Werte Leserinnen und Leser,

Alle zwei Jahre findet an der Montanuniversität Leoben die Recy & DepoTech statt. Sie ist eine der bedeutendsten Abfallwirtschafts- und Recyclingkonferenzen im deutschsprachigen Raum. Vorträge, Posterpräsentationen, Diskussionen und Netzwerktreffen locken unter normalen Bedingungen hunderte Gäste aus Wirtschaft und Wissenschaft nach Leoben.

Noch im Sommer war nicht klar, ob die Tagung aufgrund der Corona Pandemie überhaupt stattfinden kann. Zuerst als Hybrid Konferenz mit eingeschränkter Präsenz und ergänzendem Online Auftritt geplant, musste sie wenige Wochen vorher vollständig zu einer virtuellen Konferenz umgewandelt werden.

Die 15. Recy & DepoTech fand von 18. bis 20. November in einer eigens gestalteten Online-Welt statt. Die Teilnehmer konnten sich in digitalen Vortragssälen, einer virtuellen Welt wie in einem Computerspiel, bewegen und mit anderen Teilnehmern interagieren. Aufgrund des sehr innovativen Konferenzsystems wurde die Tagung trotz rein virtueller Gestaltung ein voller Erfolg. 570 Teilnehmer verfolgten 120 Vorträge und Diskussionen.

Der vielbeachtete Festvortrag wurde vom bekannten österreichischen Philosophen Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann gehalten. Unser Umgang mit Krisen, seien es Klima- oder Umweltkrisen, aber auch die Corona Krise, wurde von ihm geistreich analysiert. Der traditionelle Leobner Abfalldisput ergänzte das Thema mit einer hochrangigen Diskussion zum aktuellen Thema „CORONA und Abfallwirtschaft – Krise oder Erfolgsstory“.

Die Recy & DepoTech 2020 widmete sich in vier Themengebieten dem umfassenden Bereich der Ressourcen- und Recyclingwirtschaft. Neben neuen Technologien, etwa in der Aufbereitung von Lithium-Ionen-Akkus, wurde auch über Deponietechnik und Altlasten sowie die internationale Abfallwirtschaft berichtet.

Einen Schwerpunkt bildete in diesem Jahr das Thema „Recyclingfähigkeit“. Immer mehr Produkte werben mit den Attributen „recyclingfähig“ und signalisieren den Konsumenten damit besondere Umweltverträglichkeit. Aus Sicht der Abfallwirtschaft ist die Frage berechtigt, ob diese Produkte wirklich recycelt werden und wie sie sich in unserem REALEN abfallwirtschaftlichen System verhalten. Bei genauerem Hinsehen lösen sich leider viele Versprechungen in Luft auf. Die Recyclingfähigkeit bezieht sich oft nur auf den Werkstoff, der theoretisch stofflich verwertet werden könnte. Damit ist aber die technische Recyclingfähigkeit noch lange nicht gegeben. Dazu gehört nämlich auch noch die Erkennbarkeit, z. B. durch Sensoren, oder die Ausschleusbarkeit in Sortiermaschinen, um ein Partikel aus einem Gutstrom abzuscheiden. Weiters muss ein geeignetes Recyclingverfahren für das in der Sortierung gewonnene Konzentrat vorhanden und nutzbar sein.

In realen abfallwirtschaften Systemen sind aber zusätzlich noch das Verhalten des Abfallerzeugers, das Vorhandensein und der Einfluss des Sammelsystems, die reale Verschmutzung und die regionalen Aspekte, wie die Existenz von geeigneten Sortieranlagen, zu berücksichtigen. Wenn all das berücksichtigt wird, dann können wir von der realen Recyclingfähigkeit sprechen.

Derzeit wird die Diskussion zum Thema Recyclingfähigkeit weitgehend auf Verpackungen und hier im speziellen auf Kunststoffverpackungen reduziert. Kunststoffverpackungsabfälle stellen aber nur einem relativ kleinen Abfallstrom dar, auf Österreich bezogen nur etwa 3,7 % der Siedlungsabfälle oder 0,25 % aller Abfälle. Allerdings zeigt sich, dass gerade Produkte aus Kunststoff, und hier besonders die Kunststoffverpackungen, noch nicht jene Recyclingquoten erreichen konnten wie Produkte aus anderen Werkstoffen. Es ist evident, dass der Werkstoff Kunststoff in Hinblick auf seine Kreislauffähigkeit noch deutliches Nachholpotential aufweist.

Die Reduktion der Diskussion auf Kunststoffprodukte greift allerdings zu kurz. Wenn wir mehr recycylieren wollen, müssen wir ALLE Produkte, die zu Abfall werden, in ihrer Recyclingfähigkeit verbessern. Die Forderung nach verbesserter Recyclingfähigkeit ist grundsätzlich an alle Produkte zu stellen, allerdings gelten gesetzliche Vorgaben an die Recyclingfähigkeit, ausgedrückt durch Sammel- und Verwertungsquoten, nur für bestimmte Produkte bzw. deren Abfallströme.

