen aus Deutschland gerne bereit sind, in der OVE-Zeitschrift e&i elektrotechnik und informationstechnik zu publizieren. Für diese Bereitschaft aller an dieser Ausgabe beteiligten Autorinnen und Autoren möchte ich mich gleich zu Beginn dieses Vorwortes recht herzlich bedanken. Die Autoren investieren in jeden Beitrag viele Arbeitsstunden, die in einigen Fällen neben der täglichen Arbeit nur in der Freizeit erledigt werden können. Des Weiteren bedanke ich mich auch bei jenen Kollegen, die außerdem noch die Aufgabe übernommen hatten, die Beiträge zu begutachten und mit ihren Verbesserungsvorschlägen dazu beitrugen, diese noch zu optimieren. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass auch für diese Arbeiten wieder einige Stunden notwendig sind.

Es freut mich jedenfalls sehr, Ihnen – liebe Leserinnen und Leser – wieder ein sehr umfangreiches e&i-Heft präsentieren zu können. Wie Sie auf den folgenden Seiten sehen können, werden die Themen bei elektrischen Maschinen und Antrieben derzeit durch den Megatrend Elektromobilität stark beeinflusst.

Weltweit steigt die Akzeptanz, Antriebssysteme in Zukunft mit elektrischen Maschinen zu realisieren. In den deutschen Automobilkonzernen und deren Zulieferfirmen werden viele Fachkräfte auf diesem Gebiet eingestellt. Dieser Trend macht sich auch bei den Studierendenzahlen an den Technischen Universitäten im Bereich der elektrischen Maschinen und Antriebe, aber auch bei Leistungselektronik und elektrischer Systemintegration, bemerkbar. Die Anzahl der Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen auf diesem Gebiet hat sich in den letzten Jahren wesentlich erhöht.

So ist in der Automobilindustrie auch die Anzahl von Vorträgen auf dem Gebiet der elektrischen Antriebssysteme generell stark angestiegen. Einige Zulieferfirmen, die bisher Bauteile und Komponenten für den konventionellen Antriebsstrang eines Kraftfahrzeugs mit Verbrennungskraftmaschine herstellen, überlegen sich bereits Umstiegsszenarien für die Produktion von Bauteilen und Komponenten für elektrische Antriebssysteme. Somit steigt das Interesse am Berechnungs-, Design- und Fertigungs-Know-how hochausgenützter Traktionsmaschinen. Kurzum kann festgestellt werden, dass die elektrische Maschine und deren Ansteuerung und Regelung zum zukünftigen Kern-Know-how für elektrische Straßenfahrzeuge und deren Herstellerfirmen werden wird.

Durch den weltweit steigenden Markt für Elektrofahrzeuge und den dadurch höheren elektrischen Energieverbrauch wird der elektrischen Maschine als Motor und Generator eine stärkere Bedeutung zuteil.

Die wesentlichen Grundlagen für die Berechnung und den Aufbau von elektrischen Maschinen haben sich zwar in den letzten 150 Jahren nicht bedeutend verändert, allerdings steigen die Anforderungen an die Parameter wie die geforderte Leistungs- bzw. Momentendichte, die maximale Drehzahl sowie auch der Wirkungsgrad. Dies erfordert einen vermehrten Einsatz von Finite-Elemente-Berechnungsmethoden. Dies äußert sich durch eine Verknüpfung der FE-Berechnungen auf dem Gebiet der elektromagnetischen Auslegung, der mechanischen Dimensionierung, der strömungstechnischen Berechnung und der daraus resultierenden thermischen Simulation im Entwicklungsprozess. Somit wird die Gesamtauslegung von elektrischen Maschinen und Antrieben zu einem multiphysikalischen Gesamtwerk. Dabei werden neben den gut ausgebildeten Elektrotechnikern auch Maschinenbauer, Strömungstechniker, Physiker und Fertigungstechniker eingesetzt. Erst durch das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Fachleute erfolgt die optimierte Auslegung des Systems.

Ein weiterer Innovationstreiber ist der Einsatz neuartiger Materialien bei den weich- und hartmagnetischen Werkstoffen, aber auch bei den Isolationsmaterialien für die Wicklungsherstellung. Die höhere Ausnutzung bei zumindest gleichbleibendem Wirkungsgrad ist das Ziel. Auf dem Weg dahin sind folgende Prioritäten zu setzen:

  1. 1.

