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Dipl.-Ing. Dr. Helmut Malleck

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Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Christoph Mecklenbräuker

Liebe Leserin und lieber Leser!

Wir leben in einer Zeit, die durch große globale Herausforderungen, verbunden auch mit Wandel und Unsicherheit, vor allem aber durch eine große Dynamik aller Veränderungen gekennzeichnet ist. Die Veränderungen sind technologischer, wirtschaftlicher, ökologischer, soziologischer und politischer Art.

Seit der Massentauglichkeit des offenen, transparenten und globalen Internets beeinflusst der Prozess der Digitalisierung unsere Gesellschaft in praktisch allen Lebensbereichen. Die Digitalisierung ist in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie angekommen. Digitale Transformation hat auf breiter Basis eingesetzt, und als Querschnittsdisziplin nimmt sie auf viele Branchen und Anwendungen verändernden Einfluss. Die Auseinandersetzung mit der digitalen Transformation ist zu einer Schlüsselfrage für unsere Zukunft geworden. Dabei wird Europa – mitten in einer wirtschaftlichen Wachstumsphase – an internationalen Standards gemessen.

Das vorliegende Themenheft zur digitalen Transformation kann nur ansatzweise die in Gang gesetzten Veränderungen erfassen. Sind doch abschließende Ziele der Veränderungen von virtueller und physischer Welt weitgehend unklar, zumal sie ohne Einbeziehung der Nutzer und von diesen oftmals unbemerkt stattfinden.

Die Digitalisierung eröffnet neue Wege für kreative Lösungen, an deren Erstellung viele gemeinsam und gleichzeitig arbeiten können. Die unterschiedlichen zukunftsweisenden Anwendungsbereiche haben ökonomische (Automotive, Industrie, Energie und Medien) und gesellschaftliche Relevanz (Gesundheit, Öffentliche Verwaltung und Bildung): Neue Wege der Massenproduktion durch nach Kundenwunsch maßgeschneiderte Lösungen und neue Möglichkeiten durch autonomes Fahren beim Zukunftsthema Mobilität sind nur zwei Beispiele für eine Vielzahl neuer Anwendungen. Künstliche Intelligenz, bereitgestellt als Abfolge mathematisch-logischer Schritte, eröffnet dabei – ebenso wie auch die Robotik – bisher ungeahnte Möglichkeiten. Mit Smartphones stehen uns bis vor einem Jahrzehnt noch als futurisch abgetane Möglichkeiten, etwa eine verlässliche sprecherunabhängige Spracherkennung, im Alltag bereit. Algorithmen steuern auch unsere sozialen Prozesse. Unsere Umgebung, in der sich bisher jeder selbst zurechtfinden musste, wird nunmehr unter anderem durch kybernetische Hypothesen ergänzt. Eine komplexe Machtverschiebung ist im Gange, weg von einzelnen Nutzern hin zur zentralen Aggregation und Verteilung von Informationen über Plattformen.

Die neuen Anwendungen ermöglichen Innovation, Wettbewerb, Beschäftigung und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Allerdings werden im Kontext mit der Digitalisierung der Gesellschaft naturgesetzliche physikalische Grenzen erreicht. Diese Grenzen bedeuten keineswegs ein absehbares Ende der digitalen Transformation. Zukünftig werden verstärkt Optimierungen und die Kombination von Technologien notwendig, um gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen weiterhin zu unterstützen und voranzutreiben.

Um den positiven Drall der digitalen Transformation, den technologischen Fortschritt und die damit verbundenen neue Gestaltungsmöglichkeiten nutzbar zu machen, sind persönliches Engagement und geistige Beweglichkeit gefordert. Besonders deutlich werden Wechselbeziehungen zwischen Technologie und Arbeitskultur in den Unternehmen. Das Management gehört heutzutage oftmals zur „Generation X“ (Geburtsjahrgänge 1965 bis 1980), weniger aber zur digital geprägten „Generation Y“ (Geburtsjahrgänge 1980 bis 1995). Und schon drängt die nächste Generation, die schon von Geburt an als so genannte „digital Natives“ aufwächst – die „Generation Z“ (Geburtsjahrgänge ab 1995) – in die Unternehmen. Um die geforderte digitale Kompetenz stets sicherzustellen und der digitalen Transformation folgen zu können, zwingen die oftmals revolutionären Veränderungen von Wissen und Anwendungen uns alle und die Gesellschaft als Ganzes zu umfassendem lebenslangen Lernen und Umdenken. Generationen-übergreifend werden bei voranschreitender Demokratisierung der Arbeitswelt Qualifizierungen in Cyber Security, Data Science, Cloud Computing, im Bereich kognitiver Systeme und künstlicher Intelligenz usw. erforderlich.