Gerade in Bezug auf die Recyclingfähigkeit zeichnen sich die Metalle durch ihre ausgezeichnete Recyclierbarkeit aus. Aufgrund ihrer sehr eindeutigen physikalischen Eigenschaften lassen sie sich aus Abfallströmen gut abtrennen und sortieren. Auch ihr relativ hoher Wert führt zu einer viel höheren wirtschaftlichen Attraktivität bei der getrennten Erfassung und der Aufbereitung. Im Metallrecycling selbst ermöglicht die Struktur der Metalle eine vielfache Kreislaufführung, wie sie bei anderen Werkstoffen, wie z. B. den Kunststoffen oder Faserrohstoffen, nicht möglich ist. „Upcycling“ ist im Gegensatz zu den meisten anderen Werkstoffen möglich und technisch erprobt.

Die energetischen und klimarelevanten Vorteile des Recyclings von Metallen sind umfangreich untersucht. So wird bereits 2010 in einer Studie des österreichischen Umweltbundesamtes ein Vergleich mit der Primärerzeugung angestellt. Die energetischen und THG Einsparungen liegen um eine Größenordnung über den entsprechenden Vorteilen anderer Werkstoffe wie Glas, Papier oder Kunststoff. Die getrennte Sammlung von Metallabfällen, deren Sortierung zu marktfähigen Konzentraten und deren Recycling in der metallurgischen Industrie ist etabliert und in Bezug auf Umweltziele sehr effektiv. Vielleicht sollten mehr Produkte zukünftig aus Metallen hergestellt werden, denn diese sind bestens kreislauffähig.

Eine Reihe von Vorträgen widmete sich auf der Recy & DepooTech verschiedenen Themen des Metallrecyclings. Ich wurde daher vom Geschäftsführer der ASMET Herrn Dr. Gerhard Hackl gebeten, einige Vortragende zu bitten, ihre Vorträge im Rahmen eines Metallrecycling Schwerpunktes als Publikation einzureichen. Es freut mich dass die BHM Fachzeitschrift dieses Mal einen „abfallwirtschaftlichen“ Schwerpunkt setzt. Die von mir ausgewählten Vorträge zeigen die Breite des heutigen Metallrecyclings aus abfallwirtschaftlicher Sicht auf. Neue Anforderungen der Metallaufbereitung in Schredderanlagen, das Thema Lithium-Ionen Batterie Recycling, das Recycling besonders unreiner Alu-Schrotte sowie die Herausforderungen und Entwicklungen des Schlackerecyclings werden in dieser Ausgabe thematisiert.

Metallrecycling wird auch in den nächsten Jahren noch interessante Forschungsthemen bieten. Der verstärkte Einsatz von Sensor gestützter Sortierung könnte aus derzeit gemischten Schrotten hochwertigere Konzentrate herstellen, KI Anwendungen sollten die Schrottcharakterisierung automatisieren und die Prozesse verbessern und spezielle Recyclingverfahren müssen für besonders unreine und verschmutzte Metallfraktionen entwickelt werden.

Ein besonderes Thema, das ich zum Schluss ansprechen möchte, ist unser Umgang mit den Nebenprodukten und Abfällen aus der Metallurgie – den Schlacken. Stahlwerksschlacken sind synthetische Gesteine, die als Sekundärrohstoffe im Bauwesen weite Verwendung finden können. In diesem Zusammenhang spielt das Auslaugverhalten von Stahlwerksschlacken im Hinblick auf die Umweltauswirkungen eine große Rolle. Gegenwärtig wird in Österreich neben dem Gehalt im Eluat der Gesamtgehalt an bestimmten Elementen als Maß für die Umweltauswirkungen von Stahlwerksschlacken herangezogen. Die zugrunde liegende Annahme lautet, dass der Gesamtgehalt die maximal freisetzbare Stoffmenge darstellt. Tatsächlich ist diese Annahme jedoch unrealistisch hoch, da eine vollständige Auflösung der Schlacke unter Einsatzbedingungen im Bauwesen aufgrund der Mineralogie von Stahlwerksschlacken weder empirisch zu beobachten noch physikalisch-chemisch möglich ist. Die tatsächlich maximal freisetzbaren Stoffmengen und Konzentrationen ergeben sich vielmehr aufgrund der Mineralogie von Stahlwerksschlacken, welche die Auslaugbarkeit maßgeblich beeinflusst. Schlacken stellen eine gut verfügbare Ressource dar und können primäre Rohstoffe im Sinne der Kreislaufwirtschaft schonen. Derzeit ist das Thema noch sehr emotional besetzt und der Einsatz von Schlacken noch immer umstritten. Die Umweltauswirkungen und die Mechanismen der Auslaugung werden seit Jahren intensiv an meinem Lehrstuhl erforscht und die Ergebnisse international publiziert. Es wäre an der Zeit, diesen Sekundärrohstoff verstärkt für geeignete Einsatzzwecke zu nutzen.

Mit dieser Ausgabe der BHM, mit Schwerpunkt Metallrecycling, wünsche ich Ihnen viel Freude und neue Erkenntnisse.

Ihr Roland Pomberger