    Vermeidung von Verlusten. Das gilt für die Stromwärme- als auch für Ummagnetisierungsverluste bzw. die Reibungsverluste, aber auch die wechselrichterbedingten Zusatzverluste in der Maschine und ebenso für die Verluste im speisenden Wechselrichter.

  2. 2.

    Optimierung der Kühlmethoden bzw. das Ziel, die dennoch anfallenden Verluste möglichst effizient und geräuschoptimiert abzuführen.

  3. 3.

    Einsatz von Materialien, die auch bei höheren Temperaturen eine entsprechende Lebensdauer aufweisen.

Die wesentlichen Unterschiede von Antriebsmaschinen im automotiven Bereich gegenüber Maschinen im Industrieeinsatz sind die geforderte Lebensdauer, die mechanischen Belastungen wie Vibrationen und Stöße, die geforderten Leistungs- und Momentendichten und der Wirkungsgrad.

Der letzte Punkt ist vor allem bei Elektrofahrzeugen mit Batteriebetrieb ein essentieller Parameter. Da die Batterie bzw. der Energiespeicher kostenmäßig einen sehr großen Anteil an den Gesamtkosten hat, ist der optimierte Wirkungsgrad in mehrerer Hinsicht von Vorteil. Dieser bedeutet einerseits weniger Verluste in der Maschine, auch im Zusammenspiel mit dem Wechselrichter, somit kann die Kühlleistung reduziert werden. Dies minimiert die Leistung der Nebenverbraucher eines Systems. Andererseits ergibt sich aus dem besseren Wirkungsgrad bei gleich großen Energieinhalt der Batterie eine größere Reichweite des E-Fahrzeuges bzw. kann bei identer angestrebter Reichweite die Batteriegröße reduziert werden. Da wie oben beschrieben der Energiespeicher einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Gesamtkostenstruktur hat, können mit dieser Maßnahme die Kosten bzw. dann auch die Preise des E-Fahrzeugs gesenkt werden.

Folgende Originalarbeiten aus dem Gebiet der elektrischen Maschinen und Antriebe sind nun in dieser e&i-Ausgabe enthalten:

  1. 1)

    Im Beitrag „Lebensdauermodellierung von nicht-teilentladungsresistenten Isoliersystemen elektrischer Maschinen in dynamischen Lastkollektiven“ von A. Ruf, F. Pauli, M. Schröder und K. Hameyer (RWTH Aachen) wird auf die Alterung von Isolationssystemen von Motoren vor allem aus der Automobilbranche eingegangen. Durch die Reduzierung der Einsatzdauer in Stunden gegenüber Industriemaschinen sind damit höhere Betriebstemperaturen möglich, die eine Steigerung der Momenten bzw. Leistungsdichte ermöglichen.

  2. 2)

    C. Zöller, M. Vogelsberger und T. Wolbank (TU Wien) erarbeiten in ihrem Beitrag eine „Zustandsüberwachung der Statorisolation von umrichtergespeisten elektrischen Maschinen mittels transienter Stromcharakteristik“. Dabei werden die Hauptkomponenten Umrichter, Kabel und Maschine berücksichtigt. Umfangreiche Versuche mit künstlich gealterten Wicklungssystemen runden diese Arbeit ab.

  3. 3)

    Das Thema einer Synchron-Reluktanzmaschine mit ausgeprägten Polen wird in dem Beitrag „Auslegung einer Einzelpol-Synchron-Reluktanzmaschine hinsichtlich sensorlosen Betriebs eines industriellen Antriebs“ von M. Hofer, M. Nikowitz und M. Schrödl (TU Wien) behandelt. Die Auslegungskriterien werden beschrieben, sodass eine geringe Drehmomentwelligkeit der Maschine im Vordergrund steht.

  4. 4)

    Von der TU Braunschweig behandeln C. Heister und M. Henke mit ihrem Beitrag „Optimierungsmethodik flussmodulierter Maschinen am Beispiel der Flux Reversal Maschine“ eine Toolkette, mit der sich unterschiedliche Maschinentopologien untersuchen lassen. Dadurch können in relativ kurzer Zeit die Maxima der Drehmomente optimiert werden.

  5. 5)

    A. Schleicher und R. Werner von der TU Chemnitz beschreiben in dem Beitrag „Modellbildung eines lagerlosen reluktanten Rotations-Linear-Motors sowie experimentelle Untersuchung einer Basisvariante der Lageregelung in sechs Freiheitsgraden“ das voneinander unabhängige Schweben als auch die Rotation und Translation eines ferromagnetischen Rotors. Durch die Vielzahl der Bewegungsmöglichkeiten in allen sechs Freiheitsgraden ist eine komplexe Regelung notwendig.