Die Politik ist gefordert aufzuklären, Visionen zu entwerfen und öffentliche Mittel für Bildung, Forschung und Entwicklung bereitzustellen. Mit welch’ erfreulich hohem Engagement sich Bund und Länder – Steiermark und Oberösterreich stellvertretend für alle österreichischen Bundesländer – den Herausforderungen der digitalen Transformation stellen, entnehmen Sie bitte den Geleitworten im Anschluss an unser Vorwort.

1 Originalarbeiten zum Themenschwerpunkt „digitale Transformation“

Dieses Themenheft umfasst acht Originalarbeiten. Ausgehend von einem Positionspapier werden zunächst gesellschaftliche und wirtschaftliche Aspekte der digitalen Transformation dargestellt. Im Anschluss daran wird auf technologische Basisthemen der digitalen Transformation näher eingegangen.

  • Der erste Beitrag von Reinhard Pfliegl und Claus Seibt „Die digitale Transformation findet statt!“ versteht sich als Positionspapier für das vorliegende Themenheft. Aus den nahezu unbegrenzten Kapazitäten für digitale Datenverarbeitung und der weltweiten Nutzung dieser Daten ergeben sich sowohl positive Aspekte als auch die Gefahr der (nicht erkennbaren) Manipulation von Daten für den einzelnen Nutzer, für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Damit die digitale Transformation als Fortschritt gelingen kann, sind neben der technologischen Weiterentwicklung auch politische Reformschritte erforderlich.

  • Eindrucksvoll berichten in der Folge Sabine Herlitschka und Daniel Valtiner, Infineon Technologies Austria AG, in ihrem Beitrag „Digitale Transformation: Das Analoge wird immer digitaler – Industrie und Gesellschaft gestalten sich neu“, dass die digitale Transformation signifikante Veränderungen in vielen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft bringt und hinsichtlich Geschwindigkeit, Reichweite und Wirkung alles bisher Dagewesene übertrifft. Neben der Entwicklung der richtigen Strategie und deren Konkretisierung auf globalen Märkten ist Aus- und Weiterbildung eine essentielle Voraussetzung für die erfolgreiche Gestaltung der Digitalisierung.

  • Der rasante technologische Wandel der Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche und zwingt Unternehmen zu umfassenden Transformationsprozessen. Hermann Sikora, Raiffeisen Software GmbH, zeigt in seinem Beitrag „Digital Age Management: Führung im digitalen Zeitalter“, dass Informationstechnologie alle Unternehmensbereiche konsequent durchdringt und somit Führungskräfte mit neuen Kompetenzen, bei grundlegend veränderten Unternehmenskulturen, erforderlich sind.

  • Eine technologische Basis der digitalen Transformation ist der Transistor als eine der wichtigsten Erfindungen der modernen Gesellschaft. Bianka Ullmann und Tibor Grasser, TU Wien, erörtern in ihrer Arbeit „Herausforderungen bei dem Design von Transistoren und Technologien der Zukunft“, dass die Dimensionen der Transistoren kürzlich den 14-nm-Bereich und mehrere physikalische Grenzen erreicht haben. Einige Herausforderungen werden durch den Einsatz neuer Materialien und clever gestalteter Geometrien überwunden. Mögliche weitere Fortschritte der Nanotechnologie werden aufgezeigt.

  • Roboter werden in zunehmendem Maß als Helfer wahrgenommen und entwickelt. Markus Vincze, TU Wien, zeigt in seinem Beitrag „Die langsame Transformation der Robotik“ Beispiele von Entwicklungen in der Robotik, zieht Vergleiche mit anderen Technologien und präsentiert zu erwartende Entwicklungen und Veränderungen. Die Transformationen in der Robotik sind relativ langsam und im Rahmen von Standards gut abgedeckt.

  • Christine Wahlmüller-Schiller, Österreichische Computer Gesellschaft (OCG), hat in ihrem Beitrag „Künstliche Intelligenz – wohin geht die Reise?“ die neuesten Entwicklungen zur künstlichen Intelligenz (KI) aufzeigt. KI boomt. Chatbots, selbstlernende Maschinen und Roboter – werden sie unseren Alltag bestimmen, Gesellschaft und Arbeitswelt verändern? lautet daher die Frage.

  • Wenngleich Cloud Computing der am schnellsten wachsende Sektor im Bereich Informationstechnologien ist, so sind doch Informationssicherheit und Schutz der Privatsphäre in der Praxis nicht immer in ausreichendem Maße gegeben. Thomas Lorünser et al. vom Austrian Institute of Technology (AIT) und Thomas Länger, Universität Lausanne, Schweiz, analysieren in ihrem Artikel „Agile cryptographic solutions for the cloud“ die größten Hindernisse, die einer weiten Verbreitung kryptografischer Verfahren in Cloud Services im Wege stehen. Sie erörtern weiters, welche neuartigen Verfahren zu einem wirkungsvollen Schutz von End-User-Daten beitragen können.