  6. 6)

    Der Beitrag „Design of a synchronous reluctance rotor for the stator of an 11 kW induction machine“ von S. Neusüs und A. Binder (TU Darmstadt) beschreibt zunächst ein allgemeines Verfahren zur Auslegung eines synchronen Reluktanzrotors und zeigt, wie eine besonders geeignete Rotortopologie mit Hilfe der FE-Methode zu realisieren ist. Ein Vergleich dieses Rotors mit einem ASM-Kurzschlusskäfigrotor rundet diese Arbeit ab.

  7. 7)

    In dem Beitrag von F. Benchabane, A. Guettaf, K. Yahia und M. Sahraoui (Universität Biskra, Algerien) mit dem Titel „Experimental investigation on induction motors inter-turns short-circuit and broken rotor bars faults diagnosis through the discrete wavelet transform“ wird die Fehlererkennung von Asynchronmaschinen mittels diskreter Wavelet Transformation (DWT) beschrieben. Mit dieser mathematischen Methode und deren Auswertung der Leistungsanteile über den Frequenzbereich kann der Fehlerlevel-Faktor definiert werden.

  8. 8)

    „The sensitivity of the hoist system in crane applications from speed control methods at induction motor“ von S. Osmanaj, K. Simnica Aliu, M. Limani und Q. Kabashi (Universität Prishtina, Kosovo) analysiert die Empfindlichkeit des Hubsystems bei Krananwendungen mit drei verschiedenen Regelverfahren. Dabei sollen durch diese Regelstrategien Überlastungen der Asynchronmaschine vermieden werden.

  9. 9)

    J.-N. Weber und B. Ponick (Leibniz Universität Hannover) erklären im Beitrag „Berührungslose Übertrager als Alternative zu synchronen oder Gegendrehfeld-Erregermaschinen“ ein neuartiges Konzept für einen Übertrager mit Elektroblechkern. Es wird dabei gezeigt, dass der Übertrager nur etwa ein Viertel des Platzbedarfes einer vergleichbaren Erregermaschine aufweist und der Wirkungsgrad 98 % erreichen kann.

  10. 10)

    Der zweite von der RWTH eingereichte Beitrag von M. Balluff, J. Karthaus, M. Schröder, M. Gerlach und K. Hameyer mit dem Titel „Untersuchung der Auswirkungen der Statorsegmentierung auf die Eigenschaften eines elektrischen Kraftfahrzeugtraktionsantriebs“ behandelt das sehr aktuelle Thema einer optimierten Fertigungsmethode von einzelnen Segmenten einer Traktionsmaschine für den automotiven Bereich. Dabei wird unter anderem auf die Einflüsse der Fertigungstoleranzen und die Einflüsse der mechanischen Spannung eingegangen. Einige Ergebnisse werden exemplarisch mit dem maximalen Drehmoment ausgewertet.

  11. 11)

    Der Beitrag von J. Bacher und A. Mütze (TU Graz) mit dem Titel „Low voltage ride through capability of single-phase induction machines“ behandelt die Beeinflussungen des Betriebsverhaltens bei Einphasenasynchronmaschinen bei Spannungseinbrüchen aus dem Versorgungsnetz. Dabei wird auf diese Effekte in Abhängigkeit des Zeitpunktes des Spannungseinbruches, die Dauer und die Größe der Belastung der Maschine eingegangen.

  12. 12)

    Ein weiterer Beitrag von A. Schleicher und R. Werner (TU Chemnitz) behandelt die zweidimensionale Verzahnung für lagerlose reluktante Rotations-Linear-Motoren. Zusammen mit der einfachen und robusten Bauweise ermöglicht dieser Motor ein großes Spektrum an neuen Einsatzmöglichkeiten.

Zum Abschluss möchte ich mich nochmals bei allen Autoren und Begutachtern dieser e&i-Ausgabe ganz herzlich bedanken. Ohne diese vielen Mühen und die Bereitschaft, ihre Forschungs- und Entwicklungsergebnisse zu publizieren, wäre es nicht möglich, einen so umfangreichen Themenschwerpunkt zu erstellen. Wir hoffen gemeinsam, dass wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, für das Thema elektrische Maschinen begeistern können und dass Sie unsere Beiträge mit großem Interesse lesen.