  • Schließlich folgt der Beitrag von Paul Trompisch, Verein Industrie 4.0 Österreich – die Plattform für intelligente Produktion, mit dem Titel „Industrie 4.0 und die Zukunft der Arbeit“. Darin stellt der Autor fest, dass der fortschreitende Einsatz von Industrie 4.0-Technologien nicht zu einer vollständigen Automatisierung und einem Konkurrenzkampf Mensch gegen Maschine führen wird. Ziel sollte vielmehr die bestmögliche Gestaltung der Kooperation zwischen Mensch und Maschine mit weitreichenden Auswirkungen auf die Arbeitswelt in der produzierenden Industrie sein.

2 Weiterführende Themen in den Berichten

Die folgenden fünf Berichte im vorliegenden Themenheft wollen Ihnen Grundsätzliches und weiter führende Themen näherbringen.

  • Claus W. Gerberich, Gerberich Consulting AG in Ennetbürgen, Schweiz, „Industrie 4.0 – Digitalisierung, Innovationsmanagement und Führung“: Industrie 4.0 verändert radikal und disruptiv die Welt, die Branchen, die Unternehmen, die Geschäftsmodelle, die Geschäftsprozesse und die Menschen. Damit ist das Management konfrontiert, das sich schnell auf die neuen Herausforderungen einstellen und das Unternehmen ganzheitlich neu ausrichten muss.

  • Markus Schreiber, A1 Telekom Austria AG, „Unternehmen im digitalen Wandel“: Digitalisierung ist zurzeit die größte Herausforderung für Unternehmen, die die Branche und das Leben von Kunden verändern werden. A1 Telekom Austria begleitet Unternehmen jeder Größe – vom KMU bis zum Großkonzern – am Weg der digitalen Transformation.

  • Richard Valenta, Österreichisches Elektrotechnisches Komitee (OEK) im OVE: „Digitalisierung, IoT, Industrie 4.0 – mit elektrotechnischen Standards unterwegs zum Smart Planet? Ein Plädoyer für das richtige Augenmaß “: Der Beitrag gibt Einblick in die elektrotechnische Standardisierung rund um die allgegenwärtige Digitalisierung mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Anwendungen, wie beispielsweise dem Internet der Dinge, Industrie 4.0 oder sämtlicher „smarten“ Technologien, ergänzt um persönliche Erfahrungen und Einschätzungen des Autors.

  • Christine Wahlmüller-Schiller, Österreichische Computer Gesellschaft (OCG), „Bildung 4.0 – der Weg in die Zukunft“: Die OCG präsentierte bereits im September 2017 die Strategie „Bildung 4.0“, ein großes Bildungsangebot für alle Altersgruppen, denn IKT-Anwendungskompetenz und Programmierkenntnisse sind für die Zukunft von größter Bedeutung.

  • Gernot Fischer und Sanela Duric, RTG Radio Technikum GmbH, „Die Einführung von Digitalradio im Standard DAB+ in Österreich“: Mit dem digital-terrestrischen Radio könnte auch in Österreich ein Massenmedium für hohe Meinungsvielfalt bereitgestellt werden, ein vorerst noch steiniger Weg.

  • Bereits in Ausgabe 4_5/2017 der e&i fanden Sie die Arbeit von Johann Günther, Donau-Universität Krems, „Digitalisierung im Einkauf – technologische und organisatorische Trends“. Digitale Transformation verändert auch die Prozesse und Tätigkeiten im Einkauf. Wenige große internationale Unternehmen beeinflussen diesen Trend. Prognosen zufolge wird bis 2020 China eine Vorreiterrolle übernehmen, obwohl Europa das größte Marktpotential hat.

Das vorliegende Themenheft „Digitale Transformation, Chancen und Risiken. Staat – Gesellschaft – Industrie“ will Impulse setzen und Sie anregen, sich mit der digitalen Transformation ausführlich – aber auch kritisch – zu beschäftigen. Die Verantwortung für den technologischen Wandel ruht nicht auf einer kleinen Gruppe. Wenn wir das Technologie-Know-how auf einzelne Expert/innen, trainierte Fachkräfte und wenige Manager/innen abwälzen, dann wird der notwendige Wandel nicht erfolgreich sein. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir Sie zu gemeinschaftlichem Wissensaufbau und steter Wissensweitergabe anregen konnten, um die Welle an Veränderungen mitzugestalten. Machen Sie die digitale Transformation zu Ihrer persönlichen Angelegenheit und damit auch zu einer Erfolgsgeschichte für uns alle.

Eine spannende Lektüre der Beiträge zu diesem Themenschwerpunkt wünschen Ihnen

Helmut Malleck

und

Christoph Mecklenbräuker